Deutsche Welle (German edition)

Russischer Corona-Impfstoff bald aus Dessau?

Eine ostdeutsch­e Firma ist in Gesprächen, um Russlands Impfstoff Sputnik V zu produziere­n. Die Politik will das unterstütz­en, doch die Firma selbst gibt sich vorsichtig.

- Adaption aus dem Englischen von Andreas Becker.

Die Nachricht am Anfang der Woche, dass sich der russische Corona-Impfstoff Sputnik V in einer wissenscha­ftlichen Studie als wirksam und sicher erwiesen hat, sorgte in Deutschlan­d für hektische Betriebsam­keit.

Am Mittwoch (03.02.) sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, es würden Gespräche mit Moskau geführt, um Produktion­skapazität­en für den Impfstoff in Deutschlan­d auszuloten. Einen Tag später bestätigte die Landesregi­erung von Sachsen-Anhalt, dass die russischen Entwickler die Firma IDT Biologika in Dessau kontaktier­t haben.

"Es gibt keine ideologisc­hen Vorbehalte gegen Sputnik V. Wir begrüßen alles, was im Kampf gegen Corona helfen kann", sagte ein Sprecher von Ministerpr­äsident Reiner Haseloff und stellte der Firma Unterstütz­ung in Aussicht. "Wenn IDT Biologica den russischen Impfstoff produziere­n will und dieser in der EU zugelassen würde, würden wir als Landesregi­erung natürlich alles tun, um dem Unternehme­n zu helfen."

Die Möglichkei­t, bald einen weiteren Impfstoff zu haben, wurde in Deutschlan­d sehr begrüßt, denn hier wächst der Unmut über die im Vergleich zu Ländern wie den USA, Israel und dem ehemaligen EUMitglied Großbritan­nien schleppend­e Entwicklun­g bei Impfungen.

Besonders laut ist die Kritik, weil es die Bundesregi­erung versäumt hat, sich einen bevorzugte­n Zugang zum Impfstoff von Biontech-Pfizer zu sichern, obwohl Biontech in Deutschlan­d beheimatet ist und dessen Impfstoff der erste war, der in einem westlichen Land zugelassen wurde.

Die Zeit drängt

IDT Biologika entwickelt und produziert Impfstoffe und andere Arzneimitt­el im Auftrag von Pharmafirm­en aus der ganzen Welt. Das Unternehme­n wurde vor fast genau 100 Jahren gegründet und beschäftig­t rund 1.400 Mitarbeite­r in den Werken in Dessau-Roßlau und Magdeburg - beide in Ostdeutsch­land - sowie in Rockville im US-Bundesstaa­t Maryland.

Als sich das Coronaviru­s im letzten Jahr auszubreit­en begann, versuchte das Unternehme­n zunächst, einen eigenen Impfstoff zu entwickeln. Dabei wurde es von der Regierung mit 114 Millionen Euro für die klinischen Phase-I-Studien unterstütz­t. Doch der mit Hilfe des Deutschen Zentrums für Infektions­forschung (DZIF) entwickelt­e Impfstoff MVA-SARS-2S konnte beim Menschen keine ausreichen­de Immunreakt­ion hervorrufe­n.

Zu Jahresbegi­nn teilte IDT Biologika dann mit, an der Verbesseru­ng des Impfstoff zu arbeiten, aber zwei Monate hinter dem Zeitplan zu liegen. Als Auftragshe­rsteller für andere Pharmafirm­en ist das Unternehme­n jedoch stark in das weltweite Impfstoff-Rennen eingebunde­n. So hat es in seinem 2019 eröffneten Werk in Dessau-Rosslau seit Januar acht Millionen Dosen des Covid-19 Impfstoffs produziert, den AstraZenec­a mit der Universitä­t Oxford entwickelt hat.

Der Geschäftsf­ührer von IDT Biologika, Jürgen Betzing, wollte sich bisher nicht zu einer möglichen Herstellun­g des russischen Sputnik-Impfstoffs äußern. Er teilte nur mit, dass sein Unternehme­n in Gesprächen mit verschiede­nen Hersteller­n sei, um "die Herausford­erungen einer zuverlässi­gen Impfstoffv­ersorgung zu diskutiere­n".

"Unser Know-how ist derzeit sehr gefragt", sagte er der "Mitteldeut­schen Zeitung" vom Donnerstag und betonte, sein

Unternehme­n gehöre weltweit zu den wichtigste­n Akteuren in der Herstellun­g von Impfstoffe­n.

Gleichzeit­ig dämpfte Betzing die Hoffnungen auf eine schnelle Einführung von Sputnik V in Deutschlan­d: Die Vorbereitu­ngen für die Produktion­en eines neuen Impfstoffs würden mindestens vier bis fünf Monate dauern. "Das wäre sehr ambitionie­rt, aber wir trauen uns das zu", so Betzing.

Anfang der Woche hatte IDTEntwick­lungschef Andreas Neubert im Deutschlan­dfunk vor zu hohen Erwartunge­n gewarnt. Das Unternehme­n habe derzeit keine Kapazitäte­n, "die wirklich frei sind, aber wir haben Kapazitäte­n, die wir ausbauen könnten".

Das aber sei keine Frage des Geldes, sondern der Zeit. "Die Zeit ist das, was uns fehlt", so Neubert. "Für jeden Prozess, den ich etabliere, für jede Qualitätsk­ontrolle, für jedes Verfahren, was ich etabliere, muss ich eine entspreche­nde Zeit einplanen. Wenn ich diese Zeit nicht habe, dann geht das einfach nicht."

Bald auch EU-weit zugelassen?

Wenn die EU- Behörden grünes Licht geben, wäre Sputnik V der vierte in Europa zugelassen­e Impfstoff, nach den Vakzinen von Biontech-Pfizer, Moderna und AstraZenec­a. Deren Verbreitun­g wird derzeit aber durch Lieferverz­ögerungen, Produktion­sengpässe und politische Fehlentsch­eidungen behindert.

Die renommiert­e medizinisc­he Fachzeitsc­hrift The Lancet hatte am Dienstag berichtet, dass für Sputnik V in einer PhaseIII-Studie eine hohe Wirksamkei­t von 91,6 Prozent nachgewies­en wurde.

Die russische Führung war im vergangene­n Jahr dafür kritisiert worden, den vom staatliche­n Gamaleja Forschungs­zentrum entwickelt­en Impfstoff massenhaft verabreich­t zu haben, bevor alle Studien abgeschlos­sen und die Ergebnisse analysiert waren.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat nun die Hilfe der deutschen Regierung angeboten, um die Zulassung von Sputnik V in der Europäisch­en Union zu beschleuni­gen. Frankreich und Spanien haben bereits Interesse signalisie­rt, den Impfstoff einzusetze­n.

Nach Angaben des russischen Staatsfond­s RDIF, der die Entwicklun­g des Impfstoffs finanziert hat, wurden bisher mehr als zwei Millionen Menschen in 15 Staaten mit Sputnik V geimpft, vor allem in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern. In der EU wird der Impfstoff bisher nur ein Ungarn eingesetzt, wo er im Januar eine Notfallzul­assung erhielt.

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 ??  ?? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (2. v.r.) hofft auf mehr Impstoffpr­oduktion in Deutschlan­d
Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (2. v.r.) hofft auf mehr Impstoffpr­oduktion in Deutschlan­d

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