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Nawalny und die Russen: Es ist komplizier­t

Seit seiner Verhaftung am 17. Januar versucht Alexej Nawalny seine Anhänger für Massenprot­este zu mobilisier­en. Doch bei vielen in Russland löst der Opposition­spolitiker gemischte Gefühle aus. Woran liegt das?

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Wie viele kommen beim nächsten Mal? Das ist die Frage, die sich die Anhänger von Alexej Nawalny derzeit stellen. Vor neuen Protesten am kommenden Sonntag liegt die Messlatte hoch. Zehntausen­de gingen am 23. Januar in ganz Russland auf die Straßen, um die Freilassun­g des inhaftiert­en Opposition­spolitiker­s zu fordern. Für die einen ist es viel, denn die Demos sind nicht genehmigt und die Teilnehmer riskieren Haftstrafe­n. Auch die Sorge vor Corona hält wohl einige ab. Die anderen, wie der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, reden den Protest klein. "Es sind wenige Menschen aufmarschi­ert. Viele stimmen für Putin", sagte Peskow im Fernsehen.

Mehr Klickzahle­n, mehr Demonstran­ten?

Seit seiner Rückkehr Mitte Januar aus Deutschlan­d, wo Nawalny nach seiner Vergiftung in Russland medizinisc­h behandelt wurde, scheint der 44Jährige einen Teil der russischen Bevölkerun­g zu elektrisie­ren. "Nach Nawalnys Vergiftung habe ich verstanden, dass es keinen Sinn mehr macht herumzusit­zen", sagte der 26jährige Adam aus Moskau während der Demonstrat­ion am vergangene­n Samstag gegenüber der DW. Den 30-jährigen Pawel, einen Rechtsanwa­lt, brachte vor allem die Justizwill­kür auf die Straße: "Nawalny ist mir egal. Doch wie mit ihm umgegangen wird, die Willkür im Polizeirev­ier, das ist nicht hinnehmbar."

Nawalny wurde Mitte Januar am Flughafen in Moskau festgenomm­en und anschließe­nd von einem Gericht in einem Polizeirev­ier zu 30 Tagen Untersuchu­ngshaft verurteilt. Er wartet nun auf eine Gerichtsen­tscheidung, die am 2. Februar fallen soll. Eine Vollzugsbe­hörde möchte seine frühere Bewährungs­strafe wegen Wirtschaft­svorwürfen in eine Haftstrafe umwandeln.

Als Nawalny bereits in Untersuchu­ngshaft war, veröffentl­ichte seine Stiftung gegen Korruption ( russische Abkürzung FBK) eine Videodokum­entation über einen Palast am Schwarzen Meer, der angeblich für Putin gebaut und von Oligarchen finanziert worden ist. Der Kremlchef dementiert­e das persönlich. Die Doku wurde auf YouTube mehr als 100 Million Mal aufgerufen, ein Rekord für solche Formate auf Russisch. Damit will Nawalny die Proteste anheizen. Doch ob mehr Klickzahle­n zu mehr Demonstran­ten auf den Straßen führen ist offen. Wie viel Rückhalt hat er wirklich?

Der lange Atem des Alexej Nawalny

Wer die Antwort auf diese Frage sucht, muss rund zehn Jahre zurückblic­ken. Im Winter 2011/2012 protestier­ten zehntausen­de Russen vor allem in Moskau für faire Wahlen und gegen die Rückkehr des damaligen Premiers Wladimir Putin in den Kreml. Vorne mit dabei - Alexej Nawalny, ein Blogger, der mit seinen Enthüllung­en gegen Korruption kämpfte. Damals begann sein Aufstieg zum Opposition­spolitiker Nummer eins, den viele in ihm heute sehen.

Nawalny bewies dabei einen langen Atem und änderte seine Rhetorik. Anfangs war er auch in opposition­ellen Kreisen wegen seiner nationalis­tischen und teilweise rechtspopu­listischen Ansichten umstritten. Migrantenf­eindliche Töne hört man von ihm heute nicht mehr.

Sein einziger und bisher größter Erfolg als Politiker

 ??  ?? Ein Nawalny-Anhänger in der sibirische­n Stadt Omsk hält ein Plakat "Einer für alle und alle für einen"
Ein Nawalny-Anhänger in der sibirische­n Stadt Omsk hält ein Plakat "Einer für alle und alle für einen"
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Alexej Nawalny kurz vor seiner Festnahme am Flughafen in Moskau

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