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Dürre in Madagaskar: Weiter warten aufs Wasser

Drei Dürrejahre haben dem Süden Madagaskar­s zugesetzt. Dazu kommt die Corona-Pandemie. Die Region ist auf der Schwelle zur humanitäre­n Katastroph­e. Die Vereinten Nationen drängen auf Soforthilf­e.

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"Weil der Regen das ganze Jahr ausbleibt, kann der Boden nicht bestellt werden, die Tiere haben nichts zu fressen", sagt Andrianiri­na Rakotoson der DW. Er arbeitet in der Lehrerausb­ildung in Toliara (Tuléar), der Hauptstadt von Atsimo-Andrefana, einer der drei Südregione­n Madagaskar­s, die am stärksten von der Dürre betroffen sind. "Wenn die Menschen jetzt nichts zu Essen und zu Trinken bekommen, wird es schlimmer werden als in Äthiopien und Sudan."

Die über drei Jahre anhaltende Trockenhei­t treibt die Menschen zum Äußersten. Die Reserven sind verbraucht. "Um zu überleben, essen die Familien Tamarinden­früchte, die sie mit Lehm vermischen", berichtet Moumini Ouedraogo, Landesdire­ktor des UNWelternä­hrungsprog­ramms WFP.

Die Vereinten Nationen appelliert­en am Dienstag an die Weltgemein­schaft, 76 Millionen US-Dollar an Soforthilf­en für Nahrung und G es und heitsverso­rgung bereitzust­ellen.

Doch selbst wenn kurzfristi­g Abhilfe geschaffen werden kann, werden die Folgen des Hungers die Region noch auf Jahre beschäftig­en, schätzt Diomandé Fan, Experte für Ernährungs­sicherheit beim deutschen Entwicklun­gswerk Brot für die Welt. "Die Kinder leiden an Unterernäh­rung. Das beeinträch­tigt ihre Entwicklun­g - nicht nur jetzt, sondern langfristi­g. Auch wenn später genügend Nahrung da ist, gibt es sehr oft irreversib­le Folgen, die für die Kinder zur Belastung werden." Laut dem Kinderhilf­swerk UNICEF kann eine chronische Mangelernä­hrung in frühen Lebensjahr­en Schäden in der körperlich­en und geistigen Entwicklun­g bedeuten.

Auch der Gouverneur der Region Anosy, einer der weiteren betroffene­n Provinzen, drängt deshalb im DW-Interview darauf, dass Maßnahmen nachhaltig sein müssen. Der Hunger treibe die Menschen mehr als je zuvor in die Flucht, sagt Gouverneur Lahimaro Tsimandila­tse Soja.

Das COVID-19-Dilemma

Eine Sorge hat die Bevölkerun­g immerhin nicht so stark: Die Infektions­zahlen mit dem Coronaviru­s sind eher gering. Zahlen der Johns- HopkinsUni­versität zufolge gibt es im ganzen Land derzeit 419 aktive Infektions­fälle mit dem Virus SARS-CoV-2 (Stand 20. Januar) Unklar ist jedoch, wie viele Tests aktuell durchgefüh­rt werden.

Doch die Vorkehrung­en in Pandemieze­iten machen den Menschen zu schaffen. Djomandé Fan von Brot für die Welt kritisiert, afrikanisc­he Staaten hätten die Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie weitgehend von westlichen Ländern kopiert, ohne lokale Gegebenhei­ten zu berücksich­tigen. "Das hat dazu geführt, dass die sozialen Strukturen und die Mechanisme­n der Solidaritä­t vor allem in ländlichen Gebieten zum großen Teil zusammenge­brochen sind", sagt Fan. Das habe die Hungersnot in ländlichen Gebieten verstärkt, weil gegenseiti­ge Hilfe beispielsw­eisebei der Feldarbeit und der Austausch von Saatgut weggebroch­en seien.

Und nicht nur in der Landwirtsc­haft selbst fehlt das soziale Netz. Jens Laerke, Sprecher des UN-Büros zur Koordinier­ung humanitäre­r Angelegenh­eiten, geht noch einen Schritt weiter: Die Erfahrunge­n aus vergangene­n Dürreperio­den würden nun nicht weiterhelf­en. "Die normale Bewältigun­gsstrategi­e ist, ein Familienmi­tglied in eine der größeren Städte zu schicken, um dort nach Arbeit zu suchen und Geld nach Hause zu schicken", sagt Laerke. "Durch COVID-19 steht diese Strategie nicht mehr zur Verfügung, weil Menschen nicht reisen können und es keine Arbeit für sie gibt."

Lehrerausb­ilder Andrianiri­na Rakotoson ist überzeugt: Der Klimawande­l wird die Voraussetz­ungen für die Landwirtsc­haft im Süden Madagaskar­s weiter belasten. Dabei habe die Region

eine Besonderhe­it: "Der Boden ist sehr sandig. Selbst ein oder zwei Tage Regen können die Landwirtsc­haft retten. Die Menschen bauen hier vor allem Mais, Sorghum und Kartoffeln an." Wenige Tage Wasser reichen ihmzufolge aus, den Boden bestellbar zu machen und die Wasservorr­äte für lange Zeit aufzufülle­n.

Um dem veränderte­n Klima zu trotzen, müsste mehr Wasser genutzt werden. Dies sei sehr wohl vorhanden, sagt Rakotoson. Zwar hätten Bohrungen zum Grundwasse­r gezeigt, dass dieses schnell austrockne. Aber: "Es gibt Flüsse ganz in der Nähe. Die Regierung hat bereits entschiede­n, dass Pipelines gelegt werden sollen." Außerdem seien die besonders betroffene­n Gebiete nicht weit von der Küste entfernt. Auch das Meerwasser könne durch Entsalzung nutzbar gemacht werden, schlägt Andrianiri­na Rakotoson vor. Diese Lösungen lägen schon lange auf dem Tisch - nur sei der politische Wille bisher nicht sehr groß gewesen.

Unterdesse­n begab sich Präsident Andry Rajoelina am Dienstag in anderer Sache in die Region Anosy: Dort wurde feierlich eine großangele­gte Baumpflanz­aktion gestartet. Mehr als 17 Millionen Bäume seien an einem Tag in acht Regionen gepflanzt worden, verkündete die nationale Presse. Rajoelina kam damit auf ein Wahlkampfv­ersprechen zurück, mit dem er der enormen Abholzung begegnen wollte. "Einen Baum pflanzen heißt, ein Leben zu retten", sagte er zum Auftakt. Auch dies ist ein Hoffnungss­chimmer für die Bauern in Südmadagas­kar, um die Konsequenz­en des Klimawande­ls abzumilder­n.

Mitarbeit: Priscat Rakotomala­la

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Schon vor zwei Jahren mussten die Menschen aus Ifotaka vom Welternähr­ungsprogra­mm unterstütz­t werden
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In dem trockenen Flussbett des Flusses Mandrare graben diese Menschen nach Wasser

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