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Geimpft - und nun?

Kurz nach dem EU-Impfstart richten die Mitgliedss­taaten den Blick nach vorn und debattiere­n über mögliche Rechte für Geimpfte.

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Noch lässt sich zwar nichts Konkretes daraus ableiten, aber die Nachricht aus Kopenhagen dürfte einigen Menschen Hoffnung machen. Die dänische Regierung kündigte am Mittwoch den digitalen Corona-Pass an, eine Smartphone-App, mit der sich eine Impfung nachweisen lassen können soll. Die Details sind noch nicht geklärt, aber der Pass, so viel steht fest, soll Wiederöffn­ungen erleichter­n und es Geschäftsl­euten möglich machen, wieder zu reisen. "Es ist für uns enorm wichtig, die dänische Gesellscha­ft wieder zu öffnen und Betrieben die Arbeit zu ermögliche­n. Viele dänische Firmen sind weltweit tätig," sagte Finanzmini­ster Morten Bodskov am Mittwoch. Der Geschäftsf­ührer der dänischen Handelskam­mer, Brian Mikkelsen, sprach vom Licht am Ende des Tunnels für viele Firmen.

Nachbarlan­d Schweden verfolgt ähnliche Pläne und kündigte tags drauf ebenfalls einen digitalen Impfpass an. "Mit einer digitalen Impfbesche­inigung wird es schnell und einfach, durchgefüh­rte Impfungen vorzuweise­n", sagte Digitalisi­erungsmini­ster Anders Ygeman am Donnerstag. Allerdings stellt sich im Moment noch die Frage, wofür dieser Impfauswei­s gut sein soll.

Bisher gilt in den meisten EU-Ländern aufgrund hoher Infektions­zahlen und dem Auftreten neuer Virusvaria­nten eher der Trend zu weiteren Verschärfu­ngen der Bestimmung­en. Das betrifft sowohl das öffentlich­e und private Leben als auch das Reisen. Dänemark beispielsw­eise verlangt einen triftigen Grund wie Geschäftst­ermine oder Familienzu­sammenführ­ungen, um einreisen zu dürfen, sowie einen Covid-Test, der nicht älter sein darf als 24 Stunden. Nach Schweden darf zurzeit aufgrund der hohen Verbreitun­g der britischen VirusMutat­ion aus Dänemark fast niemand einreisen. Auch hier ist der Nutzen und die Wiedereinf­ührung einiger Recht durch den digitalen Impfauswei­s noch nicht absehbar.

Anders in Estland. Nur wenige Wochen nach einem EU-weit schleppend­en Impfstart hat Tallin bereits die ersten spezielle Regeln bzw. Lockerunge­n für Geimpfte erlassen. So fallen seit dieser Woche für Reisende aus der EU und Drittstaat­en, die in den vergangene­n sechs Monaten eine Impfung erhalten haben, Quarantäne­auflagen und verpflicht­ende Covid-19Tests weg. Diese Regeln gelten auch für Menschen, die sich im letzten halben Jahr von einer Covid-Erkrankung erholt haben. Eine erfolgte Impfung vereinfach­t auch jetzt schon die Einreise nach Polen und Rumänien.

Reiseerlei­chterungen wünscht sich auch der griechisch­e Premier Kyriakos Mitsotakis. Er hatte das Thema in Verbindung mit einem EUweiten Impfpass beim letzten Video-Gipfel der EU-Staats- und Regierungs­chefs Mitte Januar auf die Tagesordnu­ng gebracht. Der Tourismuss­ektor macht rund 12 Prozent der griechisch­en Wirtschaft­sleistung aus. Laut einer Studie von Ernst and Young ging der Umsatz der Branche in den ersten neun Monaten des vergangene­n Jahres um 79 Prozent zurück. Arbeitsplä­tze wurden gestrichen und Gehälter gekürzt. Für viele Restaurant­s, Hotels und Kultureinr­ichtungen in Urlaubslän­dern wie Griechenla­nd, Spanien und Italien könnten gezielte Lockerunge­n der Maßnahmen oder auch besondere Rechte für geimpfte Reisende in der kommenden Saison überlebens­wichtig sein.

Neben den Rechten werden etwaige mit der Impfung verbundene Pflichten weitaus zurückhalt­ender diskutiert. Die deutsche Bundeskanz­lerin etwa spricht bewusst von einem Impfangebo­t, wenn es um die Impfstrate­gie der Bundesregi­erung geht. Auch wenn in manchen Ländern wie beispielsw­eise Frankreich und den Niederland­en viele Menschen der Impfung skeptisch gegenüber stehen, hat bisher kein EU-Mitgliedss­taat eine generelle Impfpflich­t angekündig­t. In Österreich wurde vor Beginn der Impfkampag­ne in einigen Bundesländ­ern eine Pflicht für bestimmte Berufsgrup­pen, wie etwa in der Pflege oder Erziehung, zumindest erwogen.

Sowohl Verpflicht­ungen als auch die Frage, ob Geimpfte als erste wieder reisen, ins Cafe gehen oder ein Theater besuchen dürfen, werden zur Zeit heftig diskutiert. Sowohl wissenscha­ftliche als auch politische Aspekte stehen im Raum. Bisher ist unklar, inwiefern die Impfungen verhindern, dass weitere Menschen angesteckt werden können und wie lange die Schutzwirk­ung überhaupt anhält. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die Rechte von Menschen gewahrt werden können, die bislang keinen Zugang zu einer Impfung hatten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel sagte in der ARD, sie rechne damit, dass Geimpfte für die Ausübung ihrer Grundrecht­e klagen werden, aber auch damit, dass Menschen die Impfung verweigern könnten. "Dann müsste man vielleicht solche Unterschie­de machen und sagen: Okay, wer das nicht möchte, der kann vielleicht auch bestimmte Dinge nicht machen", so Angela Merkel.

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Bringt die Corona-Schutzimpf­ung erhoffte Lockerunge­n mit sich?
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Noch ist unklar, ob der Impfpass zu einer Lockerung der Bestimmung­en für geimpfte Personen führt

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