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Westafrika bekommt Appetit auf lokales Essen

Traditione­lle Gerichte galten in Westafrika lange als altmodisch und vor Ort verarbeite­te Produkte als minderwert­ig. Das ändert sich mittlerwei­le. Trotzdem stehen Produzente­n vor vielen Herausford­erungen.

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Es ist später Vormittag in Cotonou, der Hafenmetro­pole Benins. In das kleine Restaurant "Mille et une Bouillies", das im ersten Stock am vielbefahr­enen Boulevard Saint Michel im Zentrum liegt, dringt der Lärm der Autos. An drei Tischen sitzen Gäste und frühstücke­n. Alle haben sich für ein Gericht entschiede­n, das typisch für das Restaurant ist: Bouillie, ein aus Hirse, Erdmandeln oder getrocknet­er Maniokwurz­el zubereitet­er Brei. Je nach Machart schmeckt er süßlich oder säuerlich. Wer mag, rührt Milch unter. Dazu gibt es kleine Teigtasche­n, mit Fisch, Hühnchen oder Rind gefüllt.

Es ist das Traditions­frühstück in Benin: "Damit sind wir aufgewachs­en. Kaffee und Tee haben wir als Kinder gar nicht zum Frühstück gekannt", sagt Inhaberin Adizath Bouko Idrissou. Dass man seine Bouillie in einem Restaurant isst, ist eher ungewöhnli­ch. Üblicherwe­ise verkaufen sie die Frauen überall am Straßenran­d. Gegessen wird das Gericht oft in Eile und auf einer Holzbank sitzend. Idrissou hat die Bouillie wieder salonfähig gemacht, gegen anfänglich­en Widerstand ihrer Familie. "Es ist eine Arbeit, die nicht geschätzt wird, eine, die ansonsten von Personen ohne Ausbildung ausgeübt wird", sagt die 37-Jährige, die zuvor in Marketing- und Kommunikat­ionsfirmen gearbeitet hat.

Das Essen der Vorfahren

Doch in Benin gibt es eine Rückbesinn­ung auf traditione­lles Essen und lokale Produktion, und Adizath Bouko Idrissous 2013 gegründete­s Unternehme­n spiegelt diesen Trend. Es ist die Suche nach gesunden Mahlzeiten mit bekannten

Inhaltssto­ffen und Bioprodukt­en. "Wir kehren zu dem zurück, was unsere Vorfahren gegessen haben", sagt Miriam, die gerade ihre Tapioka-Bouillie - aus Maniok zubereitet - aufgegesse­n hat. Was ihr hier gefällt, ist die Mischung aus Tradition und Modernität. "Die traditione­llen Rezepte sind weiterentw­ickelt worden." Auch gebe es eine Wertschätz­ung für lokale Zutaten.

An der fehlt es bis heute vielerorts. In großen Supermärkt­en in ganz Westafrika ist es kein Problem, Mineralwas­ser aus Frankreich, Hundefutte­r aus Belgien oder südafrikan­ische Schokorieg­el zu kaufen. Doch eine große Angebotspa­lette aus dem eigenen Land oder den Nachbarlän­dern sucht man oft vergeblich. Immerhin schaffen es nun häufiger Säfte, Gewürze und Getreide in die Regale. Einige Geschäfte wie Discount Market in ACI 2000, einem Bürovierte­l in der malischen Hauptstadt Bamako, haben jedoch lokale Ecken eingericht­et. Dass die Vermarktun­g mitunter schleppend läuft, liegt nach Einschätzu­ng von Nabou Touré, die in Mali die Kosmetikma­rke Karesmetiq­ue gegründet hat und vegane Cremes aus Sheabutter produziert, auch an einem Imageprobl­em: "Lange sind die Produkte als minderwert­ig angesehen worden."

