Deutsche Welle (German edition)
Droht in Deutschland künftig Wassermangel?
Deutschland, Januar 2021: Grauer Himmel, Regen und etwas Schnee. Doch trotz der Niederschläge herrscht im Boden vielerorts Dürre. Wird im Land bald das Wasser knapp? Experten fordern ein radikales Umdenken.
Nein, Deutschland ist nicht mehr ganz so dunkelrot wie im vergangenen Juni oder September - doch der Januar ist 2021 deutlich röter als im Vorjahr. Die Farbe Rot steht für den Grad der Trockenheit im Boden, abgebildet im aktuellen Dürremonitor des deutschen Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ).
Tatsächlich gibt es in den tieferen Bodenschichten verbreitet dunkelrote Flecken - also sehr große Trockenheit. Darunter leiden vor allem Bäume, deren Wurzeln aus diesen Schichten Wasser ziehen.
"In vielen Regionen in Deutschland hat sich ein deutliches Wasserdefizit aufgebaut, besonders in den vergangenen drei Jahren", erklärt Dietrich Borchardt, Leiter des Forschungsbereichs Wasserressourcen und Umwelt am UFZ. "Aber eigentlich gibt es dort schon seit mehreren Jahren Abweichungen vom langjährigen Mittel der Wasserbilanz." auf die Grundwasserstände zu, sagt Jörg Rechenberg. Er leitet das Fachgebiet Wasser und Boden beim Umweltbundesamt ( UBA). Die letzten bundesweiten Grundwasserdaten stammen von 2015, dieses Jahr wird neu gemessen. Doch aktuelle Erhebungen aus einzelnen Bundesländern lassen nichts Gutes ahnen, etwa aus Hessen: "Ende Dezember 2020 bewegten sich die Grundwasserstände in Hessen an 73 Prozent der Messstellen auf einem unterdurchschnittlichen Niveau."
Bisher könne man in Deutschland noch nicht von Wasserstress sprechen, so Rechenberg. Der beginnt, wenn dauerhaft mehr als 20 Prozent des verfügbaren Wassers entnommen werden. Derzeit sind es im bundesweiten Schnitt rund 13 Prozent. Doch Rechenberg sagt klar: "Die vergangenen drei trockenen Jahre zeigen: Wir müssen anders mit unserem Wasser umgehen, sonst geraten wir demnächst doch in Wasserstress."
Wasserknappheit umgehen kann. Ihre Empfehlungen sind eine Grundlage für die nationale Wasserstrategie, die das B u n d es u mw el t mi n i s t eri u m dieses Jahr vorstellen will.
"Sommer wie 2018 und 2019 könnten in 30 Jahren der Normalzustand in Deutschland sein, denn wir befinden uns mitten im Klimawandel," erklärt Borchardt. "Aktuell sind wir in einem Stress-Test. Wir müssen in vielen Bereichen einen neuen Umgang mit knapper werdendem Wasser finden: in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft, in der wasserintensiven Energiewirtschaft genauso wie in der Binnenschifffahrt oder dem Wassermanagement in den Städten."
Bisher brauchte die Landwirtschaft in Deutschland kaum zusätzliche Bewässerung. Bleibt der Regen jedoch künftig immer häufiger aus, steigt der Bedarf. Gerade in den heißen Sommermonaten könnte es dadurch zu Konkurrenz mit der öffentlichen Wasserversorgung kommen, sagt Rechenberg. Dann müsse man Prioritäten setzen. So sollte immer genügend Trinkwasser etwa zum Kochen oder Duschen bereit gestellt werden - für das Bewässern des privaten Gartens aber nicht unbedingt. notstand aus. Wasserversorger könnten sich hier zusammenschließen, um gefährdete Kommunen mit Trinkwasser aus anderen Regionen zu versorgen, so Rechenberg. Dazu brauche es aber neue oder optimierte Wasserleitungen.
Auch die Landwirtschaft muss sich umstellen: Von Pflanzen, die an den jeweiligen Standort angepasst sind, dem verstärkten Auffangen von Regenwasser, bis zu schlaueren Bewässer u n g s t ech n i ken , w i e d er Tröpfchenbewässerung, die per Bodenleitung Wasser punktgenau zu Pflanzenwurzeln transportiert.
Das meiste Wasser in Deutschland jedoch verbrauchen Energiewirtschaft, Bergbau und Industrie - und sie haben bislang keine Anreize zum Wassersparen.
Die Regulierungen müssten in allen Bereichen komplett erneuert werden, sagt Dietrich Borchardt - von der EU-Ebene bis hin zu den einzelnen Kommunen. Denn die bisherigen Auflagen berücksichtigen nicht, dass sich die Wasserstände in Zukunft verändern werden.
Zudem verlangen viele Bundesländer von Bergbau, Industrie oder Landwirtschaft kein Geld für die Wasserentnahme aus Flüssen oder dem Grundwasser. Die Entnahme für Trinkwasser ist aber fast überall kostenpflichtig - nur Bayern, Hessen und Thüringen erheben keinen sogenannten Wasserpfennig.
Neben der Menge des entnommenen Wassers könnte auch die Qualität immer mehr Probleme bereiten. Die Wasserqualität der Flüsse und Bächeetwa entspricht längst nicht überall in Deutschland den EURegeln, nur acht Prozent sind in einem guten Zustand.
Nitrat aus Düngemitteln sowie diverse Schadstoffe aus Bergbau-Altlasten oder von der
Vertiefung von Flüssen sind zunehmend belastend, erklärt Lilian Neuer, Gewässerexpertin bei der Umweltschutzorganisation BUND.
Sinkt die Wassermenge in Flüssen oder Seen durch Hitze und Trockenheit, erhöht das die Schadstoffkonzentration weiter. Das ist bedenklich, auch weil mancherorts Trinkwasser aus Flusswasser gewonnen wird.
Der Umweltverband BUND fordert, Flusslandschaften wieder naturnah zurückzubauen. "Wir brauchen dringend mehr Auenlandschaften, denn Auen haben eine wichtige Schwamm-Funktion", sagt Neuer. "In Hochwasserperioden nehmen sie Wasser auf und geben es bei niedrigeren Wasserständen langsam an den Fluss zurück." Keinesfalls dürfe es mehr Flussbegradigungen oder -vertiefungen geben.
Wie dringend das Thema jetzt schon ist, zeigt der Aufruf von drei großen Wasserversorgern im Rheinland. In einem flammenden Appell fordern die Unternehmen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden die EU-Agrarminister auf, die Verwendung von Pestiziden, Gülle und anderen Düngemitteln in der Landwirtschaft drastisch zu beschränken. Andernfalls könne die gesetzlich vorgeschriebene Trinkwasserqualität nicht mehr eingehalten werden, warnen sie.