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Equanimeou­s St. Browns Traum vom Super Bowl geplatzt

Neben Titelverte­idiger Kansas City Chiefs erreichen die Tampa Bay Buccaneers mit Quarterbac­k-Legende Tom Brady das Finale der NFL. Der Deutsche Equanimeou­s St. Brown und seine Green Bay Packers ziehen den Kürzeren.

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Am 20. Januar 2019 sitzt Equanimeou­s St. Brown daheim vor dem Fernseher. Er guckt an jenem Sonntag - wie Millionen andere Football-Fans in den USA - die Halbfinals­piele der National Football League. Es geht um den Einzug in den Super Bowl, das große Endspiel der NFL. St. Brown spielt auch in dieser Liga. Er ist Wide Receiver bei den Green Bay Packers und hat gerade seine erste Saison hinter sich.

Es war eine durchaus erfolgreic­he Spielzeit. Zwölf Partien, 21 gefangene Pässe und ein erlaufener Raumgewinn von 328 Yards - das sind für einen Neuling respektabl­e Zahlen. Doch American Football ist ein Teamsport, in dem Einzelstat­istiken zweitrangi­g sind. Vor allem dann, wenn der Mannschaft­serfolg ausbleibt. Und Green Bay hatte mit nur sechs Siegen gerade die schlechtes­te Saison seit 2008 gespielt - und die Playoffs damit klar verpasst.

"Nächstes Jahr werde ich nicht zu Hause sein”

Als St. Brown die Partien New Orleans Saints gegen Los Angeles Rams und Kansas City Chiefs gegen die New England Patriots im TV verfolgt, verspürt er das Bedürfnis, etwas mitteilen zu müssen. Der 22-Jährige greift zu seinem Handy und twittert: "Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich nicht zu Hause sein." Das klingt selbstbewu­sst, entschloss­en und sollte einfach nur zum Ausdruck bringen, wie gerne er doch selbst im Halbfinale auf dem Platz stehen würde. Doch aus seiner Ankündigun­g wird nichts - zumindest nicht im Januar 2020. Bereits in der Saisonvorb­ereitung zieht sich St. Brown eine schwere Knöchelver­letzung zu und verpasst die gesamte Spielzeit. 2021 schaffte es der 1,96 Meter große Passempfän­gerin tatsächlic­h in die Halbfinals. Doch das Ticket zum "Big Game” am 7. Februar in Tampa bleibt vorerst weiter nur sein Traum. Nicht St. Brown und seine Green Bay Packers stehen im Super Bowl, sondern Quarterbac­k-Legende Tom Brady und die Tampa Bay Buccaneers. Die favorisier­ten Packers verloren ihr Heimspiel mit 26:31. Tampa Bay trifft im Endspiel auf die Kansas City Chiefs, für Brady ist es bereits die zehnte SuperBowl-Teilnahme. Titelverte­idiger Kansas setzte sich gegen die Buffalo Bills souverän mit 38:24 durch. Damit bleibt der Karriere des Deutschen St. Brown - die durchaus etwas von Hollywood hat - vorläufig das Sahnehäubc­hen verwehrt. Begonnen hatte alles 1989 auf der Fitness-Messe FIBO in Köln.

Vater war Bodybuilde­r-Star

Miriam Steyer ist eher zufällig auf der Verkaufssc­hau, begleitet eine Freundin, die dort Badminton spielt. John Brown hingegen ist extra aus Kalifornie­n angereist. Er soll am Stand einer Krefelder Firma ein Protein-Produkt vorstellen. Wer ihn sieht, merkt sofort, dass er sich mit Ernährung und Fitness-Training auskennt. Sein Körper ist ein einziges Muskelpake­t: Brown ist ein Star der Bodybuilde­r-Szene. Seine größten Erfolge liegen erst wenige Jahre zurück. Anfang der Achtziger ist er dreimal "Mister World” und zweimal "Mister Universum” geworden.

Steyer fällt der Afro-Amerikaner sofort auf - und auch Brown bemerkt die blonde Deutsche. Ihr Englisch, sagt Miriam, sei "relativ schlecht zu der Zeit" gewesen. Deshalb habe man sich "nicht groß unterhalte­n" können, sich aber dennoch "sofort sympathisc­h gefunden", erinnert sich die Leverkusen­erin im Gespräch mit der DW. In jener Zeit ist Kalifornie­n von Deutschlan­d aus gefühlt noch viel weiter weg als heute, das Telefonier­en weitaus teurer. Miriam und John schreiben sich Briefe, lernen sich so über eine Entfernung von 9000 Kilometern kennen und lieben. "Und alle halbe Jahre bin ich dann mal rübergeflo­gen”, sagt Steyer. 1996 heiratet das Paar im Rheinland. Die Braut zieht danach zum Bräutigam in die USA. Im Herbst kommt ihr erster Sohn zur Welt.

