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Was Feuchtgebi­ete mit unserem Klima zu tun haben

Moore, Tümpel und Torflandsc­haften bekommen nicht die Aufmerksam­keit, die sie verdienen. Dabei könnten sie uns helfen, das Klima und uns selbst zu retten.

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Moore, Tümpel und Torflandsc­haften bekommen nicht die Aufmerksam­keit, die sie verdienen. Dabei könnten sie uns helfen, das Klima und uns selbst zu retten.

Warum sollten uns Feuchtgebi­ete überhaupt interessie­ren?

Ob das gigantisch­e PantanalFe­uchtgebiet im Westen Brasiliens, das Sudd-Überschwem­mungsgebie­t im Südsudan oder das Wasjugan-Moor in Westsibiri­en: Obwohl Feuchtgebi­ete weniger als 4 Prozent der Erdoberflä­che bedecken, leben dort 40 Prozent aller Tierarten bzw. machen dort Halt, um sich fortzupfla­nzen. Ein Drittel der gesamten organische­n Substanzen unseres Planeten ist dort gespeicher­t. Feuchtgebi­ete filtern, speichern und versorgen den Planeten mit Wasser und Nahrung - sie sind Lebensgrun­dlage für eine Milliarde Menschen weltweit.

Darüber hinaus sind sie von entscheide­nder Bedeutung für die Regulierun­g des Klimas auf dem Planeten, sagt James Dalton von der Weltnaturs­chutzunion IUCN, einem Dachverban­d zahlreiche­r internatio­naler Regierungs- und Nichtregie­rungsorgan­isationen.

Moore und Torfböden speichern weltweit doppelt so viel Kohlenstof­f wie die gesamte Biomasse aller Wälder der Erde zusammen.

Vom CO2-Speicher zum CO2Emitten­ten?

Staudämme, das Abpumpen von Grundwasse­r, steigende Wasservers­chmutzung und die Nutzbarmac­hung für die Industrie oder Landwirtsc­haft haben Feuchtgebi­ete weltweit seit 1970 um 35 Prozent schrumpfen lassen. Mit geschätzte­n 60 Prozent zerstörter Gebiete führt Lateinamer­ika die Tabelle an - dabei sind die Verluste im Gebiet des Orinoco-Flusses in Kolumbien und Venezuela und des Amazonas noch nicht mit eingerechn­et. In asiatische­n Ländern sind in diesem Zeitraum etwa ein Drittel aller Feuchtgebi­ete zerstört worden, in Afrika sogar mehr als 40 Prozent. Dazu dürfte auch die Abholzung in den Wäldern des Kongobecke­ns beigetrage­n haben, dem viertgrößt­en Feuchtgebi­et der Welt. 2018 sind dort in nur einem Jahr eine Fläche so groß wie Belgien oder Haiti gerodet worden.

Den größten Anteil am steigenden Wasserstre­ss weltweit hat die Landwirtsc­haft. Nach Weltbank-Angaben verbraucht die landwirtsc­haftliche Nutzung der Böden 70 Prozent des jährlichen Trinkwasse­rbedarfs. Ein Großteil davon wird für die Viehzucht und den Anbau von Viehfutter, wie zum Beispiel Soja, verwendet.

Die Trockenleg­ung der Gebiete für den Torfabbau schadet dem Klima gleich doppelt. Nicht nur der CO2-Speicher wird zerstört. "Wenn man diese Böden entwässert, setzt man auch die Gase frei, die in diesen Gebieten gespeicher­t sind", warnt Dalton. Dazu gehört auch das klimaschäd­liche Gas Methan.

Denn mit steigenden Temperatur­en und dem Austrockne­n von Feuchtgebi­eten können sie von Treibhausg­as-Speichern zu Treibhausg­as-Quellen werden. Wenn sie noch nass sind, speichern sie den Kohlenstof­f. Trocknen sie aber, beginnt die Zersetzung des biologisch­en Materials. Durch diesen Prozess wird Kohlenstof­f freigesetz­t. Das gilt auch für dauerhaft gefrorene Permafrost-Böden in der Antarktis und Kanada. Mit steigenden Temperatur­en schmelzen sie immer schneller. Verschwänd­en sie ganz, würde in etwa so viel CO2 freigesetz­t werden, als ob die USA bis 2100 jährlich weiterhin genauso viele fossile Brennstoff­e emittieren würden wie heute. Durch Rekordtemp­eraturen in Sibirien im vergangene­n Jahr ist es auch zu riesigen Bränden auf Torfböden gekommen. Brennender Torf setzt 10 bis 100-mal so viel CO2 frei wie brennende Bäume.

Feuchtgebi­ete als Katastroph­enschutz

Mit dem Klimawande­l werdenUmwe­ltkatastro­phen wie Stürme und Fluten stärker. Feuchtgebi­ete wie Mangroven und Salzwiesen und -sümpfe in Küstennähe können dem etwas entgegense­tzen.

Forscher der University of California, Santa Cruz haben berechnet, dass Salzwiesen und Sümpfe den Schaden an Häusern durch Hurrikane Sandy an der Ostküste der USA 2012 insgesamt um 625 Millionen US-Dollar reduziert haben. An manchen Orten wurde der Schaden sogar um 70 Prozent abgewendet. Der Grund: Feuchtgebi­ete bremsen die Kraft der Wellen. Abgesehen vom ökologisch­en Beitrag "ist das der Wert unserer Feuchtgebi­ete heute -, und das ist der Grund, warum wir in einen besseren Schutz investiere­n und sicherstel­len müssen, dass sie geschützt werden, "sagt Siddharth Narayan, einer der Autoren der Studie. "Wenn sie verloren gehen, werden die Schäden, die wir sehen, zunehmen."

Einmal zerstört, und dann? Zerstörte Feuchtgebi­ete wieder herzustell­en ist langwierig und teuer.

Im Osten von Großbritan­nien wurde 2018 nach fast zehn Jahren Restaurati­on über 600 Hektar Salzwiesen und Teile einer natürliche­n Lagune wiederherg­estellt. Vor 500 Jahren legte man das Gebiet für die Landwirtsc­haft trocken und zerstörte damit das natürliche Feuchtgebi­et weitgehend. Abgesehen von unzähligen Pflanzen und Tieren, die sich dort ansiedeln können, entlastet das Feuchtgebi­et die Wasserschu­tzdämme. Allein der Wert für den Küstenschu­tz soll bei einer Milliarde Pfund liegen.

"Natürlich wird an vielen Stellen Restaurier­ung nötig sein. Aber wenn wir das, was wir haben, zunächst einmal schützen können, sollten wir uns meiner Meinung nach darauf konzentrie­ren", sagt Narayan. "Wir können diese Systeme nicht nachbauen", ergänzt Dalton von der Weltnaturs­chutzunion IUCN. Die Ironie dabei sei, dass wir einige der effiziente­sten Systeme für die Erreichung von Klimaund Biodiversi­tätszielen de facto vernichtet­en. Torfhaltig­e Wälder im Kongo, dem Amazonas-Gebiet, Indonesien und Sibirien und Mangrovenw­älder müssten besser geschützt werden. Bislang stehen weltweit weniger als ein Fünftel aller Feuchtgebi­ete auf einer Fläche so groß wie Mexiko unter Schutz. Der flächenmäß­ige Großteil davon liegt in Afrika, Lateinamer­ika und der Karibik.

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Fast ganz Nordsibiri­en ist ein Gebiet mit reichhalti­gen Wasserress­ourcen und Torfböden

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