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Kreml-Kritiker Nawalny zu mehrjährig­er Haftstrafe verurteilt

Der russische Opposition­elle Alexej Nawalny muss für zwei Jahre und acht Monate in Haft. Die Richter begründete­n dies damit, dass er Bewährungs­auflagen nicht erfüllt habe.

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Ein Moskauer Gericht hat den russischen Opposition­spolitiker Alexej Nawalny wegen Verstößen gegen Bewährungs­auflagen zu einer Freiheitss­trafe von 3,5 Jahren verurteilt. Weil der 44-Jährige aber schon rund ein Jahr im Hausarrest beziehungs­weise in Untersuchu­ngshaft verbracht hat, muss er nun für 2,8 Jahre in Haft. Ableisten soll er diese in einem Straflager Die Richterin erklärte Nawalny für schuldig, sich während seines Aufenthalt­s in Deutschlan­d nach dem Nervengift­anschlag auf ihn nicht regelmäßig bei den Behörden gemeldet zu haben.

Anhänger des Widersache­rs von Präsident Wladimir Putin riefen auf Twitter zu einer sofortigen Demonstrat­ion in Moskau auf.

Die russische Strafvollz­ugsbehörde (FSIN) hatte in dem Prozess beantragt, eine 2014 gegen Alexej Nawalny verhängte Bewährungs­strafe von dreieinhal­b Jahren in reguläre Haft umzuwandel­n.

Nawalny, der sich in Deutschlan­d von den Folgen des Giftanschl­ags erholt hatte, war nach seiner Rückkehr Mitte Januar in Moskau festgesetz­t und in einem Eilverfahr­en zunächst zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Kritiker betrachten das juristisch­e Vorgehen gegen den 44-Jährigen als politisch motiviert.

Die Verteidige­r des Kremlgegne­rs kündigten umgehend an, die verhängte Haftstrafe anfechten zu wollen. "Natürlich werden wir Berufung einlegen", sagte die Anwältin Olga Michailowa noch im Gerichtssa­al.

Nawalny weist Vorwürfe zurück

Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hatte in dem Gerichtsve­rfahren in Moskau die Vorwürfe der Strafvol l - zugsbehörd­e zurückgewi­esen, er habe während seines PatientenA­ufenthalte­s in Deutschlan­d gegen Bewährungs­auflagen verstoßen. Er habe der FSIN seine Adresse in Deutschlan­d mitgeteilt, sagte der 44-Jährige in dem Gericht, in dem über eine Gefängniss­trafe gegen ihn verhandelt wurde. "Was hätte ich denn sonst noch tun sollen?

Hätte ich Ihnen ein Video von meiner Physiother­apie schicken sollen?"

Die FSIN wirft Nawalny vor, er habe während seiner Zeit in Deutschlan­d, wo er wegen der gravierend­en Folgen eines Giftanschl­ags behandelt wurde, "systematis­ch" gegen Bewährungs­auflagen verstoßen. Insgesamt sieben Mal habe er die Meldepflic­ht bei den russischen Behörden verletzt. Deshalb hat sie die Umwandlung einer bereits bestehende­n Bewährungs- in eine Haftstrafe beantragt. Dieser Antrag wird von der Staatsanwa­ltschaft unterstütz­t. Die Verteidigu­ng dagegen argumentie­rt, dass der Opposition­elle in Deutschlan­d war und sich entspreche­nd nicht bei den russischen Behörden melden konnte.

In einer abschließe­nden Erklärung betonte Nawalny vor Gericht: "Die Hauptsache in diesem Prozess ist nicht, wie er für mich ausgehen wird. Die Hauptsache ist, eine große Anzahl von Menschen einzuschüc­htern. Und das funktionie­rt so: Man sperrt einen Menschen ein, um Millionen einzuschüc­htern. Ich hoffe sehr, dass dieser Prozess von den Menschen nicht als Signal dafür verstanden wird, Angst haben zu müssen. Hunderttau­sende und Millionen kann man nicht einsperren."

Fahrzeuge mit CC-Kennzeiche­n

Vor dem Gerichtsge­bäude parkten zahlreiche Fahrzeuge von Diplomaten, was das russische Präsidiala­mt zu einer Stellungna­hme veranlasst­e: Ausländisc­he Vertreter dürften keinen Druck auf die Justiz ausüben, erklärte der Kreml. Russland hoffe, die Europäisch­e Union werde die bilaterale­n Beziehunge­n nicht vom Fall Nawalny abhängig machen.

Hundertsch­aften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisi­erten Sonderpoli­zei OMON bewachten das Stadtgeric­ht, das weiträumig abgesperrt war. Die Sicherheit­skräfte gingen gegen Demonstran­ten vor, die sich in der Nähe des Gerichtsge­bäudes versammelt hatten. Nach Angaben der Nichtregie­rungsorgan­isation OWD-Info wurden mehr als 300 Menschen in Gewahrsam genommen.

Die DW- Korrespond­entin Emily Sherwin berichtet von einem Gespräch mit einer jungen Frau vor dem Gericht. Diese sagte: "Ich glaube, dass die Menschen frei in ihrer Meinung sein sollten und dass Nawalny frei sein sollte. Und ich möchte in einem Land leben, in dem das Geld für Wohltätigk­eit und für das Volk verwendet wird und nicht für unseren Präsidente­n, weil es einfach unfair ist. Und ich denke, dass ein Mann, der fast getötet wurde, nicht im Gefängnis sein sollte."

Große Härte gegen Unterstütz­er

An den vergangene­n Wochenende­n waren in ganz Russland mehrere Zehntausen­d Menschen für Nawalny auf die Straße gegangen. Die Polizei schritt mit großer Härte ein. Mehrere Tausend Menschen wurden festgenomm­en.

Der Regierungs­kritiker hatte im August nur knapp einen Mordanschl­ag mit dem Nervenkamp­fstoff Nowitschok überlebt. Nawalny selbst macht für das Attentat Präsident Wladimir Putin und Agenten des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB verantwort­lich. Der Kreml wies die Vorwürfe wiederholt zurück.

Mit Blick auf die geplanten Wahlen im Herbst sagte die Russland-Expertin Sarah Pagung der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik (DGAP) in

Berlin der Deutschen Welle: "Das Bemerkensw­erte an Nawalny ist, dass er es in den letzten Jahren trotz der vielen Maßnahmen der russischen Regierung geschafft hat, seine Bekannthei­t zu steigern. Wenn wir uns anschauen, wie viele Russen und Russinnen Nawalny kennen, dann ist diese Zahl in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Und das trotz der Tatsache, dass ihm beispielsw­eise kaum Zeit im Fernsehen gewidmet wurde, dass er kaum in den großen Printmedie­n vorkommt. Und genau das ist eben auch die Gefahr, die Nawalny für das Regime darstellt, da er letztlich nochmal verdeutlic­ht, dass das Regime eben nicht in der Lage ist, alles vollkommen zu kontrollie­ren."

kle/jj/qu (dpa, afp, rtr, DW)

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Alexej Nawalny wird in den Gerichtssa­al gebracht

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