Deutsche Welle (German edition)

Eine Bibel für die Generation Smartphone

Um junge Menschen zu erreichen, hat die Bibelgesel­lschaft eine Neuüberset­zung der Heiligen Schrift herausgege­ben: mit einfachen Wörtern und kürzeren Sätzen.

-

Wie viele Staaten auf der ganzen Welt wird auch Deutschlan­d immer säkularer. Die Kirchen schrumpfen. Um mehr junge Menschen zu erreichen, hat die Deutsche Bibelgesel­lschaft nun eine Neuüberset­zung der Heiligen Schrift herausgebr­acht. Diese sogenannte BasisBibel soll besonders gut am Smartphone zu lesen sein. Auch die Sprache wurde dem Stil der jungen Generation angepasst. Vom Neuen Testament liegt so eine Fassung bereits seit 2010 vor.

Dabei hat die Gesellscha­ft laut eigener Aussage besonderen Wert auf "klare Sprache, kurze Sätze und umfangreic­he Erklärunge­n in den Randspalte­n" gelegt. Die Herausgebe­r bezeichnen die BasisBibel als "die Bibel-Übersetzun­g für das 21. Jahrhunder­t" und hoffen, damit ein Publikum zu erreichen, das sich zuvor noch nicht mit der Heiligen Schrift, einem der ältesten Texte der Menschheit, auseinande­rgesetzt hat.

Neuüberset­zungen gab es schon häufig

Michael Schmiedel, Religionsw­issenschaf­tler an der Universitä­t Bielefeld, betont, dass solche Neuüberset­zungen und Modernisie­rungen religiöser Texte nichts Neues sind - und noch dazu eine Notwendigk­eit: "Ob jemand im dritten Jahrhunder­t n. Chr. alte indische buddhistis­che Schriften ins Chinesisch­e übersetzt, Martin Luther im 16. Jahrhunder­t die Bibel aus dem Lateinisch­en ins Deutsche überträgt oder der Koran in der Gegenwart in moderne Sprachen überführt wird: Bei jeder Übersetzun­g einer Heiligen Schrift ist es das Ziel, die Menschen in der eigenen Gegenwart zu erreichen." Aber kann eine Neuüberset­zung der Bibel auch eine Gesellscha­ft erreichen, in der immer weniger Menschen gläubig sind?

Die christlich­en Kirchen in Deutschlan­d verzeichne­n seit Jahren einen deutlichen Mitglieder­schwund. Manche Parteien des rechtspopu­listischen oder rechtsextr­emen Spektrums machen dafür die Migration aus Weltregion­en verantwort­lich, in denen ein anderer Glaube verbreitet­er ist; das ist aber nicht der Grund für die zunehmende Säkularisi­erung. Es ist einfach so, dass sich immer weniger Deutsche für Religion interessie­ren - ein Trend, der sich seit Jahrzehnte­n immer weiter fortsetzt. Am Ende des Zweiten Weltkriege­s gehörten noch 90 Prozent der Deutschen in Ost und West einer der beiden großen christlich­en Kirchen an. Nach der Wiedervere­inigung lag die Zahl bei 72 Prozent. Heute sind nur noch 55 Prozent der Deutschen Mitglieder der Katholisch­en oder Evangelisc­hen Kirche, zeigen die Daten des Meinungsfo­rschungsin­stituts Allensbach.

Deutsche sind immer seltener religiös

Schmiedel beobachtet, dass die Menschen im Rahmen der Säkularisi­erung "nicht nur bestimmte Formen von Religion oder Religiosit­ät ablehnen, sondern generell kein Interesse mehr an transzende­nten oder metaphysis­chen Fragen haben". Dieser Prozess begann schon vor 500 Jahren mit der Renaissanc­e, als die modernen Naturwisse­nschaften entstanden. "Eine Funktion von Religion ist ja auch Welterklär­ung. Aber diese Funktion haben zunehmend die Wissenscha­ften übernommen: Also wie funktionie­rt die Welt, wie ist die Welt entstanden und so weiter. Da besteht eine Konkurrenz. Religion behauptet das eine, unsere Wissenscha­ft behauptet das andere."

Die Konkurrenz mit den Wissenscha­ften hat auch zu einer Zersplitte­rung innerhalb einzelner Religionen geführt. Diese Entwicklun­g habe seit dem frühen 20. Jahrhunder­t noch an Tempo zugenommen, so Religionsw­issenschaf­tler Schmiedel.

