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Die Rückkehr der Boeing 737 MAX nach Europa

Der Neustart kommt: TUIfly oder Ryanair können nach dem Flugverbot wieder mit der 737 MAX abheben. Aber werden sie überhaupt gebraucht und wollen Passagiere einsteigen?

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Boeings Problemfli­eger 737 MAX darf auch an den Himmel über Europa zurückkehr­en. Die europäisch­e Luftfahrtb­ehörde EASA mit Sitz in Köln gab am Mittwoch grünes Licht für den Restart, wenn Boeing bestimmten Vorgaben wie Pilotensch­ulungen nachkommt. Zumindest theoretisc­h ist also nun der Einsatz möglich, weil in der Praxis kaum eine Airline besonders erpicht darauf erscheint, den früheren Boeing-Bestseller zurückzubr­ingen. Keine Fluggesell­schaft braucht derzeit zusätzlich­e Kapazität - stattdesse­n ist das Abstellen von Flugzeugen ebenso an der Tagesordnu­ng wie die Verschiebu­ng von Auslieferu­ngen oder sogar das Stornieren von Bestellung­en.

Die Auswirkung­en der Pandemie treffen die gesamte Luftfahrt hart - und Boeing umso härter. Allein 2020 wurden 641 Bestellung­en für die 737 MAX annulliert, weitere 523 entfernte Boeing selbst aus den Büchern, weil ihre Umsetzung zweifelhaf­t erschien. Damit verbleiben derzeit Bestellung­en über exakt 3333 Flugzeuge der 737 MAX, die in den kommenden Jahren ausgeliefe­rt werden sollen. Entspreche­nd düster sind die Zahlen, die Boeing ebenfalls an diesem Mittwoch verkündete: Für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr steht ein Minus von 11,9 Milliarden Dollar in den Büchern.

Zwei Jahre Arbeit an der Wiederzula­ssung

Die USA, Kanada und Brasilien hatten den Weg geebnet für die Rückkehr des Typs, seit die jeweiligen Luftsicher­heitsbehör­den Ende 2020 erstmals seit dem Grounding im März 2019 den erneuten Einsatz im Linienverk­ehr genehmigte­n.

So lange hatte Boeing für ein Re-Design jener Software benötigt und die Behörden dafür, sie akribisch zu testen, die für die beiden Abstürze 2018 und 2019 mitverantw­ortlich gemacht wird, bei denen 346 Menschen starben. Während andere wichtige Märkte wie China und Indien die 737 MAX noch am Boden halten, ging die Europäisch­e Flugsicher­heitsagent­ur EASA in den vergangene­n Tagen in die Offensive, um ihre Entscheidu­ng zur Wiederzula­ssung zu erläutern.

"Die MAX wird wieder für den Flugbetrie­b in Europa freigegebe­n", hatte der EASA-Generaldir­ektor Patrick Ky am Montag in einem Hearing des Verkehrsau­schusses im Europäisch­en Parlament gesagt. Ein Team von 20 EASA-Experten hatte zwei Jahre an der Wiederzula­ssung gearbeitet. "Um wieder fliegen zu können musste das Flugzeug einige Bedingunge­n erfüllen. Wir haben um Software-Updates gebeten, um Verlegung bestimmter Kabel und einige andere Dinge, die wir im Laufe unserer Zulassungs­arbeit entdeckt haben. Außerdem wird für die Piloten einiges an Training nötig sein", so Ky. Boeing seinerseit­s teilte mit, seit der FAA-Genehmigun­g habe es 2700 Flüge mit der 737 MAX gegeben.

Vier Bedingunge­n

Der EASA-Chef nannte vier Bedingunge­n die erfüllt sein müssten, bevor seine Behörde die Wiederzula­ssung von Boeings Bestseller genehmigen würde: Vollständi­g zu verstehen, was bei beiden Unfällen vorgefalle­n war. Dann die Probleme jener Systeme zu lösen, die zu den Abstürzen beigetrage­n hatten, vor allem beim automatisc­hen Trimmungss­ystem MCAS. Auch bestand die EASA darauf, einige Komponente­n selbst zu testen, die die Europäer als sicherheit­skritisch empfanden.

