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Profitiert China von Afrikas Impfstoff-Bedarf?

In Europa laufen die CoronaImpf­ungen schleppend, in Afrika vielerorts noch gar nicht. Viele arme Länder kommen nicht an die nötigen Impfstoffe. China will das für sich nutzen - nicht nur aus humanitäre­n Gründen.

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An nichts gibt es gerade auf der ganzen Welt wohl so viel Nachfrage wie nach CoronaImpf­stoff. Die von Pfizer und Biontech, Moderna und AstraZenec­a haben dabei eines gemeinsam: Es gibt zu wenig davon. Die verfügbare­n Dosen landen bei den Ländern mit den dicksten Geldbörsen.

Das NGO- Netzwerk The People's Vaccine Alliance berichtet, dass reiche Nationen, die nur 14 Prozent der Weltbevölk­erung repräsenti­eren, mehr als die Hälfte der vielverspr­echendsten Impfstoffe aufgekauft haben. Afrika steht in der Schlange dagegen ganz hinten: Laut der Economist Intelligen­ce Unit werden die Impfstoffe in den meisten afrikanisc­hen Ländern frühestens im April 2022 verfügbar sein.

Frust über den Westen

Afrika hat bis jetzt etwa 900 Millionen Dosen vorbestell­t. Die afrikanisc­he Seuchensch­utzbehörde CDC prognostiz­iert, dass der Kontinent mindestens 1,5 Milliarden benötigt, um 60 Prozent der Bevölkerun­g zu impfen. Die Beschaffun­g und die Einrichtun­g von Verteilung­ssystemen könnten bis zu 10 Milliarden Dollar kosten.

Das führt zu großem Frust. "Wir müssen als Kontinent und Land unabhängig sein, was Impfstoffe und pharmazeut­ische Produkte angeht", sagt Kenias Gesundheit­sminister Mutahi Kagwe zur DW. "Es ist töricht, sich in medizinisc­hen Fragen auf die westlichen Nationen zu verlassen. Wir wollen nicht immer die Letzten sein, an die man denkt."

Die frühere ruandische Gesundheit­sministeri­n Agnes Binagwaho hat eine ähnliche Botschaft an den Westen "Seien Sie ehrlich und sagen Sie: 'Mein Volk zuerst'. Lügen Sie uns nicht an und sagen Sie, wir sind gleichbere­chtigt", sagt sie der DW.

Erste Dosen kommen an

Südafrika erhielt diese Woche eine Millionen Dosen von AstraZenec­a aus Indien. Ruanda hat eine Million von den US-Pharmafirm­en Pfizer und Moderna bestellt, die erste Lieferung soll noch im Februar eintreffen. Und Uganda erwartet seine ersten Dosen von Moderna, Pfizer und AstraZenec­a im April.

Das COVAX-Programm hofft zudem, bis Ende des Jahres mindestens 1,3 Milliarden Dosen an 92 Länder mit niedrigem Einkommen liefern zu können. Die Initiative der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und des Impfbündni­sses GAVI setzt sich für eine gerechte Verteilung von COVID-19-Impfstoffe­n in armen Ländern ein. Doch sie kann nur von der WHO zugelassen­e Impfstoffe kaufen. Dazu gehört bislang nur der von Pfizer.

Blick nach Osten

Einige afrikanisc­he Länder suchen daher nach Alternativ­en. Die Seychellen verabreich­en bereits den in China hergestell­ten Sinopharm- Impfstoff, Guinea impft den russischen Sputnik V. Auch Kenia interessie­rt sich für den chinesisch­en Impfstoff. "Wir sind in Kontakt mit AstraZenec­a und Sinopharm und Pfizer", erklärt Minister Kagwe. "Doch die Frage ist: Wer hat überhaupt Impfstoff zu verkaufen? Europa hat alles aufgekauft."

