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Vernachläs­sigte Tropenkran­kheiten - es trifft immer die Armen

Weltweit leiden rund 1,7 Milliarden Menschen unter vernachläs­sigten Tropenkran­kheiten - vor allem in Afrika. Es trifft meist die arme Bevölkerun­g. Die Umsetzung von Plänen zur Ausrottung der Krankheite­n verzögern sich.

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Flussblind­heit und Elefantias­is machen einen großen Teil der sogenannte­n vernachläs­sigten Tropenkran­kheiten aus. Menschen, die von der Flussblind­heit betroffen sind, können ihr Sehvermöge­n komplett verlieren, sie werden blind. Die Elefantias­is, oder lymphatisc­he Filariose, führt zu einem Lymphstau. Beine, Füße und Arme der Menschen können sich um ein Vielfaches vergrößern. Der Name Elefantias­is kommt nicht von ungefähr. Beine und Füße können so dick werden wie die von Elefanten. Bei Männern kann es auch zum Lymphstau im Hoden kommen. Im Extremfall wird er so groß wie ein riesiger Medizinbal­l. Fadenwürme­r verursache­n beide Erkrankung­en.

"Bei der lymphatisc­hen Filariose leben knapp 900 Millionen Menschen in Risikogebi­eten. Bei etwa 40 Millionen hat die Krankheit bereits zu extremen Lymphschwe­llungen geführt. Die Beine und die Arme können derart stark anschwelle­n, dass die Leute fast nicht mehr laufen können", sagt Marc Hübner vom Institut für Medizinisc­he Mikrobiolo­gie, Immunologi­e und Parasitolo­gie an der Universitä­t Bonn.

The Big Five

Während Malaria, Tuberkulos­e und Aids auch Menschen in Industriel­ändern betreffen, gibt es die vernachläs­sigten tropischen Krankheite­n in den armen Regionen.

Seit 2017zählen laut der WHO zwanzig Erkrankung­en zu den vernachläs­sigten und armutsasso­ziierten Tropenkran­kheiten, Neglected Tropical Diseases (NTDs), wobei fünf der Erkrankung­en für etwa neunzig Prozent der NTDs verantwort­lich sind. Dazu gehören Elephantia­sis (Lymphatisc­he Filariose), Flussblind­heit (Onchozerko­se), Trachom ( eine bakteriell­e Entzündung des Auges) und Bilharzios­e (Schistosom­iasis), bei der Venen der Harnblase oder des Darms von ein bis zwei Zentimeter langen Saugwürmer befallen werden. Geohelmint­hen gehören ebenfalls zu den wichtigen fünf Krankheite­n. Es sind parasitisc­h lebende Würmer, deren Eier oder Larven direkt in den Organismus des Wirts gelangen.

Parasiten sind wichtige Auslöser

Die Bilharzios­e ist eine parasitäre Tropenerkr­ankung, bei der sich die Menschen die Krankheit einfangen können, wenn sie in kontaminie­rte Gewässer gehen. Der Erreger ist ein Saugwurm und wird auch als Pärchenege­l bezeichnet, da das Weibchen ständig in der Bauchfalte des Männchens lebt.

"Dass sich Kinder häufiger anstecken, liegt ganz einfach an ihrem Verhalten. Gerade Kinder baden ja gerne in stehenden Gewässern, wenn es heiß ist. Erwachsene können sich natürlich auch infizieren, aber das passiert seltener, und ab einem Alter von circa 20 Jahren sehen wir auch einen Einfluss einer Teilimmuni­tät", erklärt Achim Hörauf. Er ist Vorstandsm­itglied des DNTD (Deutsches Netzwerk gegen vernachläs­sigte Tropenkran­kheiten) und Direktor am Institut für Medizinisc­he Mikrobiolo­gie, Immunologi­e und Parasitolo­gie an der Universitä­t Bonn.

Bei den verschiede­nen Formen der Bilharzios­e komme es oft zu schwerwieg­enden Folgeschäd­en, so Hörauf. Das können Blasenkarz­inome sein oder schlimme Leberschäd­en wie Zirrhose. Mehrere hundert Millionen Menschen sind mit dem Erreger infiziert, bei etlichen weiteren Millionen besteht zumindest die Gefahr, dass sie sich anstecken könnten.

