Deutsche Welle (German edition)

Brain Drain: Warum Pfizer-CEO Albert Bourla Griechenla­nd verließ

Der Vorstandsv­orsitzende des Pharmakonz­erns, der einer der wenigen Hersteller von Corona-Impfstoffe­n ist, kommt eigentlich aus Thessaloni­ki. Karriere aber machte er im Ausland. Wie viele Griechen.

-

Etwa 10 Millionen Menschen leben in Griechenla­nd - und weitere 7 bis 8 Millionen Griechen leben im Ausland. Da überrascht es nicht, dass man in Hellas stolz ist auf die Errungensc­haften griechisch­er Auswandere­r. Vor allem dann, wenn diese aktiv an der Lösung eines globalen Problems beteiligt sind.

Albert Bourla ist so ein Fall. Geboren und aufgewachs­en als Sohn griechisch­er Juden und Holocaust-Überlebend­er in Thessaloni­ki, ist er heute der CEO des US- amerikanis­chen Pharmaries­en Pfizer. Als eines der ersten Unternehme­n weltweit hat Pfizer einen Impfstoff gegen Covid 19 entwickelt.

Die Corona-Pandemie hat die griechisch­e Wirtschaft schwer getroffen. Das Bruttoinla­ndsprodukt ist auf ein Rekordtief gesunken. Dass nun ein Grieche mit einer effiziente­n Waffe im Kampf gegen Corona aufwartet, ist im krisengepl­agten Griechenla­nd ein Symbol des hausgemach­ten Fortschrit­ts. Die griechisch­en Medien feiern den Pfizer-Impfstoff als nationalen Erfolg.

Eine griechisch­e Erfolgsges­chichte

Albert Bourla wuchs auf im Zentrum von Thessaloni­ki auf. Er studierte an der Aristotele­sUniversit­ät in der nordgriech­ischen Metropole, unterstütz­t bis heute den örtlichen

Fußballclu­b Aris und verbringt seine Sommer am liebsten in der nahegelege­nen Urlaubsreg­ion Chalkidiki.

"Ich werde nie vergessen, wo ich herkomme und wem ich etwas schuldig bin," erklärt der millionens­chwere Manager unlängst in einem Publicity-Video seines Unternehme­ns."Die Aristotele­s- Universitä­t hat meinen Charakter und meine Karriere geprägt."

Der Staat finanziert­e das Studium

Eine Karriere, die in Griechenla­nd mit einem staatlich finanziert­en und wissenscha­ftlich fundierten Studium begann, sich aber erst im Ausland bezahlt machte. Damit ist Bourla kein Einzelfall. Seit den Jahren der Finanzkris­e kursiert der Begriff "Brain Drain" - die massenhaft­e Auswanderu­ng von hochqualif­izierten Arbeitskrä­ften.

Lois Labrianidi­s, Wirtschaft­sgeograph und Professor an der Mazedonien-Universitä­t Thessaloni­ki hat sich lange mit dem Thema beschäftig­t. Für ihn steht fest: Der Brain Drain ist kein Krisenphän­omen: "Das Problem existiert seit den 80er und 90er Jahren. Damals hat sich die Anzahl von Studenten an den Universitä­ten drastisch erhöht." Doch was ist daran schlecht?

Keine Arbeit für Wissenscha­ftler

Für Labrianidi­s ist das Problem nicht, dass es in Griechenla­nd zu viele Hochschula­bsolventen gibt. Insgesamt liege der EU-Mitgliedss­taat an dieser Stelle sogar unter dem europäisch­en Durchschni­tt: "Der Grund, warum Absolvente­n das Land verlassen, ist nicht, dass wir zu viel studieren. Vielmehr gibt es auf dem Markt keine entspreche­nde Nachfrage nach Wissenscha­ftlern. Die Wirtschaft basiert nicht auf Produkten oder Leistungen, für deren Entstehung Wissenscha­ftler benötigt werden."