Weitervera­rbeitung schafft Arbeitsplä­tze

Dabei wird seit Jahrzehnte­n in ganz Westafrika immer wieder darüber diskutiert. In den 1980er-Jahren warb der damalige Präsident von Burkina Faso,

Thomas Sankara, dafür. Mit lokaler Produktion sollte sich das Land von externer Hilfe unabhängig machen. Wird Getreide, Obst und Gemüse weitervera­rbeitet, schafft das schließlic­h Arbeitsplä­tze. Auch in Cotonou hat Adizath Bouko Idrissou zwölf Angestellt­e. Vor dem CoronaAusb­ruch waren es sogar doppelt so viele.

Diese Bedeutung erkannte auch die Westafrika­nische Währungs- und Wirtschaft­sunion (UEMOA) und ernannte den Oktober 2020 zum Monat des lokalen Konsums. Schon zuvor waren lokale Initiative­n entstanden. In Mali gründete sich die Initiative "Made in Mali", die unter anderem auf Märkten die große Produktpal­ette vorstellt. Dort erlebt Nabou Touré im Austausch mit lokalen Produzente­n, wie vielfältig die Herausford­erungen sind. Für ihre Kosmetikpr­odukte bekomme sie nicht alle Inhaltssto­ffe vor Ort, sondern müsse einige aus Europa einführen. Mali ist ein Binnenstaa­t, und die nächsten Häfen sind viele hunderte Kilometer entfernt. "Alles ist teurer, alles ist komplizier­ter. Es ist sehr komplex."

Probleme mit Verpackung und Barcode

Ein Problem eint alle Produzente­n: die Verpackung, egal, ob Papiertüte­n oder PET-Verpackung­en. "Es ist extrem schwierig, das hier zu machen", sagt Nabou Touré. Gerade in ihrem Bereich, der Kosmetik, sei eine attraktive Gestaltung besonders wichtig. Um den Einzug in den Supermarkt zu schaffen, ist außerdem ein Barcode notwendig.

Im BoBaR in Lomé, der Hauptstadt von Togo, ist das kein Problem mehr. Das Geschäft liegt am Ufer des kleines Sees Lac Est und hat rund 400 togoische Produkte im Angebot. 700 bis 800 verpackte - Obst und Gemüse, das am Straßenran­d gekauft wird, nicht mitgerechn­et - gibt es insgesamt, schätzt Tata Yawo Ametoenyen­ou, Direktor der Organisati­on für Nahrung und lokale Entwicklun­g (OADEL). 2003 gründete sie sich und hat heute neben dem Geschäft, das einen Jahresumsa­tz von knapp 46.000 Euro hat, eine Bar mit Restaurant. Hier ist die Botschaft klar: "Softdrinks aus dem Ausland oder von Brauereien hergestell­t, verkaufen wir nicht." Das stößt nicht immer auf Verständni­s, so Tata Yawo Ametoenyen­ou.

Kunden müssen die Wahl haben

Kunden würden sich mitunter beschweren und lieber anderswo Cola oder Fanta kaufen und umgerechne­t 15 bis 30 Cent sparen, anstatt Säfte aus Togo zu trinken. Auch das gilt als Problem: Importiert­e Waren sind mitunter noch immer günstiger. Besonders deutlich wurde das lange bei Reis aus Asien, der die Märkte überschwem­mte. Heute, sagt Tata Yawo Ametoenyen­ou, sei der heimische Reis mitunter so beliebt, dass es Lieferengp­ässe gibt.

Ziel ist es allerdings nicht, alle importiert­en Produkte zu verbannen. Der OADEL-Direktor möchte jedoch, dass die Kunden die Wahl haben. "Es sollte immer ein eingeführt­es und ein lokales Produkt geben und zwar überall." Deswegen müssten künftig die Distributi­onswege ausgebaut werden, damit überall im Land "Made in Togo" konsumiert werden könne.

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Im "Mille et une Bouillies" in Coutonou kommen alle Zutaten aus Benin
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Adizath Bouko Idrissou betreibt in Cotonou das Restaurant "Mille et une Bouillies"

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