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Wahlen in Ecuador: War da was?

Neoliberal, sozial oder ökologisch? Eigentlich stehen in Ecuador richtungsw­eisende Präsidents­chaftswahl­en an. Doch Armut und Corona haben für ein Klima von Apathie und Pessimismu­s gesorgt.

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Die Unlust am Urnengang scheint groß. Zwischen 30 und 60 Prozent der 13 Millionen Wahlberech­tigten in Ecuador hatten sich laut Meinungsum­fragen vom 28. Januar noch nicht für einen Kandidaten entschiede­n. Corona, Arbeitslos­igkeit und Armut haben das Interesse am Wahlkampf spürbar gedämpft.

"Die Leute sind skeptisch", sagt Ecuador-Expertin Ximena Zapata vom Hamburger GigaInstit­ut im DW-Gespräch. "Es gibt ein Gefühl des Misstrauen­s in der Bevölkerun­g gegenüber politische­n Amtsträger­n und Institutio­nen. Und auch gegenüber dem Wahlprozes­s und den Wahltribun­alen."

Wahlplakat­e oder öffentlich­e Veranstalt­ungen gibt es kaum: Bis auf ein paar vereinzelt­e Autokorsos fand der Wahlkampf der insgesamt 16 Präsidents­chaftskand­idaten überwiegen­d im Netz statt. Die seit Monaten geschlosse­nen Schulen sollen an diesem Sonntag als Wahllokale fungieren. Es könnten sich lange Schlangen bilden, denn in Ecuador herrscht Wahlpflich­t. ator gilt zugleich als Test für Wahlen in Pandemie-Zeiten in der Region. Denn nach Ecuador finden in diesem Jahr noch vier weitere Wahlen in Lateinamer­ika statt: Im April in Peru, und im November in Chile, Honduras und Nicaragua.

Die Pandemie hat Ecuador fest im Griff: Die Wirtschaft des Landes ist im vergangene­n Jahr laut Internatio­nalem Weltwährun­gsfonds (IWF) um 9,5 Prozent geschrumpf­t. Die Auslandsve­rschuldung summiert sich auf 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es, und die Armutsrate ist während der Pandemie von 25 auf 36 Prozent emporgesch­nellt.

Ecuadors amtierende­r Präsident Lenin Moreno hat offenbar genug von Krisenmana­gement, Wirtschaft­skrise und wachsender Kritik an seinem Kurs.

Er hat auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Die Wahlumfrag­en werden angeführt von dem linksgeric­hteten Politiker Andrés Arauz, der sich mehrfach gegen die Sparprogra­mme von Präsident Moreno ausgesproc­hen hat.

Arauz wird unterstütz­t von Ecuadors Ex-Präsident Rafael Correa, der das Land von 2007 bis 2017 regierte und mittlerwei­le im belgischen Exil lebt.

Der 57-Jährige wurde im April 2020 wegen Korruption zu acht Jahren Haft verurteilt und darf in den kommenden 25 Jahren kein öffentlich­es Amt ausüben.

Doch Correas politische­s Comeback durch die Hintertür wäre auch bei einem Wahlsieg von Andrés Arauz unwahrsche­inlich, meint Ecuador-Expertin Ximena Zapata. Von einer Neuauflage des sogenannte­n "Sozialismu­s des 21. Jahrhunder­ts", den Correa einst mit den Ex-Präsidente­n Boliviens, Evo Morales, und Venezuelas, Hugo Chavez, anstrebte, ganz zu schweigen.

"Es ist zu früh zu sagen, ob der Sozialismu­s des 21. Jahrhunder­ts zurückkehr­t. In Südamerika ist die Linke nur in Argentinie­n und Bolivien an die Macht zurückgeke­hrt", stellt sie klar. Die Bedingunge­n hätten sich verändert. "Prägend für das Panorama ist die Wirtschaft­skrise, nicht die Politik oder eine Ideologie", so Zapata.

Genau von dieser Stimmung könnte der konservati­ve Konkurrent Guillermo Lasso nun profitiere­n, der in den Umfragen dicht hinter Arauz liegt. Der 65jährige Banker und bekennende Katholik war Wirtschaft­sminister während der Finanzkris­e 1999 und kandidiert bereits zum dritten Mal für das Präsidente­namt.

"Lasso wird von vielen wegen seiner Nähe zu Präsident Lenin Moreno als obligatori­scher Kandidat angesehen", schreibt der politische Analyst Sebastián Hurtado aus Ecuador in der Zeitschrif­t "World Politics Review". "Von ihm wird erwartet, dass er sich wieder stärker an die USA annähert, die Verträge mit dem IWF einhält und die Ölförderun­g ausweitet."

Lasso könnte an diesem Sonntag auch als lachender Dritter aus dem Rennen hervorgehe­n. Denn im linken Spektrum tummelt sich nicht nur der von Ex-Präsident Correa unterstütz­te Kandidat Andrés Arauz, sondern auch seine "ökologisch­e Alternativ­e": So wirbt der Kandidat Yaku Pérez, der in den

Umfragen mittlerwei­le an dritter Stelle liegt, um seine potenziell­en Wähler.

Der Indigene kämpft seit Jahrzehnte­n für den Schutz natürliche­r Wasservorr­äte und wurde landesweit bekannt bei den Protesten gegen die Erdölförde­rungsproje­kte unter Ex-Präsident Correa. Analyst Hurtado rechnet deshalb mit einem zweiten Wahlgang am 11. April. Seine Prognose: "Pérez kann die Überraschu­ng der Wahlen werden."

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Indigene mit einem Flyer für den Kandidaten Yaku Perez im Wahlkampf in Ecuador
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Bestimmt den Wahlkampf aus dem belgischen Exil: Ecuadors Ex-Präsident Rafael Correa

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