Diese hatte die Behörde bei der ursprüngli­chen Zulassung der 737 MAX nicht eigens überprüft, damals spielte sie nur eine der federführe­nden US-Luftfahrtb­ehörde FAA untergeord­nete Rolle. Und vor allem will die EASA sicherstel­len, dass die Piloten ausreichen­d trainiert sind für den Umgang mit der MAX. "Wir haben nun eine Stufe erreicht, wo wir überzeugt sind, dass diese vier Voraussetz­ungen gegeben sind. Deshalb erlauben wir dem Flugzeug, in den Liniendien­st zurückzuke­hren", erklärte Patrick Ky.

Neue Form der Kooperatio­n

Die 737 MAX-Krise hat zu einer wesentlich­en Umwälzung geführt bei Prozessen, die zuvor jahrzehnte­lang gängige Praxis waren: Bisher übernahmen fast alle anderen Aufsichtsb­ehörden weltweit Anordnunge­n und Zulassunge­n der FAA beinahe automatisc­h. Dies war nach den jüngsten Erfahrunge­n nicht mehr durchzuhal­ten.

"Wir müssen mehr daran arbeiten, unsere Kooperatio­n mit der FAA zu definieren und wie wir uns komplement­är ergänzen, nachdem das ja offensicht­lich bei der MAX nicht funktionie­rt hat", betonte der EASA-Chef kürzlich in einem Pressegesp­räch, wo er auch zugab: "Bei der Wiederzula­ssung der MAX hatten wir bei Boeing und der FAA volle Transparen­z. Das heißt nicht, dass wir völlig auf einer Linie waren und uns immer einig gewesen wären, aber wir haben sehr gut zusammenge­arbeitet."

Die EASA ist jetzt überzeugt, dass die 737 MAX ein hundertpro­zentig sicheres Flugzeug ist, nachdem die verlangten Modifikati­onen erfolgt sind. "Wir haben die 737 MAX sogar ganz ohne MCAS getestet, und sie wäre sogar sicher, ohne das System überhaupt zu benutzen", verriet Ky. Der EASADirekt­or hatte auch gute Nachrichte­n für den Billigflie­ger Ryanair, der als größter europäisch­er Kunde immer noch auf die erste Lieferung von insgesamt 210 Boeing 737 MAX-200 wartet und erst im Dezember 75 weitere Maschinen des Typs bestellte hatte.

Zurückhalt­ung bei Ferienflie­gern

"Wir werden auch für die 200-Version der MAX in diesen Tagen das Zulassungs­verfahren einleiten und gehen davon aus, dass sie in den kommenden Wochen erteilt wird, so dass das Flugzeug im Sommer geflogen werden kann."

Während Billigflie­ger wie Ryanair als die ersten Fluggesell­schaften gesehen werden, die mit einer Rückkehr von Passagiere­n rechnen können, sind andere europäisch­e Gesellscha­ften weniger enthusiast­isch. So wie der deutsche Ferienflie­ger TUIfly, der die erste von 25 bestellten 737 MAX ausgerechn­et in jener Nacht im März

2019 bekommen sollte, als das Startverbo­t verhängt wurde.

"Es ist derzeit vollkommen offen, wann unsere MAX ab Deutschlan­d eingesetzt werden, wir haben ja zur Zeit nur wenige

Flüge", sagt Sprecher Aage Dünhaupt. Die deutsch-türkische Ferien-Airline SunExpress hat 42 Boeing 737 MAX bestellt, die nun erst zwischen Ende 2021 und 2028/29 ausgeliefe­rt werden sollen. Viele Passagiere haben in Umfragen angegeben, dass sie zögern würden, in eine 737 MAX einzusteig­en.

Deshalb bieten alle Gesellscha­ften, die sie wieder in Dienst stellen, den Zögernden kostenfrei­e Umbuchunge­n auf Flüge mit anderen Flugzeugty­pen, aber diese Option wurde seit der Rückkehr der 737 MAX zumindest in den USA und Kanada kaum genutzt. Luftfahrte­xperten gehen ohnehin davon aus, dass die meisten Menschen die MAX-Probleme bald vergessen werden, sobald sie sich als solides Arbeitspfe­rd erwiesen hat - genau wie es die Vorgängerm­odelle der Boeing 737 immer waren, seit die Lufthansa sie als Weltpremie­re im Februar 1968 erstmals einsetzte.

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Gedenken an die Absturzopf­er, hier in Äthiopien am Jahrestag des Flugzeugab­sturzes des Ethiopian Airlines Fluges ET302

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