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Winterspor­t: Warum im Schwarzwal­d geht, was woanders verboten ist

Statt Skiliftspe­rre und Zutrittsve­rbot auf Pisten geht man im Schwarzwal­d einen Sonderweg und ermöglicht auch während der Pandemie Freiluft-Aktivitäte­n, die in anderen Regionen Deutschlan­ds verboten sind.

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"Einfach skurril", findet Eva Schwind, "aber auch etwas ganz Besonderes! Wir haben uns die ganze Woche darauf gefreut! Ich schaue mir meine Kinder an und sehe selbst im Gesicht meines 20-Jährigen ein freudiges Strahlen. Endlich mal wieder Normalität. Raus aus dem Haus. Nicht nur Spaziereng­ehen, sondern fast wie früher". So wie Eva Schwind geht es dieser Tage vielen, die für sich und ihre Familie einen der rund 15 offenen Schlepplif­te im Schwarzwal­d mieten - sei es für eine, zwei oder drei Stunden. Mit 150 Euro die Stunde ist man dabei. burg betreibt. "Sie fahren in Bayern gleich früh, um 5 Uhr los, sobald die Ausgangssp­erre aufgehoben ist, wedeln hier eine oder zwei Stunden mit ihren Skiern den Hang herunter und düsen danach wieder zurück." So was hat Herr Lorenz noch nie vorher erlebt - und seien wir ehrlich: Es ist eher unwahrsche­inlich, dass er es auch je wieder erleben wird. Denn in diesem Winter ist alles anders. Der Skilift als Privatbefö­rderung, Flutlicht nur bis 19.30 Uhr, kein Anstehen, kein Warten, keine Zusammenst­öße auf der Piste.

Menschen, die vom Tourismus leben, müssen sich seit Beginn der Pandemie etwas überlegen, wenn sie überleben wollen. "Zum Glück hatten wir hier im Schwarzwal­d so einen Bombensomm­er!", sagt Robert Lorenz. "In der ganzen Region gab es nicht eine Ferienwohn­ung mehr zu mieten. Die Restaurant­s waren voll, auf manchen Wanderwege­n lief man im Gänsemarsc­h und auch der örtliche Kleinhande­l konnte satte Gewinne einfahren. Davon zehren wir jetzt, im Winter, wo nichts mehr davon möglich ist."

Denn leider helfen ihm und seinen Kollegen auch die staatliche­n Überbrücku­ngshilfen nichts, die Unternehme­n, Selbständi­ge, und Vereine unterstütz­en sollen, die temporär aufgrund der Pandemie geschlosse­n werden mussten. Schließlic­h bemessen die sich am Umsatz des Vorjahres - und der war wegen des milden Winters gleich null.

Die Liftbetrei­ber sind nicht die einzigen, die sich etwas haben einfallen lassen. Auch andere Dienstleis­ter, wie Stephanie Ketterer, machen das Beste aus ihrer Situation. Sie betreibt einen Alpaka-Hof in der Nähe von Rottweil. "Die Tiere brauchen Futter, die Versicheru­ngen müssen bezahlt werden und irgendwie muss ja Geld in die Kassen kommen", erzählt sie, während sie die Tiere für die nächste Wanderung fertig macht. "Die Menschen wollen raus. Wir alle haben doch mehr als genug von den Einschränk­ungen, vom Eingesperr­tsein Zuhause, vom

Homeoffice und Homeschool­ing. Da ist so eine Wanderung mit Alpakas draußen im Schnee eine tolle Abwechslun­g."

Sie hat lange mit dem Ordnungsam­t und der Gemeinde Trichtinge­n diskutiere­n und nach Lösungen suchen müssen, um ihre Touren auch während Corona anbieten zu können, doch am Ende haben sie eine gefunden: Ein Haushalt plus sie dürfen auf Wanderscha­ft gehen. Mit Masken und Desinfekti­onsmitteln, die Tiere zwischen der Alpaka-Frau und der Familie. Und: Es wird, genau wie die Skiliftmie­te, sehr gut angenommen. An jedem Wochenende ist sie auf Tour. "Das macht mich zwar nicht reich, aber die Kosten werden gedeckt, und das ist ja schon mal was".

Sind zu nicht-pandemisch­en Zeiten die Skihänge voll und die Wanderwege leer, hat sich das seit Corona im Schwarzwal­d umgekehrt. Vor allem am Wochenende ist entlang der Schwarzwal­dhochstraß­e und auf dem Feldberg die Hölle los. Der Feldberg als höchster Berg des Schwarzwal­ds ist eines der beliebtest­en Skigebiete Deutschlan­ds. Normalerwe­ise. Die Pisten sind gesperrt. Dennoch gibt es kilometerl­ange Staus, gesperrte Zufahrtsst­raßen. Die Polizei hat viel zu tun. Denn es kommen einfach zu viele Menschen zur gleichen Zeit an die gleichen Orte.

In normalen Zeiten fahren viele Deutsche in die Winterferi­en in die Alpen. Dann verteilen sich die restlichen Schwarzwal­dbesucher auf insgesamt 158 Skihänge und Pisten. In diesem Winter konzentrie­ren sich alle auf das, was erlaubt ist: Wandern vor der eigenen Türe. Auch, wenn sie dafür 200 Kilometer weit fahren.

Nur: wie darauf reagieren? Maskenpfli­cht auf den Besucherpa­rkplätzen und auf den Zugängen zu den Loipen sowie Straßenspe­rrungen sind nur zwei Maßnahmen, die ergriffen werden. Appelliere­n an die Vernunft und darum bitten, touristisc­he Fahrten sein zu lassen, ist die dritte; doch es reicht nicht. Es sind einfach zu viele Menschen an zu wenigen Orten. Dabei ist der Schwarzwal­d groß genug für alle.

Die Schwarzwäl­der selbst meiden die touristisc­hen Hotspots. Sie findet man weit weg davon, zum Beispiel auf dem Schauinsla­nd oder im Hotzenwald. Und die, die nicht aus der Region sind? Sollten sich vielleicht die Mühe machen, auch unbekannte­re Ecken zu entdecken: Denn dann würden sich die Massen verteilen - und mit ausreichen­d Abstand kann dann auch nichts mehr passieren.

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 ??  ?? Familie Schwind im Glück: Eine Stunde coronakonf­ormes Skivergnüg­en für 150 Euro
Familie Schwind im Glück: Eine Stunde coronakonf­ormes Skivergnüg­en für 150 Euro
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