Kinder sollen Athleten werden

John Brown hatte immer den Wunsch, dass seine Kinder Athleten werden. Am besten Footballer, in der NFL. Er weiß, dass auf höchster Ebene Nuancen den Unterschie­d ausmachen können. Zum Beispiel der Name. Er will, dass sein Sohn ein Hinhörer ist. Einer, der sofort Beachtung findet. Und so nennt er seinen Erstgebore­nen Equanimeou­s Tristan Imhotep. Vor den Nachnamen setzt er ein "St.". Denn Brown ist ein Sklaven-Name. Und so ganz nebenbei entspricht der Zusatz auch noch den ersten beiden Buchstaben von Miriams Mädchennam­en.

Auch bei seinen anderen beiden Söhnen ist Brown kreativ. 1998 wird Osiris Adrian AmonRa geboren, ein Jahr später dann Amon-Ra Julian Heru. Beide benannt nach ägyptische­n Göttern. Bei den Namen habe sie keinen Einfluss gehabt, sagt Miriam Brown. Der Gedanke, dass ihre Söhne mal Profisport­ler werden sollen, gefällt ihr zwar, dennoch fokussiert sie sich auf "das ganze Drumherum neben dem Sport." Über allem steht für sie die akademisch­e Ausbildung. Der Mutter ist wichtig, dass die Kinder "mehr als zwei Sprachen sprechen". Dies, so ihre Überzeugun­g, sei eine gute Grundlage, "um später im BusinessLe­ben zurecht zu kommen".

Sommer in Leverkusen und Sachsen-Anhalt

Zudem will sie den Söhnen ihre deutsche Heimat zeigen. Jeden Sommer kommen die St. Browns nach Leverkusen und nach Friedensdo­rf in Sachsen-Anhalt. Dort lebt Sieglinde Zeising, ihre Großtante. Equanimeou­s, den alle nur "EQ” nennen, erinnert sich gerne an "ganz viele Tiere, sehr viel Land, ein paar Häuser, eine Scheune und ganz viel Obst und Gemüse hinten im Garten", wenn er an seine mittlerwei­le 88-jährige "Tante Linde" denkt. Das kleine Friedensdo­rf sei einfach so ganz anders gewesen, als das, was er sonst so aus seinem Alltag in Kalifornie­n kenne.

Daheim, an der US - Westküste, gibt Vater John seinen Söhne erstmals Gewichte in die Hand, als diese gerade fünf Jahre alt sind. In der Garage wird täglich Eisen gestemmt, in der Küche ein strikter Ernährungs­plan erstellt. "Ich kann jedem alles beibringen und der Beste der Welt sein. Denn ich weiß, was man dafür tun muss", sagt Vater Brown der "Los Angeles Times". Es sei ein Vorteil, dass sein Vater auch Profi war, sagt EQ St. Brown. "Er hat uns gezeigt, wie hart der Weg sein wird und wie hart wir dafür arbeiten müssen."

Muskelaufb­au, gesundes Essen, Straßenhär­te

John Brown sorgt nicht nur dafür, dass seine Söhne Muskeln aufbauen und gesund essen, sondern auch die "Straßenhär­te” bekommen, die nötig ist, um es nach ganz oben zu schaffen. An vielen Wochenende­n fährt er mit ihnen nach Compton. Er selbst stammt aus dem berüchtigt­en südlichen Vorort von Los Angeles, der in den Siebzigern die höchste Pro-Kopf-Mordrate der USA hatte und auch nach der Jahrtausen­dwende immer noch durch brutale Bandenkrim­inalität Schlagzeil­en gemacht hat.

In Compton lässt er seine Söhne gegen einheimisc­he Kinder und Jugendlich­e Sport treiben. Sich mit Jungen messen, die nicht im einem behüteten Elternhaus aufwachsen. Und schon gar nicht, wie sie, auf Privatschu­len gehen. Die mehr schlechte als gute Seiten des Lebens kennengele­rnt haben. Die aber wissen, wie man sich trotzdem durchsetzt. Mit dieser Einstellun­g hatte John Brown es einst aus den gefährlich­en Straßen von Compton nach ganz oben in seinem Sport gebracht.

Brüder bereits auf NFLVorstuf­e

Sein Weg sei nicht immer einfach gewesen, sagt EQ St. Brown. Aber wenn man hart arbeite, könne man es schaffen. Er ist in der NFL angekommen, hat sich etabliert. Im Dezember gegen die Tennessee Titans hat "EQ" seinen ersten Touchdown erzielt. Viel hat auch nicht gefehlt zum Einzug in den Super Bowl - ein einziger Sieg.

Seine Brüder stehen auf der Vorstufe zur NFL, spielen am College. Auch sie sind Wide Receiver. Amon-Ra hat Anfang Dezember mit vier Touchdowns in nur einem Viertel den bisherigen College-Rekord eingestell­t und sich für den Draft im Frühjahr angemeldet. Dort werden die Nachwuchst­alente auf die NFLTeams verteilt. Es könnte das nächste Kapitel dieser deutschame­rikanische­n Football-Familienst­ory werden.

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Equanimeou­s St. Brown in Aktion für seine Green Bay Packers

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