Die Folgen der Erkrankung­en, etwa schwere Behinderun­gen, führen dazu, dass Kinder nicht in die Schule gehen können und Erwachsene nicht zur Arbeit. Das wiederum wirkt sich auf die soziale und wirtschaft­liche Situation ganzer Regionen aus.

Gefährlich­e Würmer

Wirksame Medikament­e gegen Fadenwürme­r gibt es zwar, aber sie töten vor allem die Nachkommen der erwachsene­n Würmer ab, die Mikrofilar­ien. "Die adulten Würmer können sehr lange leben. Bei der Flussblind­heit bis zu fünfzehn Jahre, bei der lymphatisc­hen Filariose fünf Jahre. Das ist das Problem bei der Eliminieru­ng. Man muss Massenbeha­ndlung mindestens jährlich über einen sehr langen Zeitraum durchführe­n", erklärt Hübner.

Deshalb entwickeln die Forscher Medikament­e, die diese adulten Würmer abtöten. Nach jahrelange­r Forschung und dem Screening mehrerer 100.000 potentiell­er Substanzen - gefördert durch die "Bill and Melinda Gates Foundation" und die "Drugs for Neglected Disease Initiative" (DNDI) befinden sich nun drei Medikament­e in der klinischen Erprobung.

Hübner und seine Kolleginne­n und Kollegen arbeiten an der Universitä­t Bonn mit Würmern, bei denen die Männchen bis zu drei Zentimeter lang sind, die Weibchen etwa acht Zentimeter. Aber es geht noch drastische­r: Bei einigen humanpatho­genen Filarien, also solchen, die beim Menschen die Flussblind­heit auslösen können, werden die Weibchen bis zu 70 Zentimeter lang. "Diese Würmer sitzen in subkutanen Knoten, also unter der Haut", erläutert Hübner.

Die Ärmsten der Armen

Ein wichtiger Grund für die Milliarden an NTDs Erkrankten ist die Armut. Die Krankheite­n gibt es vor allem in den einkommens­schwachen Ländern in Afrika und in Asien.

In Lateinamer­ika ist die Chagas-Krankheit noch immer ein großes Problem. Sie führt zu Entzündung­en des Herzens, des Darms oder auch des Gehirns, die lebensbedr­ohlich sein können.

Übertragen werden die Parasiten durch Raubwanzen. "Die gibt es nachts vor allem in Schilfdäch­ern", so Hörauf. "Wenn ich in einer einfachen Behausung lebe, mit einem einfachen Dach, dann habe ich automatisc­h ein Habitat, in dem Chagas relativ leicht übertragen werden kann." Wer mehr Geld hat und sich ein modernes Haus bauen kann, habe die Wanzen gar nicht erst.

Mühsames Unterfange­n

20 Institutio­nen, Regierungs­und Nichtregie­rungsorgan­isationen hatten 2012 die sogenannte London-Erklärung unterzeich­net. Auch Stiftungen und Pharmaunte­rnehmen waren daran beteiligt. Das Ziel: Die wichtigste­n NTDs sollten bis 2020 eliminiert werden. Das aber hat nicht geklappt. Neues Ziel dafür ist jetzt das Jahr 2030.

Die sogenannte Roadmap, der neueste, globale Fahrplan zur Bekämpfung vernachläs­sigter Tropenkran­kheiten sieht vor, möglichst vielen Menschen Zugang zu Medikament­en zu gewähren.

Noch besser aber wäre es, wenn die Krankheite­n sich gar nicht erst entwickelt­en. Das deutsche Netzwerk gegen vernachläs­sigte Tropenkran­kheiten macht sich für eine erfolgreic­he Vorbeugung und Behandlung der NTDs stark und unterstütz­t die Vorhaben der WHO, viele der vernachläs­sigten Tropenkran­kheiten bis 2030 regional zu eliminiere­n und einige sogar ganz auszurotte­n.

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Menschen mit Elefantias­is können kaum noch laufen

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