Deutsche Welle (German edition)
Wie Theater Corona überstehen
Je länger der Lockdown anhält, desto schwieriger wird die Lage für die Schauspieler. Mit spannenden Ideen gehen sie auf das Publikum zu.
In Frack und mit Zylinder, eine Laterne in der Hand, schleicht der bekannte deutsche Darsteller Charly Hübner als Geist durch die dunklen Treppenhäuser des Hamburger Schauspielhauses. Mit der Garderobiere alias Schauspielerin Bettina Stucky hat er im Keller noch ein Hühnchen zu rupfen. Diese Szene stammt aus einem kurzen Grusel-Video aus der selbstgedrehten Reihe"Haus der Geister", wo Untote ihr Unwesen treiben, um das Publikum zu Hause bei Laune halten.
Insgesamt 142 Staatstheater, Stadttheater und Landesbühnen sowie 199 Privattheater gibt es hierzulande nach den jüngsten Erhebungen des Deutschen Bühnenvereins. Alle sind wegen der Corona-Pandemie für das Publikum geschlossen. Kleine Geschichten hinter den Kulissen zu filmen, ist derzeit ein beliebtes Mittel, um das Stammpublikum im Lockdown nicht zu verlieren und vielleicht sogar ein neues Publikum hinzuzugewinnen.
Wie die Theater in der Pandemie dabei im wahrsten Sinne des Wortes immer mehr Raum verlieren, zeigt das Beispiel des Duisburger Theaters am Marientor. Das ehemalige MusicalTheater ist seit November als Test- und Impfzentrum eingerichtet. Wenn ein Ende der Pandemie absehbar ist, soll das Gebäude aber wieder für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden.
Nahezu weltweit werden Theater, Kinos, Konzerthäuser und Veranstaltungsräume nicht mehr bespielt. Selbst großen namhaften Theatern geht da allmählich das Geld aus. Das Globe-Theatre In London, eines der berühmtesten Schauspielhäuser der Welt, war schon im ersten Lockdown finanziell am Limit.
Einen Vorstoß in Richtung Normalität wagte man Ende des Jahres in der Hauptstadt Spaniens. Theater und Kinos öffneten ihre Tore trotz hoher CoronaZahlen im Rest des Landes. Die Presse sprach vom "Wunder von Madrid". Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Spanien bis zum 9. Mai noch ein Ausnahmezustand herrscht. Nur wenige Plätze werden bei Veranstaltungen mit Zuschauern besetzt. Ausgangssperren können jederzeit verhängt und Theater regional schnell wieder geschlossen werden.
Wie in kaum einem anderen Land, werden die Theater in Deutschland von den
Kommunen und den Landesregierungen finanziell unterstützt. Wer an einem städtischen Schauspielhaus als festes Mitglied arbeitet, ist zwar derzeit in den meisten Fällen in Kurzarbeit, fällt aber wenigstens nicht in die Arbeitslosigkeit.
Anders sieht es bei den Privattheatern und bei selbständigen Schauspielerinnen und Schauspielern aus. Sie können oft nur auf eine Notfinanzierung durch den Staat hoffen. "Das schlägt auf die Stimmung", sagt der geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Marc Grandmontagne, im Gespräch mit der DW. "Da schmeißen viele Künstler und auch Musiker die Brocken hin."
Der Deutsche Bühnenverein ist der Arbeitgeberverband der Theater und Opernhäuser. Aus einem Sonderprogramm der Bundesregierung hat der Verein immerhin 30 Millionen Euro für privat geführte Theater beantragen können und gerade eine Fristverlängerung erwirkt.
Die Gelder aus dem Förderprogramm "Neustart" sind nämlich an die Produktion gebunden. Ausgeteilt werden sie erst, wenn der Spielbetrieb wieder läuft. Deshalb hoffen natürlich alle darauf, dass es bald wieder los gehen kann. "Es ist eine wahnsinnig turbulente Zeit", sagt Grandmontagne, der sich derzeit mit ständig geänderten Hygieneverordnungen und Bestimmungen zur Kurzarbeit auseinandersetzen muss. "Wenn man dann die Häuser immer öffnet und wieder schließt, das strapaziert die Nerven."
Dass die Corona-Ausgaben ein Loch in sämtliche öffentliche Haushaltskassen reißen, ist nicht zu übersehen. Die Befürchtung ist groß, dass ausgerechnet an der Kultur nach der Pandemie wieder gespart wird.
Marc Grandmontagne bewundert die Künstler, die trotz der Krise am Ball bleiben - und das sind die meisten. "Sie haben noch den Willen und die Kraft und versuchen, über kreative Ideen ihr Publikum zu erreichen."
Neben kleinen Videopodcasts setzt das bekannte Münchener Residenztheater - wie viele andere Theater auch - auf Vorstellungen im Netz: als Stream oder über die Plattform "Zoom" mit anschließender Diskussion. Es gilt das "Payas-you-wish-Prinzip" vom Sparticket für 15 Euro bis zum "Solidaritätsticket" für 100 Euro.
Streams von Vorstellungen bietet auch die TUP (Theater und Philharmonie) in Essen. Beim ersten Lockdown hatte man noch die Technik erneuert und einen neuen Bühnenboden im Grillo-Theater verlegt. "Wir glauben nicht, dass wir so schnell wieder aufgemacht werden", sagt der Sprecher der Sparte
Schauspiel und Ballett, Martin Siebold, der DW. Das Theater hat sich zunächst vorsichtig auf den April mit vier neuen Premieren eingestellt. "Viele machen sich das nicht klar", meint Siebold. "Das ist kein Film, den man einlegt und der läuft. Das Theater braucht einen viel längeren Vorlauf."
Deshalb hat sich Theaterpädagoge Marguerite Windblut in Essen in der Zwischenzeit etwas für die jüngeren Zuschauer ausgedacht. Weil gerade Kinder und Jugendliche durch den anhaltenden Distanzunterricht der Schulen wenig Anreize von außen bekommen, lässt er Schauspieler und Schauspielerinnen vom Grillo-Theater eine spannende Geschichte für Sechsbis Zehnjährige vorlesen; allerdings nicht im Stream oder Podcast, sondern per Telefon. "Jedes Kind, das angemeldet ist, bekommt individuell für sein Alter zehn bis 15 Minuten lang eine eigene Telefongeschichte", erläutert Siebold. Andere Personen im Haushalt können dann natürlich über Lautsprecher mithören.
Auf Interaktion mit jungen Leuten setzt die Theaterpädagogin Alessia Heider vom Theater Bonn. Für ihr Format "Talk To…" lädt sie über Zoom unter 27-Jährige zum Gespräch mit