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Lebenslange Haft im Lübcke-Mordprozess
Der Hauptangeklagte Stephan Ernst ist wegen Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verurteilt worden. Der mitangeklagte Markus H. wurde vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen.
Letztlich war das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Fall Walter Lübcke keine Überraschung. Und doch dürften einige Prozessbeteiligte mit dem am Donnerstag gefallenen Urteilsspruch nicht gänzlich zufrieden sein - die Verteidiger, weil es deutlich über dem von ihnen geforderten Strafmaß lag, Ankläger und Nebenklage, weil es nicht das ausschöpfte, was sie sich erhofft hatten.
Stephan Ernst muss zwar wegen Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten lebenslang in Haft. Außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Doch die unter anderem von der Bundesanwaltschaft als Ankläger in dem Verfahren geforderte Sicherungsverwahrung für Ernst wurde lediglich unter Vorbehalt angeordnet.
Vom versuchten Mord an einem irakischen Flüchtling, dessentwegen Ernst ebenfalls angeklagt war, wurde der 47Jährige freigesprochen. Ebenfalls freigesprochen wurde der Mitangeklagte Markus H. vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord an Lübcke. H. ist wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Haftstrafe von anderthalb Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. am Donnerstag die Urteilsbegründung des Senats. Man habe es sich nicht leicht gemacht in diesem Verfahren, so der Vorsitzende. Doch es gelte der Grundsatz "in dubio pro reo". Wenn etwas nicht zweifelsfrei erwiesen sei, dürfe ein Angeklagter deswegen nicht verurteilt werden. Das gelte sowohl für Ernst in Bezug auf die Messerattacke auf den Flüchtling als auch für H. im Fall der ursprünglich angeklagten Beihilfe zum Mord.
Dass Ernst jedoch Lübcke im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen-Ista bei Kassel erschoss, daran habe kein
Zweifel bestanden. Und auch, dass er dabei allein war, stehe fest. Weil er heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe, stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit kann Ernst nicht nach frühestens 15 Jahren Haft einen Antrag stellen, vorzeitig entlassen zu werden.
Sicherungsverwahrung ordnete das Gericht unter Vorbehalt an. Nur wenn sich während seiner Haft herausstellt, dass Ernst weiterhin eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt, kann diese Maßnahme verhängt werden. Er könne selbst beeinflussen, die Sicherungsverwahrung zu vermeiden, etwa indem er an einem Aussteigerprogramm für Rechtsradikale teilnehme.
Zu Beginn der Urteilsbegründung wandte sich der Vorsitzende zunächst an die Familie des Ermordeten: "Wir wissen, dass es schwer für Sie war." Ob die Angehörigen in den vergangenen Monate jedoch tatsächlich, wie erhofft, Antworten auf die Frage fanden, warum ihr Ehemann und Vater erschossen wurde, ist zweifelhaft. Zu vieles ist auch nach 44 Prozesstagen im Unklaren geblieben.
Nach Ansicht des Gerichts hat Stephan Ernst den damaligen Regierungspräsidenten "nicht aus persönlichen Gründen", sondern wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen und der Funktion als Repräsentant des Staats erschossen. Mit dem Mord habe er "ein Zeichen setzen" und andere Politiker davon abhalten wollen, ähnlich zu handeln. Wann und warum aber der Entschluss gefallen war, Lübcke zu töten, habe sich auch dem Gericht nicht erschlossen.