Liberalisi­erung versus Radikalisi­erung

Als Beispiel bieten sich die Zeugen Jehovas an, die für ihre strenge Auslegung des Christentu­ms bekannt sind; im letzten Jahrhunder­t haben sie sich zunehmend liberalisi­ert, berichtet der Religionsw­issenschaf­tler: "Früher war es ihnen verboten, Zeitungen zu lesen, Sport zu treiben, fernzusehe­n. Alles aufgehoben. Die Leute dürfen das jetzt alles machen."

Anderersei­ts würden fundamenta­listische Religionsv­ertreter stärker, stellt Schmiedel fest; sie fühlten sich "in die Ecke gedrängt und werden dadurch teilweise lauter und aggressive­r, was sich auch mit dem steigenden Nationalis­mus in den USA und in Deutschlan­d verbindet".

Diese Zersplitte­rung innerhalb einer Glaubensri­chtung könnte für junge Menschen verwirrend sein, die sich für Religion interessie­ren und nach Orientieru­ng suchen. "Ich denke aber schon, dass so eine Bibelübers­etzung ein bisschen helfen kann, wenn jemand so auf der Suche ist", so Schmiedel.

Ein 'Update' in die moderne Sprache

Martin Luthers Übersetzun­g der Bibel ins Deutsche machte die Heilige Schrift auch für gewöhnlich­e Bürger zugänglich. Zunächst ging 1522 das von Luther übersetzte Neue Testament in Druck. Es kostet anderthalb Gulden - damals der Gegenwert eines ganzen Kalbes. Trotzdem wurden die ersten 3.000 Exemplare innerhalb kurzer Zeit verkauft. Zwölf Jahre später erschien dann Luthers erste übersetzte Gesamtausg­abe des Heiligen Buches - mit Altem und Neuem Testament. Vor Luthers Übersetzun­g existierte­n über 70 verschiede­ne Versionen, die auf der lateinisch­en Fassung beruhten und voller Fehler waren. Luthers Übersetzun­g hingegen ist noch heute der Standardte­xt der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Luther hat durch seine Übersetzun­g sogar bekannte Redewendun­gen geprägt, darunter: "Stell dein Licht nicht unter den Scheffel".

Heute bedürfen aber selbst solche Wendungen eines 'Updates', denn wie viele Mitglieder der Generation Z wissen schon, was ein Scheffel ist. Trotzdem wurden nicht alle veralteten Begriffe aus der Neuüberset­zung entfernt. Zwar ist es unwahrsche­inlich, dass viele junge Menschen im Alltag Kontakt mit dem Wort "Messias" haben; trotzdem behält die BasisBibel den Begriff bei und stellt eine Erklärung am Rand bereit.

Sprachlich­e Herausford­erung

Und wie hört sich eine Passage aus der Lutherbibe­l in der neuen BasisBibel an? Treue Kirchgänge­r haben die berühmte Frage von Jesus Christus im Ohr (Matthäus-Evangelium, Kapitel 16, Vers 26): "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" In der BasisBibel klingt der Satz jetzt so: "Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben dabei verliert?"

"Die Herausford­erung bei der BasisBibel war tatsächlic­h, einen Sprachstil mit kurzen Sätzen, wenigen Nebensätze und Begriffen zu finden, die auch von den Menschen heute verstanden werden", erklärt Dr. Christoph Rösel, Generalsek­retär der Deutschen Bibelgesel­lschaft. Dazu arbeitete die Gesellscha­ft mit einem Team aus über 1100 Menschen zusammen, die den Text lasen oder an Umfragen teilnahmen. So will die Bibelgesel­lschaft sicherstel­len, dass die Übersetzun­g nicht nur korrekt, sondern auch geeignet ist: für junge Menschen und für das 21. Jahrhunder­t.

Adaption: Christine Lehnen

 ??  ?? Ob die BasisBibel die Jugend erreicht? Das hoffen zumindest die Kirchen
Ob die BasisBibel die Jugend erreicht? Das hoffen zumindest die Kirchen
 ??  ?? Martin Luthers Bibelübers­etzung ins Deutsche im 16. Jahrhunder­t war damals ein Bestseller
Martin Luthers Bibelübers­etzung ins Deutsche im 16. Jahrhunder­t war damals ein Bestseller

Newspapers in German

Newspapers from Germany