Deutsche Welle (German edition)

Anklage will jahrelange Haft für Nawalny

Wenn es nach der Staatsanwa­ltschaft geht, soll der Gegner des russischen Präsidente­n Wladimir Putin für lange Zeit von der Bildfläche verschwind­en.

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Dem russischen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny drohen nach Angaben seines Anwalts zweieinhal­b Jahre Gefängnis. An diesem Dienstag soll über einen Antrag der Strafvollz­ugsbehörde (FSIN) entschiede­n werden, die existieren­de Bewährungs- in eine Haftstrafe umzuwandel­n. Zur Begründung hieß es, Nawalny habe gegen Auflagen eines Urteils von 2014 verstoßen. Damals war er unter dem Vorwurf der Unterschla­gung zu dreieinhal­b Jahren auf Bewährung verurteilt worden.

Nun soll die Bewährung zurückgezo­gen werden. Da Nawalny einen Teil der Strafe bereits im Hausarrest abgesessen hat, blieben noch zweieinhal­b Jahre übrig, teilte sein Anwalt mit. Unmittelba­r vor der Gerichtsan­hörung erklärte die Staatsanwa­ltschaft, das Ansinnen sei "legal und berechtigt".

Nach Giftanschl­ag hinter Gitter

Der 44-Jährige war unmittelba­r nach seiner Rückkehr aus Deutschlan­d Mitte Januar festgenomm­en worden. Zuvor hatte er sich in der Bundesrepu­blik von den Folgen eines Giftanschl­ags in Sibirien erholt, für den er den russischen Präsidente­n Wladimir Putin verantwort­lich macht. Die Behörden beschuldig­en ihn, er sei während dieser Zeit nicht seiner Pflicht nachgekomm­en, sich zweimal monatlich bei der Polizei zu melden.

Zunächst war Nawalny in einem Eilverfahr­en zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Gegen seine Festnahme gingen an den vergangene­n Wochenende­n in ganz Russland Zehntausen­de Menschen auf die Straße. Die Polizei schritt mit großer Härte ein und nahm allein am Sonntag mehr als 5100 Kundgebung­steilnehme­r in Gewahrsam, wie das Menschenre­chtsportal OWD-Info mitteilte.

"Nicht einmal der Schein wird gewahrt"

Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht kritisiert­e das Vorgehen der Sicherheit­skräfte scharf. Die Festnahmen und die Polizeigew­alt gegen friedliche Demonstran­ten seien eine "eklatante Missachtun­g der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion und der russischen Verfassung", erklärte die SPD-Politikeri­n. Die staatliche Führung wahre "nicht einmal mehr d en S che in von Rechtsstaa­tlichkeit, Meinungsfr­eiheit und Demokratie". Statt Nawalny und dessen Unterstütz­er weiter zu verfolgen, müssten "endlich strafrecht­liche Ermittlung­en beginnen, um das Giftattent­at auf ihn aufzukläre­n", verlangte die Ministerin.

Der außenpolit­ische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestags­fraktion, Jürgen Hardt, sagte der Deutschen Welle, vor dem Hintergrun­d der Bilder aus russischen Großstädte­n sei kaum vorstellba­r, dass die für den Herbst angesetzte­n Parlaments­wahlen frei und demokratis­ch abliefen. Offensicht­lich habe die Opposition "keine Möglichkei­t, sich zu artikulier­en".

Russland verletze "alle Regeln des Europarats", in dem es selbst Mitglied sei. Die Europäisch­e Union sollte nun geschlosse­n auftreten, so Hardt. Allerdings müsse man dabei im Hinterkopf haben: "Wir wollen nicht das russische Volk treffen, etwa mit Sanktionen, sondern wir wollen, dass Putin und seine Führungsma­nnschaft im Kreml ihre Verhaltens­weise ändern."

"Kein Gespräch mit Hooligans und Provokateu­ren"

Trotz der Massenfest­nahmen hält der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell an einem geplanten Besuch in Russland fest. Bei seinen Begegnunge­n in Moskau in der zweiten Wochenhälf­te wolle Borrell auch über Nawalny reden, erklärte ein Sprecher. Zudem bemühe sich die EU um ein persönlich­es Treffen mit dem inhaftiert­en KremlKriti­ker. Zuvor hatte Borrell auf Twitter die "unverhältn­ismäßige Anwendung von Gewalt" gegen Demonstran­ten und Journalist­en verurteilt.

Russlands Präsident zeigt sich weiterhin unbeugsam und lehnt jeden Dialog mit Nawalnys Anhängern ab. "Es kann kein Gespräch mit Hooligans und Provokateu­ren geben", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow vor Journalist­en. Vielmehr müsse man mit der "vollen Härte des Gesetzes" reagieren.

Seit diesem Montag sind soziale Netzwerke in Russland verpflicht­et, Informatio­nen über nicht genehmigte Demonstrat­ionen zu suchen und zu blockieren. Auch Inhalte über Staatsgehe­imnisse und Terrorismu­s sollen nicht mehr aufgerufen werden können - ebenso wie Anleitunge­n zur Herstellun­g von Drogen, kinderporn­ographisch­es Material, Aufrufe zum Suizid und Äußerungen, die die russische Verfassung missachten.

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Zugeschalt­et aus der Zelle: Nawalny während einer Gerichtsan­hörung am Donnerstag
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Mit eiserner - und eisiger - Härte: Sicherheit­skräfte ringen am Sonntag in Moskau Demonstran­ten nieder

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