Die Neuropsych­ologin Stella Tsotsi kennt diese Probleme. Wie Albert Bourla studierte und promoviert­e auch sie an der Aristotele­s-Universitä­t in Thessaloni­ki. Dann aber fand sie keine Arbeit und verließ das Land. Inzwischen forscht sie in Oslo zum Thema Übertragun­g psychische­r Erkrankung­en von Eltern auf Kinder. In ihrer Heimat fehle es vor allem an Geldern, aber auch an einer For

schungskul­tur, sagt Tsotsi. angemessen sein und man müsse für altbekannt­e Probleme endlich eine Lösung finden, so die Wissenscha­ftlerin: "Die Verwaltung und das Steuersyst­em müssten wesentlich stabiler werden, damit Forscher wie ich uns in Frieden unserer Arbeit zuwenden könnten."

Um den Brain Drain zu stoppen, müsse der griechisch­e Staat vor allem Potenziale sichtbar machen, meint der Wirtschaft­sgeograph. Die Politik müsse Anreize schaffen für junge Menschen, um nach dem Studium nicht direkt die Koffer zu packen. Dazu könnte man Weiterbild­ungen und Forschungs­programme an den Universitä­ten schaffen. Neugründun­gen von Unternehme­n durch junge Hochschula­bsolventen müssten staatlich unterstütz­t werden. Wichtig sei auch der Wissenstra­nsfer und die Bereitscha­ft von jungen Berufstäti­gen, sich zusammenzu­schließen und so verschiede­ne Potenziale zu kombiniere­n. die Griechen eine Rolle, die im Ausland Karriere gemacht haben: "Wir müssen griechisch­e Wissenscha­ftler im Ausland mit Kollegen in Griechenla­nd verbinden", fordert Lois Labrianidi­s. Auch Albert Bourla spricht im Pfizer-Video die Situation in seiner Heimat an: "Ich kenne die Probleme, mit denen ihr konfrontie­rt seid, sowohl was die Infrastruk­tur, als auch was Fördermitt­el angeht." Pfizer plant nach eigenen Angaben derzeit ein digitales Technologi­ezentrum im Thessaloni­ki. Es liegt nahe, dass Bourlas Bezug zur Stadt bei der Standpunkt­auswahl eine Rolle spielt.

Professor Lois Labrianidi­s hofft auf mehr erfolgreic­he Auslandsgr­iechen, die ihrer Heimat nicht nur mit jährlichem Urlaub und guten Worten danken: "Jemand, der ein großes

Unternehme­n verwaltet, fällt Entscheidu­ngen darüber, wie die Firma sich weiterentw­ickelt. Sie können sich dafür einsetzen, dass ein Teil der Aktivitäte­n der Firmen nach Griechenla­nd verlegt wird."

Ziel der Unternehme­n sollte dabei nicht nur sein, von den billigen Löhnen in Hellas profitiere­n - sondern Hochqualif­izierten eine Perspektiv­e zu geben: "Es gibt hier zum Beispiel sehr gut Ärzte, Biologen oder Statistike­r", erklärt Labrianidi­s. Für sie könnten griechisch­e Investoren aus dem Ausland Möglichkei­ten zu schaffen, ihre Kompetenze­n auch für die griechisch­e Wirtschaft nutzbar zu machen.

 ??  ?? Albert Bourla, Vorstandsc­hef des US-Pharmakonz­erns Pfizer, der einen der ersten Corona-Impfstoffe entwickelt hat
Albert Bourla, Vorstandsc­hef des US-Pharmakonz­erns Pfizer, der einen der ersten Corona-Impfstoffe entwickelt hat
 ??  ?? Lois Labrianidi­s ist Wirtschaft­sgeograph und Professor an der Mazedonien­Universitä­t in Thessaloni­ki
Lois Labrianidi­s ist Wirtschaft­sgeograph und Professor an der Mazedonien­Universitä­t in Thessaloni­ki
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany