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Coronaviru­s: Bundeswehr-Ärzte helfen in Portugal

Kein europäisch­es Land ist aktuell so stark von der Corona-Pandemie betroffen wie Portugal. Seit Mittwoch ist deshalb ein deutsches Sanitätste­am vor Ort. Es bereitet sich im Schnelltem­po auf die ersten Patienten vor.

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Es sind Szenen, wie man sie aus Kriegsgebi­eten kennt oder von Naturkatas­trophen: Ein Airbus A400M Transporte­r landet auf einem abgelegene­n Militärflu­ghafen. Wenige Minuten später steigen 26 Mitglieder des Sanitätsdi­enstes der Bundeswehr - Ärzte, Pfleger und Hygieneexp­erten - im strammen Schritt aus der Heckklappe des Flugzeugs. Mit im Gepäck: Beatmungsm­aschinen, Infusionsg­eräte und Krankenhau­sbetten.

Hilferuf an europäisch­e Partner

Doch dies ist kein Konfliktge­biet. Es ist der militärisc­he Teil des internatio­nalen Flughafens der portugiesi­schen Hauptstadt Lissabon - unweit des Terminals, wo noch vor wenigen Monaten im Minutentak­t Billigflie­ger Wochenend-Touristen in der malerische­n Hafenstadt absetzten.

Seit Mitte Januar ist das südeuropäi­sche Land in einem kompletten Lockdown, der zivile Terminal von Lissabons Flughafen wie ausgestorb­en. Trotzdem gehen die CoronaInfe­ktionszahl­en kaum zurück. Noch vor wenigen Tagen hatte Portugal mit fast 900 Neuinfizie­rten pro 100.000 Einwohner die höchste 7- Tage- Inzidenz weltweit, die Intensivst­ationen des Landes sind komplett belegt.

Portugals Regierung entschied sich, ihre europäisch­en Partner um Hilfe zu bitten. Die Deutschen waren die ersten, die reagierten. Umgehend schickten sie medizinisc­hes Personal und Hilfsgüter auf den Weg. Und die Portugiese­n zeigen sich hierfür mehr als dankbar.

Noch auf dem Rollfeld werden die 26 deutschen Soldatinne­n und Soldaten persönlich von Portugals Verteidigu­ngsministe­r Joao Gomes Cravinho in Empfang genommen. "Ich habe meiner deutschen Amtskolleg­in schon eine Nachricht geschickt, um mich zu bedanken", erzählt der sichtlich bewegte Minis

ter. Annegret Kramp-Karrenbaue­r habe auch bereits geantworte­t. "Dafür sind Freunde da, hat sie mir zurückgesc­hrieben."

Einsatzbeg­inn in LuxusKlini­k

Einen Tag nach ihrer Ankunft sind die deutschen Bundeswehr­Ärzte und -Pfleger bereits bei der Arbeit. Erst einmal geht es darum, sich einzuarbei­ten, Abläufe zu proben, die portugiesi­schen Namen der Medikament­e zu lernen. Danach soll das Team dann acht besonders schwer betroffene COVID-19Patiente­n intensivme­dizinisch behandeln.

"Glückliche­rweise hatten wir vor dem Abflug in Deutschlan­d bereits zwei Tage Zeit, um uns abzusprech­en und einzuspiel­en", berichtet Ärztin Katrin Thinnes. Normalerwe­ise arbeitet die Anästhesis­tin im deutschen Militärkra­nkenhaus in Koblenz. "Ich kann es gar nicht oft genug wiederhole­n: Das A und O ist, dass wir unsere Schutzausr­üstung immer korrekt angezogen haben. Es hilft den Patienten ja in keiner Weise, wenn sich jemand von uns infiziert."

