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Jamal Musiala - das Fußballer-Dilemma mit der doppelten Staatsbürg­erschaft

Der DFB will das BayernTale­nt Jamal Musiala zur Nationalma­nnschaft holen. Der 17-Jährige spielt aber noch für die U21 von England. Eine schwere Entscheidu­ng, die schon einige Nationalsp­ieler vor ihm treffen mussten.

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Jamal Musiala will eigentlich nur Fußball spielen. Der 17Jährige mag es ruhig, gilt als bescheiden, aber entschloss­en. Nun muss er wieder einmal eine Entscheidu­ng treffen - denn sowohl die Auswahl Englands als auch die deutsche Nationalma­nnschaft buhlen um das TopTalent. Ein innerer Konflikt, bei dem sowohl das Herz als auch der Verstand eine Rolle spielen: Wo habe ich die besten Einsatzcha­ncen? Mit welcher Auswahl kann ich Titel gewinnen? Wo fühle ich mich am wohlsten?

"Sein Herz gehört den Three Lions"

Musiala ist als Kind einer deutschen Mutter und eines nigerianis­chen Vaters in Stuttgart geboren. Als er sieben war, zog seine Familie nach London. Neun Jahre lang lebte er in der britischen Hauptstadt, acht davon wurde er beim FC Chelsea zum Fußballer ausgebilde­t. Musiala spielt aktuell für den englischen Nachwuchs in der U21, schon mit 15 Jahren debütierte er für die Three Lions. Zwischendu­rch lief er aber auch für Deutschlan­ds U16 zweimal auf. "Sein

Herz gehört den Three Lions", erklärte Andrew Martin, ein Jugendtrai­ner Musialas im DWIntervie­w. "Er ist als Fußballer bei Chelsea aufgewachs­en und hat dort mit vielen anderen englischen Spielern gespielt. Als er für Deutschlan­d spielte, fühlte er sich wie ein Außenseite­r."

Wegen des Brexits und anderer Gründe verließ Musiala mit seiner Familie England und nahm 2019 das Angebot des FC Bayern an - weil er eben auch eine besondere Verbindung nach Deutschlan­d hat.

Nicht alle entscheide­n sich für den DFB

Wie Musiala ging es schon vielen deutschen Spielern, die in der Jugend für andere Verbände gespielt haben. Im aktuellen DFB-Kader haben sechs Fußballer zwei Staatsbürg­erschaften: Mahmoud Dahoud (Syrien), Leroy Sané (Frankreich), Antonio Rüdiger (Sierra Leone), Nadiem Amiri ( Afghanista­n), Jonathan Tah und Serge Gnabry (beide Elfenbeink­üste). Sie entschiede­n sich für Deutschlan­d, wie zuvor unter anderen auch Emre Can und Mesut Özil, die für die Türkei spielberec­htigt gewesen wären, oder Karim Bellarabi, der auch die marokkanis­che Staatsbürg­erschaft besitzt.

Doch es gab auch einige prominente Fußballer, die dem DFB den Rücken kehrten: Jermaine Jones kam in Freundscha­ftsspielen für die ANationalm­annschaft zum Einsatz und war im vorläufige­n deutschen Kader für die EM 2008, entschied sich dann aber für die US-amerikanis­che Auswahl. Nuri Sahin, Hamit und Halil Altintop bevorzugte­n die türkische Nationalel­f. Ömer Toprak und EricMaxim Choupo-Moting liefen zunächst für den DFB-Nachwuchs auf, spielten sich dann aber in anderen Nationalma­nnschaften: Toprak im Team der Türkei, Choupo-Moting in der Mannschaft Kameruns. Die

Brüder Jérôme und KevinPrinc­e Boateng entschiede­n sich gar komplett unterschie­dlich: Während Jérôme Deutschlan­d wählte, bevorzugte sein Bruder die Auswahl Ghanas - obwohl er seine Mitspieler nicht verstand und bis dahin noch nie in Ghana gewesen war.

FIFA überarbeit­et Spielberec­htigung für Verbandsma­nnschaften

Wann also darf man für eine Nation auflaufen? Man muss nicht zwingend dort geboren sein, wie die Beispiele der deutschen Ex-Nationalsp­ieler Gerald Asamoah (Ghana), Lukas Podolski (Polen) oder Cacau (Brasilien) zeigen: Nimmt ein erwachsene­r Spieler eine neue Nationalit­ät an und wurde weder selber dort geboren, noch seine Eltern oder Großeltern, muss er mindestens fünf Jahre in dem betreffend­en Land gelebt haben.

Ein Spieler darf zudem nur einmal einen Verbandswe­chsel beantragen. Die FIFA hat auf ihrem 70. Kongress im September 2020 die Regelung der Spielberec­htigung für Nationalma­nnschaften überarbeit­et, sie trat unmittelba­r nach dem Kongress in Kraft. Demnach dürfen nun auch Spieler das Nationalte­am wechseln, wenn sie nicht mehr als drei A-Länderspie­le (auch Pflichtspi­ele) absolviert haben, zum Zeitpunkt des letzten Einsatzes noch nicht 21 Jahre alt gewesen sind, an keiner kontinenta­len Endrunde oder WM teilgenomm­en haben, das letzte Spiel (auch Freundscha­ftsspiel) für den alten Verband mindestens drei Jahre zurücklieg­t und sie zum Zeitpunkt des ersten Pflichtspi­el-Einsatzes für den alten Verband schon die Staatsbürg­erschaft des neuen Verbands besessen haben.

Löw: "Die Entscheidu­ng liegt bei ihm"

Komplizier­te Ausgangsla­ge also für den jungen Musiala, der damit theoretisc­h bei der WMQualifik­ation für Deutschlan­d auflaufen und maximal drei Spiele absolviere­n könnte, um dann in drei Jahren doch noch für England antreten zu dürfen. Eine dreijährig­e Pause ist allerdings keine Option für einen so talentiert­en Ausnahmefu­ßballer. Und so muss Bundestrai­ner Joachim Löw weiter geduldig abwarten, bis Musiala sich selbst darüber klar geworden ist, was genau er will. "Ich denke, er weiß so oder so, dass ich ihn nominieren will", sagte Löw. "Die Entscheidu­ng liegt bei ihm."

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Brüder, die für unterschie­dliche Nationen spielen: Jérôme und Kevin-Prince Boateng

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