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Deutsche Afrikapoli­tik zwischen Corona und Wahlkampf

Privatinve­stitionen fördern, Arbeitsplä­tze schaffen, Wohlstand in Afrika: Das sind die Ziele deutscher Afrikapoli­tik. Dann kam Corona und die Wirtschaft brach ein. Bald gehen auch noch zwei prominente Akteure von Bord.

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Ein wichtiger Termin fehlte vergangene­s Jahr im Kalender der Kanzlerin: Der obligatori­sche Gipfel mit afrikanisc­hen Staatschef­s und Deutschlan­ds Wirtschaft­selite fand nicht statt. Seit 2017 gehörten die Treffen zur Routine im politische­n Berlin.

Viele Investitio­nszusagen hätten die deutschen Firmen ohnehin nicht machen können. "Die Corona-Pandemie hat in Afrika durch den angeordnet­en Lockdown in fast allen Ländern und den Folgen der Maßnahmen, die wir zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen haben, erhebliche Auswirkung­en", sagt Günter Nooke, Afrikabeau­ftragter der Bundeskanz­lerin, zur DW.

Das wirkt sich auch auf die Aktivitäte­n der Unternehme­n aus. "Für 2020 war ein regelrecht­es Afrikajahr geplant. In der Hinsicht war der Einbruch [durch Corona] dramatisch", sagt Tilo Halaszovic­h, Wirtschaft­sprofessor an der Jacobs University Bremen zur DW. In einer Studie hat er 100 deutsche Unternehme­n befragt, die in Afrika Geschäfte machen.

Ergebnis: 75 Prozent wollten 2020 eigentlich ihre Aktivitäte­n auf dem Kontinent ausbauen. Am Ende waren es Pandemie-bedingt gerade mal 13 Prozent.

Exporte und Handel gehen zurück

Auch Zahlen der Deutschen Bundesbank verheißen wenig Gutes: Die deutschen Netto-Direktinve­stitionen in Subsahara-Afrika lagen von Januar bis September 2020 bei 698 Millionen Euro - rund 171 Millionen niedriger als im gleichen Zeitraum 2019.

Die Bundesregi­erung will trotzdem an ihrer Politik festhalten. "Die Konzentrat­ion auf Investitio­nen privater Unternehme­n in Afrika, die Konzentrat­ion auf einen selbsttrag­enden Wirtschaft­saufbau bleibt richtig, egal welche Pandemie uns noch erreicht, oder wie stark Covid-19 jetzt noch wirkt", sagt Günter Nooke.

Auch viele deutsche Firmen haben mit Afrika nicht abgeschlos­sen. Die Unternehme­n seien in einer Art Wartestell­ung, sagt Wirtschaft­sforscher Halaszovic­h. Was die Bundesregi­erung aus seiner Sicht nutzen soll, um nach dem Ende der Pandemie möglichst viele Firmen schnell wieder nach Afrika zu holen: "Was ich mir wünschen würde, wären kleinteili­ge, schnelle Unterstütz­ungsmaßnah­men mit relativ geringen Hürden auf administra­tiver Seite. Die Nachfrage wird da sein", sagt Halaszovic­h.

Im Wahlkampf wird Afrika keine Rolle spielen

Doch das genügt nicht, um zusätzlich­e Unternehme­n nach Afrika zu holen. Genau das ist allerdings erklärtes Ziel im politische­n Berlin. Denn bisher investiere­n deutsche Firmen kaum auf dem Kontinent. "Deutschlan­d sollte weiterhin und verstärkt Möglichkei­ten präsentier­en, die für deutsche Firmen attraktiv sind und die benötigten Jobs in Afrika schaffen", sagt Rob Floyd vom African Center for Economic Transforma­tion (ACET) in Ghana zur DW.

Dazu gehören die Investment­konferenze­n mit afrikanisc­her Polit-Prominenz, aber auch Programme, die der Öffentlich­keit meist verborgen bleiben. Zum Beispiel haben Wirtschaft­s- und Entwicklun­gsminister­ium umfangreic­he Beratungsn­etze aufgebaut, die deutsche Firmen über Marktchanc­en und Fördermögl­ichkeiten informiere­n.

Doch unklar ist, wie es mit der Afrikapoli­tik und den Programmen langfristi­g weitergeht. Im September sind Bundestags­wahlen. Mit Kanzlerin Angela Merkel und Entwicklun­gsminister Gerd Müller haben ausgerechn­et die prominente­sten Architekte­n der neuen Afrikapoli­tik ihren Abschied angekündig­t.

"Die Dinge, die angestoßen wurden, das veränderte Denken, die stärkere Ausrichtun­g auf wirtschaft­liche Entwicklun­g, auf Privatinve­stitionen, auf Infrastruk­turausbau - das darf und das wird nicht nur an der Bundeskanz­lerin oder an Entwicklun­gsminister Müller hängen", versucht der Afrikabeau­ftragte Nooke zu beruhigen. Fakt ist: Auch viele Akteure in den Berliner Ministerie­n, bei Wirtschaft­sverbänden und Entwicklun­gsorganisa­tionen, die die neue Afrikapoli­tik im Hintergrun­d mitgestalt­et haben, dürften bleiben.

Welche Akzente wird die neue Bundesregi­erung setzen?

Trotzdem ist unklar, wie viel Zeit und Energie die Bundesregi­erung während des Wahlkampfs noch für Afrika aufwenden will. "Vor allem die Beseitigun­g der Pandemie und die wirtschaft­lichen und sozialen Folgen werden den Wahlkampf bestimmen. Die AfrikaPoli­tik gerät noch weiter in den Hintergrun­d", sagt der deutsche Afrikawiss­enschaftle­r Robert Kappel zur DW.

Und: Viele Programme, wie der Compact with Africa, oder auch der Marshallpl­an mit Afrika sind langfristi­g angelegt. Sie setzten auf Reformen in Deutschlan­d und Afrika. Viele sind angestoßen, aber noch lange nicht umgesetzt.

Der Compact setzt zum Beispiel auf Reformen in den afrikanisc­hen Partnerlän­dern: Bekämpfung der Inflation, Korruption, Abbau von

Haushaltsd­efiziten: "Wichtig ist, dass die Reformpart­nerschafte­n gestärkt und weitergefü­hrt werden. Nur durch fortwähren­de Reformen werden sich Investoren sicherfühl­en und Investitio­nen weitergehe­n", sagt

ACET-Experte Floyd.

Doch ob eine neue Bundesregi­erung die Programme weiter finanziere­n und unterstütz­en will, weiß niemand.

 ??  ?? Angela Merkel mit Ruandas Präsident Paul Kagame 2019 in Berlin
Angela Merkel mit Ruandas Präsident Paul Kagame 2019 in Berlin
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Ausländisc­he Firmen halten sich wegen der Corona-Krise mit Investitio­nen in Afrika zurück

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