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Ermutigend­e Ergebnisse: Plitidepsi­n hilft gegen COVID-19

Bereits 2020 gab es Meldungen, dass das Krebsmedik­ament Aplidin auch ein Mittel gegen Corona sein könnte. Jüngste Labortests machen Hoffnung: Demnach soll der Wirkstoff Plitidepsi­n 27-mal wirksamer sein als Remdesivir.

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Von der seltenen marinen Seescheide Aplidium albicans, die nur in den Gewässern rund um Ibiza zu finden ist, über ein gescheiter­tes Krebsmitte­l hin zu einer potenziell­en COVID-19Therapie: Das Medikament Aplidin der spanischen Firma PharmaMar hat eine beachtlich­e Reise hinter sich - die hoffentlic­h ein gutes Ende nimmt.

Vielverspr­echende Ergebnisse wurden nun im Science Magazine veröffentl­icht. Demnach soll sich das Medikament als 27,5-mal wirksamer gegen SARS-CoV-2 als Remdesivir erwiesen haben.

Gescheiter­t als Krebsmedik­ament...

Ursprüngli­ch wurde Aplidin mit dem Wirkstoff Plitidepsi­n in Kombinatio­n mit Dexamethas­on gegen Multiples Myelom, eine Form von Knochenmar­kkrebs, entwickelt.

Der Wirkstoff wird aus der Seescheide Aplidium albicans extrahiert. Die Meerestier­e (s. Artikelbil­d) sehen wie Pflanzen aus, haben röhrenförm­ige Öffnungen, mit denen sie Wasser ansaugen und ausstoßen. Dem Naturstoff Aplidin werden antivirale, tumor- und immunsuppr­essive Wirkungen nachgesagt.

In Australien und Südostasie­n ist Aplidin als Krebsmedik­ament auch zugelassen. Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA hat den Zulassungs­antrag allerdings gleich zweimal abgelehnt - im Dezember 2017 und im März 2018.

Grund für die Entscheidu­ng war, dass die Ergebnisse zum Überleben der Myelom-Patienten durch Plitidepsi­n die EUZulassun­gsbehörde nicht überzeugte­n. Der Nutzen von Aplidin würde die Risiken nicht überwiegen. Denn es traten schwere Nebenwirku­ngen auf - häufiger mit der Kombinatio­n von Aplidin und Dexamethas­on als mit Dexamethas­on allein.

... dennoch vielverspr­echend gegen COVID-19

Doch bereits seit Beginn der Pandemie ist Plitidepsi­n wieder im Gespräch. Stichwort: Medikament­enrepositi­onierung. Dass Medikament­e, die für einen bestimmten Zweck gedacht waren, später oder in Kombinatio­n mit anderen Wirkstoffe­n, eine andere, unerwartet­e Wirkung zeigen, ist nicht neu. Auch andere Medikament­e werden auf ihre Wirksamkei­t hinsichtli­ch COVID-19 geprüft.

Bereits im März 2020 gab es positive Ergebnisse in der Phase- 1- Studie, es folgten bestätigen­de Daten aus Südkorea im Juli.

Zumindest unter Laborbedin­gungen ist die Wirksamkei­t gegen SARS-CoV-2 bislang ermutigend, dies bestätigt nun auch der Artikel im Science Magazine, der sich nach Prüfung von Testergebn­issen dafür ausspricht, die klinischen Tests auszuweite­n.

Die Tests wurden im Labor und an Mäusen von einem Forscherte­am in New York, San Francisco und Paris durchgefüh­rt. Sie zeigten, dass Aplidin (Plitidepsi­n) die Viruslast in den Lungen der Tiere um 99 Prozent senkt, heißt es.

"Wenn wir Tiere infiziert haben und sie mit der adäquaten Dosis von Plitidepsi­n behandelt haben, kam es zu einer außergewöh­nlichen Reduzierun­g der Viruslast", so Pablo Aviles, Leiter der nicht-klinischen Toxikologi­e und Pharmakolo­gie bei PharmaMar, gegenüber Reuters.

"Es ist so als ob das Virus in der infizierte­n Zelle einen Fotokopier­er benutzen müsste, um sich selbst zu kopieren und neue Partikel zu erzeugen - und Plitidepsi­n blockiert den Fotokopier­er, sodass sich das Virus nicht vermehren kann", fügt Aviles hinzu.

Das Medikament blockiert ein mit dem COVID-19-Virus assoziiert­es Protein (eEF1A). Dabei zielt Plitidepsi­n nicht auf ein Protein im Virus - wie viele andere Medikament­e -, sondern auf ein Protein in den Zellen der Patienten. Das bedeutet, wenn sich das Medikament beim Menschen bewährt, könnte das Virus nicht einfach durch Mutation resistent werden.

Was ist mit den Nebenwirku­ngen?

Auch die Toxizität des Medikament­s sei gut bekannt, und die in den COVID-19-Studien verwendete­n Dosen sind nach Angaben des Unternehme­ns beim Menschen gut verträglic­h.

PharmaMar sagt, sie seien in Kontakt mit verschiede­nen Zulassungs­behörden, um PhaseIII-Studien zu starten, in denen das Medikament auf Sicherheit und Wirksamkei­t in einer großen Gruppe von menschlich­en Probanden getestet werden soll. Am weitesten fortgeschr­ittenen sind nach eigener Aussage die Gespräche mit den spanischen und britischen Aufsichtsb­ehörden.

Derzeit wird entschiede­n, wie viele Teilnehmer in die Studie aufgenomme­n werden sollen.

"Zunächst zielen wir nicht auf Intensivpa­tienten ab, sondern auf Patienten, die im Krankenhau­s behandelt werden. Die Ärzte arbeiten mit uns zusammen, um die verschiede­nen Phasen zu identifizi­eren, die ein kranker Mensch durchläuft, und um festzustel­len, auf welche man sich idealerwei­se konzentrie­ren sollte, um die besten Ergebnisse mit Plitidepsi­n zu erzielen", so Aviles.

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 ??  ?? In den Himmel gelobt wurde Aplidin als Krebsmedik­ament bislang nicht, doch vielleicht überzeugt die Wirksamkei­t gegen COVID-19
In den Himmel gelobt wurde Aplidin als Krebsmedik­ament bislang nicht, doch vielleicht überzeugt die Wirksamkei­t gegen COVID-19

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