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Sundance Film Festival: Sieger 2021 stehen fest
Als großer Gewinner des Abends präsentierte sich das anrührende Familiendrama "Coda": Der Film räumte gleich vier Preise ab.
Ruby Rossi, gespielt vom britischen Nachwuchstalent Emilia Jones, wächst als Kind gehörloser Eltern auf. Sie beherrscht die Gebärdensprache perfekt, und Mutter und Vater sind im Alltag oft auf die Hilfe der hörenden Tochter angewiesen.
Doch dann entdeckt Ruby ihre Liebe zur Musik und muss sich entscheiden. Geht sie ihren eigenen Weg oder bleibt sie die Stütze ihrer Familie?
Der Film von US- Regisseurin Sian Heder holte neben dem Grand-Jury-Preis auch den Zuschauerpreis und die Auszeichnungen für Regie und Ensemble-Besetzung.
Liebhaber des französischen Films dürften allerdings darüber stolpern, dass ihnen die Geschichte bekannt vorkommt - nämlich aus der Tragikomödie: "Verstehen Sie die Béliers?", 2014 von Regisseur Éric Lartigau kongenial in Szene gesetzt.
Beim Sundance Film Festival scheint das die Juroren nicht vom Preisregen für "Coda" abgehalten zu haben. Der Film passt ja auch hervorragend in den von den Organisatoren gesteckten Rahmen, denn von Anfang an hat man sich bei dieser Veranstaltung Themen wie Inklusion und Diversität auf die Fahnen geschrieben und die unterrepräsentierten Stimmen des Kinos gefördert. Seit 1978 findet das Filmfestival im US-Staat Utah statt, seit 1981 ist Hollywood-Star Robert Redford federführend mit von der Partie.
Neben "Coda" wurde die Doku "Summer Of Soul", ein Film über ein Musikfestival, von Jury und Zuschauern ausgezeichnet. In der Sparte "World Cinema" holte das Drama "Hive" Preise von der Jury
und den Zuschauern. Außerdem wurde Regisseurin Blerta Basholli prämiert: Ihre Schilderung einer alleinerziehenden Frau, die nach dem Verschwinden ihres Mannes im Kosovo-Krieg zu überleben versucht, beeindruckte Publikum und Fachjury gleichermaßen.
Zwar stellten auch Hollywood-Größen ihre Projekte vor - so präsentierte "House of Cards"-Star Robin Wright ihr Regiedebüt "Land" -, vor allem aber ist das Sundance-Festival ein Sprungbrett für viele kleinere Filme, um Verleiher und ein breiteres Publikum zu finden. Zu den größten Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte beim größten Indie-Filmfestival der
USA zählten Filme wie "Blair Witch Project", "Boyhood" und "Get Out".
suc/pg (mit dpa, sundance org)
der Berliner Baustellen - um dann zu erfahren, dass dieser für die etwas tauben Ohren der alten Rocker gar kein Problem gewesen wäre? Worüber spricht man mit Isabella Rossellini beim Lunch? Und wie heißt der Hund von Lars von Trier? Wer all das und vieles mehr erfahren möchte, kommt auf seine Kosten.
Unvergessen bleiben in der Festivalgeschichte auch zahlreiche Pannen, zum Beispiel, als die russische Stilikone Renata Litwinowa, Jurymitglied 2002, bei der Bären-Übergabe ihren atemberaubenden Stöckelschuh verlor und "dafür einen Regisseur auszeichnete, der gar nicht anwesend war."
Handwerk eines Festivalmachers spannend: Wie bekommt man Filme mit Starbesetzung ausgerechnet im düsteren und kalten Februar in eine Stadt, die, im Gegensatz zu Cannes und Venedig, weder laue Abende am Strand, noch einen romantischen Blick auf die Lagune zu bieten hat? Wer zwischen den Zeilen liest, erfährt einiges über nationale und internationale Netzwerke, über Wechselwirkungen zwischen europäischer Filmszene und Hollywood, Arthouse und großer KinoUnterhaltung, sowie über die Omnipräsenz persönlicher Sympathien (oder Antipathien) bei den Machern. Charme ist und bleibt die wichtigste Waffe eines Festival-Direktors.
Es ist aber nicht nur der Rückblick, der das neue Buch von Dieter Kosslick spannend macht, sondern auch seine Analyse der gegenwärtigen Situation sowie der Blick in die Zukunft: "Die Pandemie hat alles verändert: Plötzlich sind Themen, mit denen ich mich in meinem beruflichen Leben intensiv auseinandergesetzt habe, auf neue Weise wichtig geworden: Ökologie, Nachhaltigkeit, Vielfalt, Gerechtigkeit."
In einer idealen Welt würde das Kino hier eine zentrale Rolle spielen. Kosslick glaubt fest an die Wiedergeburt der Branche und daran, dass Filme die Welt verändern können. Warum? "Weil ich es selbst miterlebt habe!" Etwa als der Goldene Bär für "Esmas Geheimnis - Grbavica" an die Regisseurin Jasmila Žbanić ging: "Das war der Film über Srebrenica in Bosnien, die Belagerung von Sarajewo und die Massenvergewaltigungen, die folgten. Ich erinnere mich noch, wie Jasmila Žbanić auf der Bühne stand und sagte: Dieser Bär wird helfen, die beiden Kriegsverbrecher Karadžić und Mladić zu finden." Und sie wurden gefunden. Und die misshandelten Frauen wurden als Kriegsopfer anerkannt.
Auch an die Wiedergeburt der Kinos als Begegnungsorte glaubt der Festspielmacher fest. Voraussetzung dafür sei, dass "das Kino seine soziale Funktion nochmal ganz anders erfüllt." Zwingende Voraussetzung dafür sei laut Kosslick, dass der Nachwuchs lernen müsse, "Filme nicht nur auf dem heimischen Bildschirm oder auf einer Armbanduhr zu sehen. Die Kids müssen sich daran wieder gewöhnen, dass man einen Film auf der großen Leinwand mit anderen Leuten zusammen sieht, in einem Raum, den wir Kino nennen."
Das bedeutet: Ab in die Kinos mit den Kids! Kostenlos und verpflichtend, auch für Schulen und andere Bildungseinrichtungen, am besten wöchentlich. "Auch für die Zeit hätte ich einen konkreten Vorschlag: um 8 Uhr am Montag! Denn dann pennen sie sowieso - dass wissen wir ja aus neurologischen Forschungen. Da können sie sich auch mal einen Film reinziehen."
Als Vater des 13-jährigen Fridolin weiß Dieter Kosslick, wovon er spricht.
Dieter Kosslick: Immer auf dem Teppich bleiben. Von magischen Momenten und der Zukunft des Kinos, Dieter Kosslick, Hofmann und Campe 2021, 336 Seiten