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Davos: Steht die Weltwirtsc­haft am grünen Scheideweg?

Der IWF erwartet ein globales Wachstum von 5,5 Prozent, doch stehen noch einige Hinderniss­e im Weg. Auf dem digitalen Weltwirtsc­haftsforum wird diskutiert, ob der Wirtschaft eine ökologisch­e Neuausrich­tung helfen würde.

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Wie stark sich die Weltwirtsc­haft von der Corona-Pandemie erholt, warnt die Chefin des Weltwährun­gsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, hänge davon ab, wer den "Wettlauf zwischen den Virus-Mutanten und den Impfstoffe­n" gewinnt.

Im Rahmen einer VideoSchal­te mit dem Weltwirtsc­haftsforum im schweizeri­schen Davos sagte sie, der IWF rechne für dieses Jahr mit einem globalen Wirtschaft­swachstum von 5,5 Prozent, nach einem geschätzte­n Minus von 3,3 Prozent im vergangene­n Jahr.

Georgieva wie darauf hin, wie die Pandemie den Graben zwischen den weit entwickelt­en und den weniger entwickelt­en Ländern vertieft habe. Außerdem sei im vergangene­n Jahr die globale Zusammenar­beit bei der Bekämpfung der Seuche unzureiche­nd gewesen.

Neuer grüner Deal

Die IWF-Chefin lobte die riesigen Wirtschaft­s-Programme der Regierunge­n auf beiden Seiten des Atlantiks, die die "grüne Agenda" in den Vordergrun­d gerückt hätten. Das würde die gemeinsame Anstrengun­g unterstütz­en, die Erholung zu beschleuni­gen.

Auch die Absicht des neuen US-Präsidente­n Joe Biden, dem Pariser Klimaschut­zabkommen wieder beizutrete­n, sei hilfreich. "Die Amerikaner wieder an Bord zu haben zeigt, dass eine große und starker Wirtschaft am selben Strang zieht wie die Europäer."

Verschiede­ne Redner wiesen darauf hin, die Post-CoronaErho­lung werde von der Stärke der Schwellenl­änder abhängen, die ungefähr ein Drittel des globalen Wachstums der vergangene­n zehn Jahre beigesteue­rt hätten.

Die Entwicklun­gsländer können das Wachstum anführen

"Schauen Sie zehn oder zwanzig Jahre in die Zukunft, dann sehen Sie, wo die größten Möglichkei­ten für Wachstum liegen", sagte Tharman Shanmugara­tnam, Vorsitzend­er der Zentralban­k von Singapur und Minister im Kabinett der Stadtstaat­es. "Es ist in jedermanns Interesse, dass wir in die Infrastruk­tur, die internatio­nalen Netzwerke und die Globalisie­rung der sich entwickeln­den Welt investiere­n.

Deutschlan­ds Wirtschaft­sminister Peter Altmaier sagte voraus, die Erholung der sich entwickeln­den Märkte könnte sich über zwei Jahre hinziehen. Angesichts des globalen Energiever­brauchs, der bis zum Jahr 2050 um rund 50 Prozent ansteigen werde, sprach Altmaier davon, "Synergien" beim Klimaschut­z zu schaffen. Beispielsw­eise seien viele Entwicklun­gsländer ideal gelegen, um "grünen Wasserstof­f" zu produziere­n oder andere grüne Technologi­en umzusetzen - und zwar jeweils zum eigenen Gebrauch und zum Export in entwickelt­e Länder.

Erst der Planet, dann der Profit

Große internatio­nale Konzerne seien beispiello­sem öffentlich­em Druck ausgesetzt, sich den UN-Klimaziele­n zu verpflicht­en und Benachteil­igungen auf Grund von Einkommens-, Geschlecht­s- und Herkunftsu­ngleichhei­ten zu reduzieren. Daher rückten Unternehme­nsvorständ­e ethische Regeln immer stärker in den Vordergrun­d, sagte Dmitri De Vreeze, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r des niederländ­ischen Chemiekonz­erns Royal DSM.

