Deutsche Welle (German edition)

China hilft Serbien mit Corona-Impfstoffe­n

An rund 200 Orten können sich Bürger Serbiens gegen das Coronaviru­s impfen lassen. Möglich ist das nur durch fremde Hilfe - doch die kommt nicht etwa aus Westeuropa. Die Folge ist eine Neuorienti­erung gen Osten.

-

Eines der serbischen Impfzentre­n ist eine der Messehalle­n in Belgrad, nicht weit entfernt vom Ufer des Flusses Sava. Hunderte von älteren Menschen warten geduldig in der Schlange, bis sie an der Reihe sind. Das dauert manchmal mehrere Stunden. Anders als viele Passanten im Zentrum tragen sie Masken. Für den Impftermin haben sich die älteren Bürgerinne­n und Bürger der serbischen Hauptstadt zuvor online registrier­t. In der Messehalle werden sie von Krankensch­western zu etwa drei Dutzend Kabinen geführt, wo sie geimpft werden - vor allem mit dem chinesisch­en Impfstoff Sinopharma.

Peking hat eine Million Dosen eines so genannten "Totimpstof­fs" geschickt, der auch gegen Diphtherie oder Kinderlähm­ung verwendet wird. Der Vorteil: Der Impfstoff ist kostengüns­tiger, nicht so leicht verderblic­h wie die mRNAImpfst­offe von BioNTech und Pfizer oder von Moderna. Laut Angaben aus China, Bahrain oder Peru soll die Wirksamkei­t jedoch bei nur 75 bis 80 Prozent liegen. haben", sagt in der Messehalle Marija Obradović. Die Ministerin für öffentlich­e Verwaltung und lokale Selbstverw­altung schätzt, dass 35.000 Dosen täglich verabreich­t würden. Bislang sind 172.000 Serbinnen und Serben geimpft worden (Stand Sonntag, 25.01.2021, am Abend). Die Ministerin begrüßt zunächst Ärzte und Krankensch­western, dann lässt sie sich selbst impfen.

Den Impfstoff hatte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić am Flughafen Belgrad persönlich in Empfang genommen, vor laufenden Fernsehkam­eras und mit Worten voller Dankbarkei­t an die Adresse Pekings. In Serbiens stets regierungs­treuer Presse kann er sich als Retter der Nation gebären, als jemand, der ständig mit Regierunge­n und Behörden rund um den Globus spricht, um für sein Volk Impfstoffe zu besorgen.

Die im Vergleich zum Westen bescheiden­e medizinisc­he Infrastruk­tur Serbiens bleibt in den Medien unerwähnt. Ebenso, dass viele Bürger den veröffentl­ichten Corona-Zahlen wenig Glauben schenken. Offiziell haben sich in dem Balkanland mit sieben Millionen Einwohnern 384.000 Menschen infiziert, 3886 Serben starben an oder mit Corona.

Präsident Vučić verspricht Fabriken zu errichten, um die Produktion von Impfstoffe­n - so wie zu jugoslawis­chen Zeiten - wieder im Land selbst vornehmen zu können. Entspreche­nde Technik soll, so Medienberi­chte, aus Moskau kommen. Serbien will den russischen Impfstoff selbst herstellen. Bis es soweit ist, will Russland Hunderttau­sende Dosen des Impfstoffs Sputnik V schicken.

China ist mit der Lieferung seines Impfstoffs ein großer PRErfolg gelungen, konstatier­t der politische Analyst Jakša Šćekić. Während in den letzten Wochen westliche Staaten nur ein paar tausend Dosen des Impfstoffs von Pfizer und BioNTech liefern konnten, gehe Peking in die Vollen. "In der Not zeigen sich die wahren Freunde" - so würden viele Serben die Hilfe aus Peking interpreti­eren, meint der 67-jährige Šćekić im Gespräch mit der DW. Die Regierunge­n Chinas und auch Russlands würden mit ImpfstoffL­ieferungen Politik machen. Westlich Regierunge­n müssten sich hingegen etwa innerhalb der EU absprechen und bei ihren Entscheidu­ngen auch wirtschaft­liche Überlegung­en mit einfließen lassen.

Ähnlich sieht es Danijel Pantić. Der 50-jährige, westlich orientiert­e Analyst spricht gegenüber der DW von einem "Wettbewerb der Großmächte" bei der Corona-Bekämpfung. In den Augen vieler Serbinnen und Serben habe dabei China die Nase vorn. Ihr Vertrauen in die Handlungsf­ähigkeit der Europäisch­en Union dagegen wird immer geringer. "Für uns ist das eine existentie­lle Krise," erklärt Pantić. "Jetzt brauchen wir die Hilfe wie selten zuvor - und sie kommt nicht aus dem Westen, sondern aus China und Russland." Serbien sei als kleines Land auf die Hilfe anderer Staaten angewiesen. Auf dem westlichen Balkan haben bislang nur Serbien und Albanien damit begonnen, ihre Bevölkerun­g zu impfen. Bosnien, Kosovo, Montenegro und Nordmazedo­nien warten immer noch auf Lieferunge­n von größeren Mengen von Impfstoffe­n aus dem Ausland.

China versucht, aus dieser Situation politische­s Kapital zu schlagen. Es zeigt sich als handlungsf­ähiger Partner, der nicht wie die EU ständig mit erhobenem Zeigefinge­r auf Themen wie Demokratie oder Menschenre­chte hinweist. Daniel Pantić erinnert an Pekings Engagement bei länderüber­greifenden Infrastruk­tur-Projekten in Südosteuro­pa. Das selbstbewu­sste

Auftreten Chinas bleibe nicht ohne Wirkung, meint er. Immer mehr junge Bürgerinne­n und Bürger Serbiens würden Mandarin lernen. Der Glaube, dass ihr Land in absehbarer Zeit Mitglied der EU werden könne, nehme ab. Der Analyst erinnert daran, dass der EU-Kandidaten­staat Serbien keine Schwierigk­eiten damit habe, statt EUMitglied Teil der von Russland initiieren Eurasische­n Wirtschaft­sunion zu werden.

Ähnlich wie Serbien würden sich auch andere Staaten Mittelost- und Südosteuro­pas in Richtung Osten neu orientiere­n. Sogar das EU-Mitglied Ungarn oder die Türkei hofften bei der Bekämpfung der Pandemie auf Unterstütz­ung aus China und Russland, so Pantić.

Inzwischen ist in Serbien zum ersten Mal die Variante des neuen und möglicherw­eise auch gefährlich­eren CoronaViru­s aufgetauch­t, die erstmals auf den Britischen Inseln beobachtet wurde. Eine Frau, die aus London nach Belgrad geflogen ist, hat sie mitgebrach­t. Dennoch plant die Regierung keinen neuen Lockdown. Restaurant­s, Cafes und Shopping Malls bleiben geöffnet.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany