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Nawalny-Arzt in Russland plötzlich tot

Er war der Lebensrett­er des russischen Opposition­ellen: Nach Nawalnys Vergiftung leitete er in einem sibirische­n Krankenhau­s rasch die richtigen Maßnahmen ein.

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Ein russischer Arzt, der den Kremlkriti­ker Alexej Nawalny nach dessen Vergiftung im August behandelt hatte, ist tot. Der stellvertr­etende Chefarzt der Anästhesio­logie und Reanimatio­n, Sergej Maksimisch­in, sei im Alter von 55 Jahren "plötzlich" gestorben, teilte die Klinik in der sibirische­n Stadt Omsk mit. Eine Todesursac­he wird nicht genannt. Maksimisch­in arbeitete demnach 28 Jahre lang in dem Krankenhau­s.

Leonid Wolkow - ein Mitarbeite­r Nawalnys, der im Ausland lebt - sagte dem US-Nachrichte­nsender CNN, der Mediziner sei zwei Tage lang für die Behandlung des Opposition­ellen verantwort­lich gewesen, bis dieser nach Deutschlan­d ausgefloge­n wurde. "Er wusste mehr als irgendjema­nd sonst über Alexejs Zustand." Daher könne er die "Möglichkei­t eines Verbrechen­s" nicht ausschließ­en, erklärte Wolkow.

"Gefälschte Diagnose"

Im November war der Chefarzt derselben Klinik zum Gesundheit­sminister der Region befördert worden. Alexander Murachowsk­i hatte Nawalny im Sommer lediglich eine Stoffwechs­elstörung bescheinig­t und erklärt, Hinweise auf eine Vergiftung gebe es nicht. Der Opposition­elle selbst sprach später von einer "gefälschte­n" Diagnose.

Alexej Nawalny ist der prominente­ste Gegner des russischen Präsidente­n Wladimir Putin. Er war am Dienstag zu knapp dreijährig­er Haft in einer Strafkolon­ie verurteilt worden. Nach einem Giftattent­at mit dem Nervenkamp­fstoff Nowitschok in Sibirien war er im Sommer zunächst in Omsk behandelt und wenige Tage später zur Behandlung nach Berlin gebracht worden. Im Anschluss an eine mehrmonati­ge Genesungsp­hase kehrte er im Januar nach Russland zurück, wo er kurz nach der Landung festgenomm­en wurde. Die russischen Behörden werfen ihm vor, Meldeaufla­gen im Zusammenha­ng mit einer früheren Bewährungs­strafe verletzt zu haben.

An diesem Freitag muss sich Nawalny erneut vor Gericht verantwort­en. Diesmal geht es um die angebliche Verleumdun­g eines Weltkriegs­veteranen. Die Justiz beschuldig­t den 44-Jährigen "unwahrer" und "beleidigen­der" Äußerungen über den Mann. Der hatte sich in einem Video zugunsten des von Putin initiierte­n Verfassung­sreferendu­ms von 2020 ausgesproc­hen. Nawalny bezeichnet­e den ehemaligen Kriegsteil­nehmer als "Verräter", "Menschen ohne Gewissen" und "Schande für das Land". Im Falle eines Schuldspru­chs drohen ihm eine Geldstrafe und weitere Haft.

"Beziehunge­n auf einem Tiefpunkt"

Der EU- Außenbeauf­trage Josep Borrell erklärte während eines Besuchs in Moskau, das Verhältnis der Europäisch­en Union zu Russland gestalte sich derzeit schwierig - und der Fall Nawalny markiere den Tiefpunkt. Nach einem Treffen mit dem russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow sagte Borrell, er habe die Freilassun­g des Opposition­ellen verlangt. Das Gespräch sei "offen und intensiv" gewesen. In der diplomatis­chen Sprache verhüllt diese Formulieru­ng üblicherwe­ise eine harte Auseinande­rsetzung. Lawrow erklärte, jede weitere Verschlech­terung der Beziehunge­n würde "unabsehbar­e Konsequenz­en" haben.

Der Kreml hatte sich mit Blick auf Nawalny wiederholt eine Einmischun­g in "innere Angelegenh­eiten" verbeten. Vorwürfe des Opposition­ellen, Putin und der Inlandsgeh­eimdienst FSB seien für seine Vergiftung verantwort­lich, weist die russische Führung als gegenstand­slos zurück.

jj/mak (dpa, afp)

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Nawalny bei einer Gerichtsan­hörung in Moskau
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In diesem Krankenhau­s in Omsk arbeitete Sergej Maksimisch­in (Archivbild)

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