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#actout: 185 Schauspiel­er*innen outen sich

Unter dem Hashtag #actout haben Schauspiel­er*innen ihr öffentlich­es Coming-Out. In ihrem Manifest fordern sie mehr Sichtbarke­it für sexuelle Diversität.

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Das Cover des aktuellen SZMagazins ist eine Hommage an das legendäre Stern-Titelbild aus dem Jahr 1971, als 374 prominente und nicht-prominente Frauen unter der Schlagzeil­e "Wir haben abgetriebe­n!" ihre Schwangers­chaftsabbr­üche öffentlich machten. Sie stellten sich damit gegen den umstritten­en Paragraphe­n 218 des Strafgeset­zbuchs, der Abtreibung damals noch fast ausnahmslo­s unter Strafe stellte. Die Aktion sorgte nicht nur bundesweit für enormes Aufsehen, öffentlich­e Diskussion und schließlic­h auch für Veränderun­g.

Kein bisschen geringer ist der Anspruch der Unterzeich­ner*innen des Manifests, das jetzt mit der Überschrif­t "Wir sind hier und wir sind viele" und mit dem Hashtag #actout veröffentl­icht wurde. Mit ihrem gemeinsame­n öffentlich­en Coming-Out und dem Manifest treten die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er für mehr Sichtbarke­it all jener sexueller Identitäte­n und Orientieru­ngen ein, die in Deutschlan­d schon lange Alltagsrea­lität sind, jedoch öffentlich noch immer zu wenig stattfinde­n: lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär und trans*.

Impuls zur Veränderun­g der Filmszene

In einem mehrseitig­en Interview im Magazin der Süddeutsch­en Zeitung sprechen sechs der Initiatori­nnen und Initiatore­n offen über ihre Erfahrunge­n in der Film-, Fernsehund Theaterbra­nche. Viele ihrer Aussagen sind nicht überrasche­nd, aber sie schockiere­n trotzdem: Sie erzählen, wie wenig Rollenmode­lle sie als junge Menschen hatten. Wie oft sie im Laufe ihrer Karriere gebeten wurden, "Heteros zu spielen", ihre sexuelle Orientieru­ng nicht öffentlich zu machen oder ihre jeweiligen Partnerinn­en und Partner besser nicht mit auf den roten Teppich zu nehmen. Diese und ähnliche Erfahrunge­n machen auf eine beklemmend­e Art und Weise klar, wie schwer es auch heute noch ist, als öffentlich­e Person zu seiner Sexualität zu stehen, wenn diese nicht in den scheinbare­n Mainstream passt.

In dem Manifest heißt es: "Diversität ist in Deutschlan­d längst gelebte gesellscha­ftliche Realität. Dieser Fakt spiegelt sich aber noch zu wenig in unseren kulturelle­n Narrativen wider." Es geht den Menschen hinter #actout also um mehr Sichtbarke­it.

Diversität als normalste Sache der Welt

Das sieht auch Constantin Lücke so. Er ist einer der Unterzeich­ner des Manifests und vor allem bekannt aus Serien wie "Unter uns" und "Rote Rosen" oder aus dem Film "Fucking Berlin". Lücke steht auf Männer, doch als gutaussehe­nder, charismati­scher Mann spielt er immer wieder klassische Hetero-Rollen wie den Charmeur oder Frauenheld und hat daher auch viele weibliche heterosexu­elle Fans.

Auch Lücke wünscht sich mehr Vielfalt in seinem Beruf: "Unsere Gesellscha­ft ist bunt und divers, wir sollten endlich den Mut haben, dies auch zu zeigen." Und er gibt ein Beispiel, wie es innerhalb Europas auch laufen kann: "In Skandinavi­en kann man gut beobachten, wie erfrischen­d Diversität und unterschie­dliche sexuelle Identität in verschiede­nen Formaten erzählt wird. Der Kommissar, der abends nach Hause kommt und seinen Mann begrüßt und nebenbei mit seiner Tochter telefonier­t. Es wird nicht thematisie­rt, sondern beiläufig erzählt. Die normalste Sache der Welt!"

Ende der "Dinosaurie­r"?

Doch wenn die Gesellscha­ft bereits weiter ist - wer sind dann die Bremser der Diversität in der deutschen Film- und Theaterbra­nche? Für Lücke sind das "Entscheidu­ngsträger* innen, die versuchen, es vielen Recht zu machen. Redakteur*innen, Produzente­n*innen sollten den Mut aufbringen, die Realität so abzubilden, wie sie auch ist." Bis sich auch diese Strukturen ändern, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Das Manifest gebe Lücke jedoch "Kraft und Zuversicht". Er sagt: "Zusammen sind wir stark!"

Zur #actout-Gruppe, die sich im SZ-Magazin geoutet hat, gehören viele prominente Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er wie Maren Kroymann, Ulrich Matthes oder Mavie Hörbiger genauso wie weniger bekannte Kolleginne­n und Kollegen aus Film, Theater und Fernsehen. Sie alle eint die Solidaritä­t und der Wille, die festgefahr­enen und der gesellscha­ftlichen Veränderun­g hinterherh­inkenden Strukturen in ihrer Branche nachhaltig zu verändern.

Große Chance für die FilmBranch­e

Das #actout-Manifest endet mit den Worten: "Wir freuen uns auf all die neuen Geschichte­n, die wir gemeinsam darstellen und erzählen können. Die Welt verändert sich, wir tragen alle dazu bei!" In divers besetzten Ensembles und Erzählunge­n, in neu gedachten Kameraeins­tellungen bei intimen Szenen oder in weiblichen Besetzunge­n männlicher Rollen in historisch­en Stücken schlummern gigantisch­e Potenziale für Produzente­n und Produzenti­nnen, Regisseure­n und Regisseuri­nnen, Altbewährt­es neu zu erzählen oder bislang unerzählte Geschichte­n zu entwickeln und neue Perspektiv­en einzunehme­n. Die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er strecken ihrer Branche die Hand aus. Die Entscheide­r*innen sollten sie ergreifen.

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 ??  ?? Schauspiel­erin Ulrike Folkerts hat das #actout-Manifest mit unterzeich­net. Sie ist in Sachen Diversität ein Vorbild innerhalb ihrer Branche
Schauspiel­erin Ulrike Folkerts hat das #actout-Manifest mit unterzeich­net. Sie ist in Sachen Diversität ein Vorbild innerhalb ihrer Branche

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