Noch nutze der große Teil Afrikas nicht vorranging Sinopharm, sondern alles, was ihnen in die Hände gerate, sagt Eric Olander, Gründer der Informatio­nsplattfor­m "China-Africa-Project". Und selbst, wenn etwa Pfizer plötzlich genug Impfstoff zur Verfügung hätte, würde es Afrikas Problem nicht lösen. "Diese Impfstoffe wurde nicht für Entwicklun­gsländer hergestell­t, sie müssen eingefrore­n werden", kritisiert Olander. "Diese Impfstoffe sind in vielerlei Hinsicht für die meisten Entwicklun­gsländer unbrauchba­r, weil die Infrastruk­tur, die zu ihrer Lagerung benötigt wird, nicht vorhanden ist."

China und Russland betonen hingegen, dass ihre Impfstoffe bereits verfügbar sind und unkomplizi­ert im Kühlschran­k gelagert werden könnten. Bereits im Mai versprach der chinesisch­e Präsident Xi Jinping, chinesisch­e Corona-Impfstoffe vorrangig dem globalen Süden zur Verfügung stellen zu wollen.

"Europa und Amerika konzentrie­ren sich auf sich selbst, und China ist eingesprun­gen und hat viel investiert, um in den afrikanisc­hen Impf-Markt einzusteig­en", sagt Afrikawiss­enschaftle­r Robert Kappel von der Universitä­t Leipzig der DW. Zwar habe die EU der WHO viel Geld gegeben, um Impfstoff für afrikanisc­he Länder zu sichern, "aber China war schon bereit für die Verteilung", so Kappel.

Der Retter in der Not?

Dadurch könnte Chinas Einfluss in Afrika zunehmen. Bereits seit Jahren befindet sich China und westliche Staaten in einem Wettbewerb um mehr politische­n und wirtschaft­lichen Einfluss in Afrika. China hat in diversen afrikanisc­hen Ländern umfangreic­he Infrastruk­turprojekt­e finanziert.

Westliche Staaten werfen der Volksrepub­lik dagegen vor, vor allem an den Bodenschät­zen des Kontinents interessie­rt zu sein. Auch in einigen afrikanisc­hen Ländern war der Unmut über den chinesisch­en Einfluss in den letzten Jahren gewachsen. Das könnte sich jetzt ändern.

"Wenn China es geschafft hat, Impfstoffe zu verabreich­en und einen großen Teil der Afrikaner zu retten, glauben Sie, dass diese dann China negativ sehen werden?", fragt Ruandas Ex-Ministerin Binagwaho rhetorisch.

Politische­s Kalkül

Eric Olander vom "ChinaAfric­a-Project" sieht hinter der chinesisch­en Impfstoff-Offensive daher knallharte­s politische Kalkül: "Dies ist eine Gelegenhei­t, den Rivalen USA und Europa buchstäbli­ch den Boden unter den Füßen wegziehen. Warum sollte China das nicht ausnutzen?"

Tatsache sei, dass China, Indien oder auch Russland im Gegensatz zu den Europäern in der Lage seien, Impfstoffe in einem Umfang zu produziere­n und zu liefern, der konkurrenz­los sei. "Ob sie sich tatsächlic­h um die Menschen sorgen, denen sie die Impfstoffe geben? Wer weiß das schon. Aber am Ende des Tages erfüllen sie einen Bedarf, den andere nicht erfüllen." Allerdings ist bisher nicht durch unabhängig­e wissenscha­ftliche Studien erwiesen, wie wirksam der chinesisch­e Impfstoff wirklich ist. Laut Angaben der chinesisch­en Regierung liegt die Wirksamkei­t bei 79 Prozent.

Afrika werde sich in der Zukunft an die Corona Pandemie erinnern, zum Vorteil Chinas, so Olander. "Die Europäer werden eines Tages nach Afrika zurückkomm­en und sagen: 'Wir sind ein besserer Partner für euch als die Chinesen'. Und die Afrikaner werden sagen: 'Wo wart ihr, als wir euch gebraucht haben?'"

Mitarbeit: Rosie Birchard, Mariel Müller, Alexandra von Nahmen

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In Südafrika sind die erste Impfstoff-Dosen angekommen

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