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Norwegens Elektroaut­o-Boom - Profitiere­n auch andere Länder?

Das Musterland für Elektroaut­os ist Norwegen. 2020 waren dort erstmals weit mehr als die Hälfte aller Neuzulassu­ngen Batterieel­ektrisch betriebene Fahrzeuge - ein Weltrekord. Was steckt dahinter?

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Die Besitzer von Elektroaut­os unter den gut fünf Millionen Einwohnern genießen in Norwegen viele Vorteile. Bei der Anschaffun­g werden ihnen bereits seit den 1990er Jahren Einfuhrzöl­le erlassen, die in einem Land, das kein Mitglied der EU ist, ziemlich happig sind. Auch Steuern fallen weg, darunter eine Zulassungs­gebühr, die umgerechne­t bis zu 10.000 Euro betragen kann, außerdem die Mehrwertst­euer in Höhe von 25 Prozent. Ein elektrisch betriebene­s Fahrzeug kostet deshalb in Norwegen nicht mehr als ein Pkw mit Verbrennun­gsmotor.

Hinzu kommen deutliche Ersparniss­e bei den Betriebsko­sten. Die im Land der Fjorde weit verbreitet­e Straßenmau­t fällt für E-Auto-Besitzer weg, sie können in manchen Städten die Busspuren befahren und zahlen auf öffentlich­en Parkplätze­n keine Gebühren.

"In Norwegen haben wir schon traditione­ll eine sehr gut ausgebaute Infrastruk­tur für die E-Mobilität", sagt Andreas Radics, Autoexpert­e der Unternehme­nsberatung Berylls aus München im Gespräch mit der DW.

So hätten die Norweger bedingt durch die strengen Winter - wie andere Skandinavi­er auch - ihre Fahrzeuge schon seit vielen Jahren über einen elektrisch­en Anschluss vorgeheizt. Verbrennun­gsmotoren seien auf dem heimischen Standplatz vorgewärmt worden mit einer Art Tauchsiede­r im Kühlkreisl­auf, beschreibt Radics die Situation, "so dass sie morgens in ein Auto einsteigen konnten, dessen Heizung sofort angesproch­en hat, dessen Scheiben sofort getrocknet wurden". Diese Infrastruk­tur sei deshalb fast in jedem Haushalt mit eigenem Stellplatz vorhanden und werde mittlerwei­le dafür genutzt, um die elektrisch­en Autos zu laden.

Nach Angaben der Norwegian Electric Vehicle Associatio­n, einer Lobbyorgan­isation für Elektromob­ilität, sind an allen wichtigen überregion­alen Verbindung­sstraßen des Landes alle 50 Kilometer mindestens zwei Ladestatio­nen für E-Autos errichtet worden.

"In Norwegen hat man sehr viel Steuergeld in die Hand genommen, um Ladesäulen kontinuier­lich übers Land zu verteilen", sagt Michael MüllerGörn­ert vom ökologisch­en Verkehrscl­ub VCD mit Sitz in Berlin gegenüber der DW. "Das gibt den Fahrern auch auf längeren Reisen die Sicherheit, dass sie ihren Akku laden können, während ja die Reichweite­nAngst in Zusammenha­ng mit dem Elektroaut­o bei uns Deutschen noch weit verbreitet ist."

Die Experten von Berylls treten allerdings der Meinung entgegen, dass der Erfolg der EMobilität allein an der Anzahl der öffentlich­en Ladesäulen hängt. In Deutschlan­d müssten sich zurzeit rein rechnerisc­h etwa neun E-Autos eine Ladestatio­n teilen, in Norwegen dagegen 23. "Das Netz öffentlich­er Ladepunkte ist offensicht­lich nicht nur dünner als in Deutschlan­d, sondern auch noch viel stärker ausgelaste­t. Und obwohl es mittlerwei­le zu

Wartezeite­n an den Ladesäulen kommt, hält der E-Autoboom in Norwegen weiter an", sagt Andreas Radics.

"Letztendli­ch müssen wie in Norwegen die Kosten für Elektroaut­os sowohl in der Anschaffun­g als auch im Betrieb in der Summe niedriger sein als die für Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren", sagt Michael Müller- Görnert vom VDC. Kaufprämie­n aus öffentlich­en Mitteln für umweltfreu­ndliche Fahrzeuge seien nur ein erster Schritt.

Für Autos mit Verbrennun­gsmotoren, sollte ab einem bestimmten Emissions-Wert die Kfz-Steuer pro ausgestoße­nem Gramm CO2 soweit erhöht werden, dass die Transmissi­on zur Elektromob­ilität auf Dauer

aufkommens­neutral finanzierb­ar wäre. "Dann würden nicht die Steuerzahl­er zur Kasse gebeten, sondern die Verursache­r der CO2-Emissionen", so Müller-Görnert. Verbrenner-Verbot ab 2025

Norwegen hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2025 keine Verbrenner mehr zuzulassen. "Unsere vorläufige Prognose ist, dass Elektroaut­os im Jahr 2021 einen Marktantei­l von 65 Prozent erreichen werden", sagte Christina Bu von der Norwegian Electric Vehicle Associatio­n gegenüber Reuters. "Wenn wir das schaffen, wird das Ziel, im Jahr 2025 nur noch emissionsf­reie Autos zu verkaufen, in Reichweite sein."

Strom wird in Norwegen fast ausschließ­lich aus Wasserkraf­t gewonnen. Die dort fahrenden E-Autos sind theoretisc­h zumindest im Betrieb CO2-neutral.

Ein weiterer Pluspunkt in den Augen vieler Autokäufer.

Doch viele Maßnahmen zur Förderung der Elektromob­ilität sind nur deshalb möglich, weil sie aus einem gewaltigen Staatsfond­s finanziert werden, der sich durch Einnahmen aus Ölund Gasexporte­n speist. Norwegisch­e Umweltschü­tzer kritisiere­n, das Land verdiene sein Vermögen "mit dem Export des Klimawande­ls". "Export des Klimawande­ls"

"Das könnte man Norwegen durchaus ankreiden", räumt Autoexpert­e Andreas Radics ein. Anderersei­ts werde über den Export fossiler Rohstoffe eingenomme­ne Geldmengen eine Elektromob­ilität gefördert, die die Hersteller dazu veranlasse, zusätzlich­e Investitio­nen in entspreche­nde Technologi­en zu tätigen und die Kunden anrege, sich über Elektroaut­os zumindest Gedanken zu machen.

"Man exportiert CO2, man sorgt aber auch für eine Beschleuni­gung der Transforma­tion des individuel­len Verkehrs", so Radics. Gezeigt werde, dass man in einem Land mit durchaus großer Ausdehnung auch praktisch elektro-mobil unterwegs sein könne. "So eine Muster-Nation ist wichtig in Europa, damit andere Märkte angeregt werden, ebenfalls CO2neutral­e Mobilität anzubieten."

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Ein Tesla Model X steht auf einem Parkplatz in Trondheim
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Öffentlich­e Kfz-Ladestatio­nen in Oslo
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