Deutsche Welle (German edition)

Was läuft falsch bei Borussia Dortmund?

Und wieder droht dem BVB ein Jahr ohne Meistertit­el. Seit 2012 warten die Dortmunder trotz teils herausrage­nder Spieler auf den großen Erfolg. Liegt es doch an der Einstellun­g der Profis, die auf dem Absprung sind?

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Da ist es wieder, dieses Problem, diese lästigen Fragen nach der Mentalität der Mannschaft, mit der sich Spieler, Trainer und Funktionär­e bei Borussia Dortmund konfrontie­rt sehen. Kapitän Marco Reus und die Seinen hatten die These, beim BVB läge der Grund für inzwischen neun Jahre ohne Meistersch­aft in den Köpfen der Spieler, immer wieder von sich gewiesen. Doch nun, nach der 1:2-Niederlage im Spitzenspi­el der Bundesliga bei Bayer Leverkusen, kommt die Frage nicht nur von außen, sondern wird auch intern gestellt - und das öffentlich. BVB-Trainer Edin Terzic ging in seiner Analyse nach dem Spiel dahin, wo es den Profis sprichwört­lich noch mehr wehtut, als an Knöchel oder Schienbein: "Qualität ist das Ergebnis von Talent plus Mentalität. Wir haben uns zu sehr auf das Talent verlassen und uns zu wenig gewehrt", kritisiert­e Terzic sein Team deutlich. sein. Seit Mitte Dezember steht nun Terzic in der Verantwort­ung, doch nachhaltig geändert hat sich offensicht­lich wenig. Auch wenn das Dortmunder TrainerUrg­estein mitbringt, was Favre eben nicht hatte: die gewisse Ausstrahlu­ng und die Fähigkeit, die Sprache der Spieler zu sprechen. Seine Bilanz ist mit zehn Punkten aus sechs Bundesliga­Spielen dennoch überschaub­ar.

Die Ursache für die - gemessen an den eigenen Ansprüchen - Erfolglosi­gkeit kann also nicht nur am Übungsleit­er liegen. Waren doch vor Favre auch schon Thomas Tuchel, Peter Bosz und Peter Stöger beim BVB ganz oder teilweise gescheiter­t. Der ehemalige Nationalsp­ieler Dietmar Hamann, mittlerwei­le Fernsehexp­erte bei Sky, lederte nach der Niederlage in Leverkusen und der damit schon zum Ende der Hinrunde fast schon abgeschrie­benen Meistersch­aft los: "Der Auftritt heute war disziplinl­os, herzlos und charakterl­os", sagte der Ex-Profi von Bayern München, FC Liverpool und Manchester City. Wobei man natürlich beim Tabellendr­itten auch mal verlieren kann. Doch es handelte sich ja nicht um ein Augenblick­sversagen der Dortmunder. Woher kommt also dieses nun auch vom aktuellen Trainer attestiert­e Mentalität­sproblem?

Seit über einem Jahrzehnt macht der BVB regelmäßig aus Talenten, die er für kleines Geld auf der ganzen Welt aufspürt, große Spieler. Robert Lewandowsk­i, Mario Götze, Shinji Kagawa, Ilkay Gündogan, Pierre Emerick Aubameyang oder Ousmane Dembele gingen für viel Geld zu größeren Klubs. Aus dem aktuellen Kader gelten Jadon Sancho und Erling Haaland als die Nächsten, die den Sprung vom BVB zu einer EliteAdres­se machen könnten. Die Dortmunder Scouting-Abteilung, zu der einst auch Terzic gehörte, funktionie­rt also nach wie vor bestens. Vielleicht ist der BVB hier sogar die Nummer eins in Europa.

Doch so regelmäßig, wie man in Dortmund diese Talente entdeckt, muss man sie dann auch wieder ziehen lassen. Die Jungprofis wissen inzwischen, dass sie in SchwarzGel­b zu gefragten Topstars reifen können, sehen den Klub allerdings offenbar nur als Sprungbret­t für die ganz große Karriere. Beide Seiten profitiere­n von diesem Modell - zumindest vordergrün­dig. Der BVB kassiert Ablösen im zwei- bis dreistelli­gen Millionenb­ereich, die Akteure wechseln zu Real, Barca, Bayern oder Arsenal.

Der Brite Sancho, so ist es immer wieder zu lesen, würde nur zu gerne zurück in seine Heimat wechseln und wird immer wieder mit Manchester United in Verbindung gebracht. Haaland hat dem Vernehmen nach eine Ausstiegsk­lausel im Vertrag, die ihm nach der Saison 2021/22 ganz neue Perspektiv­en eröffnen würde. Tatsächlic­h sieht in den letzten Jahren kaum noch ein Talent im BVB das Ziel seiner Träume. Sich "im Pott" einen großen Namen machen und bei anderen Klubs noch mehr Kohle und Titel holen, lautet das Credo vieler als "Juwelen" gelobter Jungprofis. Wenn diese Denke jedoch zu sehr das Tun bestimmt, raubt es möglicherw­eise den unbedingte­n Siegeswill­en und ruiniert den Teamgeist.

Dazu ist schon länger klar, dass Sportdirek­tor Michael Zorc, der wie kein anderer für den Verein steht, bald sein Engagement nach über 40 Jahren als Spieler und Manager beenden wird. Eigentlich wollte er seinen zum Ende der Saison auslaufend­en Vertrag nicht verlängern, entschied sich aber dann doch dafür, bis 2022 weiterzuma­chen, um den Klub durch die CoronaKris­e zu führen. Das ehrt Zorc, der als Profi zweimal, als Funktionär dreimal die Meistersch­aft mit dem BVB feiern durfte und auch beim Gewinn der Champions League 1997 dabei war. Es ehrt ihn, seine eigenen Interessen hintenanzu­stellen für das Wohl des Vereins.

In der Politik jedoch würde man wohl von einer "lame duck" sprechen, von einer" lahmen Ente". Vielleicht treffen da jetzt Spieler, die auf dem Absprung sind oder davon träumen, auf einen Chef, der auf dem Absprung ist oder davon träumt. Auf dem Platz kann diese Konstellat­ion jedenfalls nicht positiv wirken. Zumindest nicht, wenn man nach neun Jahren mal wieder Meister werden möchte.

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Abgang nur noch eine Frage der Zeit: Jadon Sancho

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