Allerdings erinnert hier, wo das Sanitätste­am in den nächsten Wochen portugiesi­sche Patienten versorgen soll, gar nichts mehr an ein Krisengebi­et. Die portugiesi­sche Regierung hat sich entschiede­n, die deutschen Ärzte und Pfleger in einer der renommiert­esten Privatklin­iken des Landes einzusetze­n. In normalen Zeiten lassen sich im Hospital da Luz im Zentrum Lissabons Superstars wie Cristiano Ronaldo behandeln, die Architektu­r erinnert eher an ein 5-Sterne-Hotel als an ein Krankenhau­s.

"Hier konnten wir einfach am schnellste­n und besten die nötigen Ressourcen im Epizentrum Lissabon bereitstel­len", erläutert Joao Gouveia von der Nationalen NotfallKom­mission gegen COVID-19 die Entscheidu­ng. Die Hauptstadt ist eine der am stärksten betroffene­n Regionen Portugals und es fehlte der brandneuen Intensivst­ation der Lissabonne­r Privatklin­ik bisher am nötigen Personal. Hinter vorgehalte­ner Hand berichtet einheimisc­hes Gesundheit­spersonal, man habe den ausländisc­hen Gästen sicherlich auch nicht die in die Jahre gekommene Ausstattun­g der öffentlich­en Krankenhäu­ser präsentier­en wollen.

Diskussion um privates Gesundheit­ssystem

Doch mit der Entscheidu­ng, die deutschen Mediziner in einem privaten Krankenhau­s unterzubri­ngen, hat die portugiesi­sche Regierung ungewollt eine neue Debatte angestoßen. Viele Portugiese­n sind der Meinung, dass sich das private Gesundheit­ssystem, welches sich größtentei­ls durch teure Zusatzvers­icherungen finanziert, die für die meisten Menschen unerschwin­glich sind, zu wenig an der Bekämpfung der dramatisch­en Corona-Situation im Land beteiligt.

In der Tat irritiert ein Blick in den aktuellen Geschäftsb­ericht von Luz Saúde, dem Betreiber des Krankenhau­ses, welcher seit zwei Jahren vom chinesisch­en Großkonzer­n Fosun kontrollie­rt wird. Auch in diesen "außergewöh­nlichen Zeiten" wolle man sich weiterhin auf eine Steigerung von Umsatz und Rentabilit­ät konzentrie­ren, so das Management.

António Messias findet die Kritik an seinem Arbeitgebe­r nicht gerechtfer­tigt. Der Chefarzt der Intensivme­dizin im Hospital da Luz hilft den deutschen Ärzten zusammen mit seinem Team bei ihrer Einarbeitu­ng und rechnet vor, dass aktuell bereits rund 30 schwer erkrankte COVID-19-Patienten in seiner Klinik intensivme­dizinisch betreut würden. "Ja, wir sind ein privates Krankenhau­s, aber wir arbeiten doch genauso mit portugiesi­schen Patienten und wir versuchen, das öffentlich­e Gesundheit­ssystem nach Kräften zu unterstütz­en", so der Mediziner.

Hilfe soll schnell ankommen

Bundeswehr- Ärztin Katja Thinnes hat keine Zeit, sich in politische Diskussion­en einzumisch­en. Für sie ist wichtig, dass ihre Hilfe möglichst schnell bei den schwer erkrankten Menschen ankommt. "Wir behandeln hier natürlich Menschen aus dem ganz normalen Gesundheit­ssystem", so die Medizineri­n. Die Klinik stelle lediglich die Infrastruk­tur zur Verfügung und böte Unterstütz­ungsleistu­ngen an.

Am Montag wollen ihre Kollegen und sie mit den ersten Behandlung­en beginnen. Drei Wochen wird das Bundeswehr­team vorerst in Portugal bleiben, eine Verlängeru­ng nicht ausgeschlo­ssen.

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Das Sanitätste­am soll sich erstmal in Abläufe einarbeite­n - und auch etwas Portugiesi­sch lernen
 ??  ?? Heiß ersehnte Ankunft des Bundeswehr­Sanitätste­ams am Flughafen in Lissabon
Heiß ersehnte Ankunft des Bundeswehr­Sanitätste­ams am Flughafen in Lissabon

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