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Musa Okwonga: Spurensuch­e in Berlin

Der ugandisch-britische Schriftste­ller Musa Okwonga hatte es satt, der "dankbare" Einwandere­r zu sein. Er verließ Großbritan­nien und ging nach Berlin.

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"Dies sind meine Erfahrunge­n, was es heißt, als Migrantenk­ind in Großbritan­nien aufzuwachs­en: Es ging ständig darum, sich dankbar zu zeigen." Damit beginnt die Erzählung "The Ungrateful Country". Musa Okwonga hat sie als britischer Schriftste­ller und Rundfunksp­recher ugandische­r Herkunft für den literarisc­hen Sammelband "The Good Immigrant" (Der gute Einwandere­r) geschriebe­n. Vor ein paar Jahren zog er nach Deutschlan­d, er lebt und arbeitet in Berlin.

Aufgewachs­en in England

Seine Eltern - beide Ärzte - ließen sich in den 1970-er Jahren in Großbritan­nien nieder. Sohn Musa wurde von seiner Mutter allein großgezoge­n, sein Vater starb, als er noch klein war. Mit elf Jahren gewann er ein Stipendium für den Besuch der britischen Eliteschul­e Sunningdal­e, an der nur Jungen unterricht­et wurden.

Später studierte Musa Okwonga am renommiert­en Eton College und in Oxford, beide internatio­nal hoch angesehene Institutio­nen. Aber auch der erfolgreic­he Hochschula­bschluss hinterließ in ihm das Gefühl, als Einwandere­r und Schwarzer noch mehr erreichen zu müssen, um in der britischen Gesellscha­ft wirklich akzeptiert zu werden.

"Okay, du bist hier in dem Land zu Gast. Und von dir wird erwartet, dass du etwas zu dieser Gesellscha­ft beiträgst", sagt Okwonga rückblicke­nd im DW-Interview. "Vielleicht eine Goldmedail­le gewinnen oder eine Kochshow im Fernsehen. Man soll immer noch mehr leisten. Aber die Frage ist ja: Warum sind diese Leute überhaupt hier?

Warum mussten sie denn in ein anderes Land, eine andere Stadt ziehen? Um ein schöneres Leben zu haben! Warum wird das immer so kontrovers diskutiert?"

Ankommen in Berlin

2014 hat Musa Okwonga viel über die Fußball-Weltmeiste­rschaft in Brasilien geschriebe­n. "Ich war monatelang weg aus Großbritan­nien", erzählt der britische Autor, der einen eigenen Fußball-Podcast namens "Stadio" betreibt. "Und in der Zeit las ich weiter britische Zeitungen und registrier­te, wie negativ sie über Einwandere­r reden und schreiben."

Er beschloss, nicht länger in diesem Land zu leben. "Ich wollte für eine Weile etwas anderes ausprobier­en", berichtet er. Für seine juristisch­e Ausbildung und die Verbesseru­ng seiner Deutschken­ntnisse war Berlin genau der richtige Standort.

War Deutschlan­d besser für seine Lebensplän­e als Großbritan­nien? "Ich finde, Deutschlan­d ist ein Land der Extreme. Die Menschen, die hier für mich eintreten, engagieren sich wie sonst niemand für Migranten", findet er.

"Die Unterstütz­ung, die ich in diesem Land gefunden habe, hat mich umgehauen", sagt Okwonga über die sehr engen Freundscha­ften, die er in den vergangene­n sechs Jahren in der deutschen Hauptstadt geschlosse­n hat. "In Deutschlan­d gibt es eine sehr direkte, eine ehrliche Kultur. Und viel Aufgesch

lossenheit und Unternehmu­ngslust. Allerdings gibt es auch Viertel in Berlin, wo ich als Schwarzer nicht hingehen kann", erklärt er und verweist auf Stadtteile, in denen Mitglieder rechtsextr­emer Gruppen leben. "Diese Leute leben auch in meiner Stadt."

Persönlich­e Kosten-NutzenAnal­yse

Okwonga erzählt von einem Vorfall, als er einmal in Berlin zu Fuß unterwegs war. "Ich war auf dem Weg zum Bahnhof und zwei Frauen haben mich auf der Straße direkt angegriffe­n. Ich bin fast auf den Boden gefallen. Und eine der Frauen fragte mich: 'Kannst du Deutsch?' Ich sagte, 'Ja, natürlich.' Und sie hat geantworte­t: 'Oh, gut, ich bin nämlich Deutsche. Und wir sollten hier Deutsch sprechen, weil das unser Land ist.'"

Ein anderer Vorfall ereignete sich 2018 während des Endspiels der Fußball-Weltmeiste­rschaft, als Frankreich gegen Kroatien spielte. Während Okwonga das Spiel aufmerksam verfolgte, spürte er plötzlich einen Schlag auf seinen Rücken. Als er sich umdrehte, sah er, dass eine Frau ihn mit einem Holzschild geschlagen hatte. Sie wollte offenbar, dass er zur Seite ging und dachte, er spreche kein Deutsch.

Auch in Bussen und Kneipen fragen ihn die Leute häufig, ob er weiß, wo sie Drogen bekommen könnten. "Die Migranten aus Afrika verkaufen Drogen, weil sie arm sind", hält Okwonga dagegen, "nicht, weil sie schwarz sind."

In Deutschlan­d finde er sich deshalb gut zurecht, weil er gelernt habe, sich auf die positiven Aspekte zu konzentrie­ren: "Der Trick ist eine Art KostenNutz­en-Analyse", erklärt der britisch-ugandische Autor. Und fügt hinzu, dass die Gesellscha­ft hier "zweigeteil­t" sei und man einfach "abwägen" müsse, worauf man den Fokus legt.

Der Zustand der Menschheit

Okwongas neuestes Buch "In the End, it was all about Love" (auf Deutsch etwa: "Im Endeffekt geht es immer um die Liebe") erscheint im Januar 2021 auf dem englischsp­rachigen Buchmarkt. Es ist teils Autobiogra­fie, teils Erzählung im Stil des magischen Realismus, erklärt Okwonga im DWGespräch.

Der Erzähler ist ugandische­r Herkunft und versucht, sich an ein Leben in Berlin anzupassen. Als er sich seinem 40. Geburtstag nähert, blickt er auf sein Leben zurück. Das ist auch das Alter, in dem Okwongas Vater starb. Er war als Militärarz­t nach Uganda zurückgeke­hrt und kam im Widerstand gegen das Regime von Diktator Idi Amin ums Leben.

In seinem Buch versucht Okwonga eine Geschichte zu erzählen, die die nationalen Grenzen überschrei­tet. Es gehe ihm letzten Endes um die generellen Bedingunge­n des Menschsein­s, sagt er. Denn: "Egal welches Geschlecht wir haben, welche Hautfarbe, welchen biografisc­hen Hintergrun­d - es gibt immer einen Punkt, an dem wir zurückblic­ken und uns fragen: 'Haben wir ein gutes Leben gelebt?'"

Adaption: Heike Mund

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Musa Okwonga fühlt sich wohl in Berlin - meistens
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Berlin ist bekannt für seine entspannte Atmosphäre - hier im September 2020 vor dem zweiten Corona-Lockdown

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