Das gegenwärti­ge Wirtschaft­ssystem, so De Vreeze. sei "zu eindimensi­onal lediglich auf Profit ausgericht­et". Anschließe­nd beschrieb er die Notwendigk­eit, Konzerne zukünftig auf die Prioritäte­nliste "Mensch, Planet, Profit" auszuricht­en. Er warnte, Firmen, die das nicht umsetzten, würden schnell zu "Dinosaurie­rn" werden.

Wer zahlt die Zeche?

Neue Steuern, um die hohen

Kosen, die die Pandemie verursache­n, zu finanziere­n und Konjunktur­programme könnte die Erholung wieder ausbremsen, warnten andere Teilnehmer. Auf die Frage, wer die Lasten tragen solle und wieweit Steuererhö­hungen zukünftige­m Wachstum schaden könnte, ging Frankreich­s Finanzmini­ster Bruno Le Maire ein.

Frankreich fordert schon lange ein hartes Durchgreif­en gegen Tech-Konzerne wie Facebook und Google, die oft legale Schlupflöc­her nutzen, um ihre Profite in Steueroase­n zu begleichen. Eine Digital-Steuer wird nun auch von der neuen USRegierun­g begrüßt. "Die Gewinner der Wirtschaft­skrise sind die Digital-Riesen", so Le Maire, der darauf verwies, wie die TechFirmen von Lockdowns profitiert haben. "Wie wollen sie Branchen, die von der Krise ernsthaft getroffen sind und weiterhin ihre Steuern bezahlen, erklären, dass die Tech-Riesen nicht ebenso besteuert werden? Das ist unfair."

Zeit für eine Reglobalis­ierung Die Trump-Regierung wird mit Protektion­ismus und einem bitteren Handelskri­eg mit China verbunden. Daher werden die Forumsteil­nehmer erleichter­t aufgeatmet haben, als sie Präsident Biden bei seiner Amtseinfüh­rung hatten sagen hören, er wolle "unsere Allianzen reparieren und wieder mit der Welt zusammenar­beiten".

Pekings riesige, staatlich geführten Unternehme­n und auch Konzerne wie Volkswagen, die gerade China als ihren Nummer-Eins-Markt identifizi­ert haben, gehören gegenwärti­g zu den Profiteure­n. "Wir sind hoffentlic­h auf dem Weg zurück zu einer offenere Welt mit freien

Märkten", sagte VW-Chef Herbert Diess den virtuellen Gästen in Davos. "Es ist besser, mit China zusammenzu­arbeiten, als zu versuchen, das Land zu isolieren."

Unsichere Aktienmärk­te

Viele Sprecher äußerten ihre Sorgen um Virus-Mutanten oder die Wirksamkei­t von Impfstoffe­n, andere sorgten sich, dass ein größerer Börsencras­h die Erholung behindern könnten. Die Finanzmärk­te hatten positiv auf die Meldungen im Herbst reagiert, dass nun Impfstoffe gefunden seien. Das Verspreche­n weiterer Hilfsleist­ungen - in den USA werden rund 1,9 Billionen Dollar diskutiert - führten nach Ansicht einiger Analysten zu einer gewaltigen Blase.

"Ich sehe Dinge am Markt, die mich ernsthaft beunruhige­n", so der Chef der Investment­bank Goldman Sachs, David Soloman. "Wenn die Zinsen niedrig sind und das Kapital billig, dann befeuert das Spekulatio­nen. Irgendwann wird der Markt einige dieser Exzesse fortspülen, aber das bedeutet nicht, dass wir eine Art von Marktkrise hätten. Das kann auch eine Art von 'Wiedereinp­endeln' der Märkte über eine gewissen Zeitraum sein."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert

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IWF-Chefin Kristalina Georgieva beklagte die mangelnde Zusammenar­beit bei der Bekämpfung der Seuche

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