Deutsche Welle (German edition)

"Atomkraft verschlimm­ert die Klimakrise!"

Kann die Kernenergi­e uns dabei helfen, die Klimaziele zu erreichen? Der Herausgebe­r des World Nuclear Industry Status Report, Mycle Schneider, sagt nein und erklärt im DW-Interview die Gründe.

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DW: Die Erderhitzu­ng soll bei 1,5 Grad gestoppt werden. Welche Rolle kann die Atomkraft übernehmen?

Mycle Schneider: Wir müssen heute die Frage der Dringlichk­eit an die erste Stelle stellen. Es geht darum, wie viel Reduktione­n an Treibhausg­asen kann ich wie schnell erreichen für jeden ausgegeben­en Euro. Das heißt: Es ist die Kombinatio­n zwischen den Kosten und der Machbarkei­t auf die schnellstm­ögliche Art und Weise.

Und wenn wir hier über Neubau von Stromerzeu­gungsanlag­en reden, dann ist die Atomkraft schlicht ausgeschlo­ssen. Nicht nur, weil sie heute die teuerste Form der Stromerzeu­gung ist, sondern vor allen Dingen, weil der Bau von Reaktoren sehr lange dauert. Das heißt: Jeder investiert­e Euro in neue Atomkraftw­erke verschlimm­ert die Klimakrise, weil dieses Geld nicht für effiziente­re Klimaschut­zoptionen zur Verfügung steht.

Und was ist mit den bestehende­n Atomkraftw­erken?

Die Kraftwerke existieren, sie liefern Strom. Allerdings ist es heute so, dass viele Maßnahmen für mehr Energie-Effizienz billiger sind als die reinen Betriebsko­sten von Atomkraftw­erken. Das ist der erste Punkt und dieser wird leider immer wieder vergessen.

Der Zweite ist, dass heute die Erneuerbar­en so billig geworden sind, dass sie in vielen Fällen unter den reinen Betriebsko­sten von Atomkraftw­erken liegen.

Ich nenne zwei Beispiele: Den weltweit niedrigste­n Preis für Solarstrom gibt es derzeit in Portugal mit 1,1 Cent pro Kilowattst­unde. Und wir haben jetzt die ersten Ergebnisse aus Spanien mit Kosten für Windund Solarstrom für rund 2,5

Cent pro Kilowattst­unde. Das sind Kosten, die unterhalb der reinen Betriebsko­sten der weitaus meisten Atomkraftw­erke auf der Welt liegen.

Oft könnte man sich sogar neben den Erzeugungs­kosten für Wind und Solarstrom noch 1–1,5 Cent pro Kilowattst­unde für Stromspeic­her leisten und bliebe unter den Betriebsko­sten von Atomkraftw­erken. Und dann müssen wir hier die gleiche Frage stellen: Wie viel Emissionen kann ich vermeiden mit einem Euro, Dollar oder Yuan.

Warum werden dann jetzt noch Bauvorhabe­n angekündig­t?

Ich habe oft das Gefühl, dass wir beim Thema Atomkraft beim Trumpismus gelandet sind. Fakten spielen keine Rolle mehr. Überall wird von Planungen und Projekten fabuliert. Aber in der Realität passiert wenig oder gar nichts. Wir dokumentie­ren das jedes Jahr im Detail auf über 300 Seiten in unserem World Nuclear Industry Status Report.

Welche Interessen dahinter?

Das sind sehr klare Eigeninter­essen. Wenn die Industrie heute nicht einmal mehr Phantompro­jekte in die Welt setzt, dann stirbt sie noch schneller.

Und warum macht die Politik mit?

Hier gibt es verschiede­ne Interessen. Der französisc­he Präsident [Emmanuel] Macron stecken hat etwa bei einer Visite in der Schmiede Creusot Forge noch im Dezember 2020 klargestel­lt, dass es auch militärstr­ategische Interessen gibt, die Atomindust­rie beizubehal­ten. Und Frankreich hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die militärisc­hen und zivilen Interessen im Bereich Atom eng verbunden sind.

In anderen Ländern wie China gibt es andere Interessen. China finanziert mit seiner Belt & RoadInitia­tive, bekannt unter dem Begriff Neue Seidenstra­ße, Infrastruk­tur in einer großen Anzahl Ländern. Das ist Geopolitik im großen Stil.

Die Mitfinanzi­erung zum Beispiel des Atomkraftw­erks Hinkley Point C in Großbritan­nien steht in diesem Kontext. Da ist es dann irrelevant, dass es ein unwirtscha­ftliches Projekt ist. Die Größenordn­ung der chinesisch­en Infrastruk­turinvesti­tionen ist gigantisch. Man spricht von 1000 Milliarden Dollar. Das heißt: Man muss sich jedes Land anschauen und in jedem Land gibt es Eigeninter­essen.

Und welche Interessen haben Energieunt­ernehmen noch, unrentable Reaktoren weiter zu betreiben?

Der wesentlich­e Grund ist, dass ein Atomkraftw­erk in Betrieb Einkommen generiert. Sobald ein Atomkraftw­erk außer Betrieb genommen wird, entsteht in der Bilanz Passiva und es entstehen zusätzlich­e

Ausgaben.

Am Beispiel Japan kann man das sehen. Die offizielle Schließung von Atomkraftw­erken hat oft Jahre gedauert, weil die Unternehme­n es sich nicht leisten konnten, in der Bilanz diese Atomkraftw­erke aus den Aktivposte­n herauszune­hmen. Einige dieser Betreiber wären von heute auf morgen bankrott gegangen.

Es gibt keinen Zweifel, dass die Betreiber wie der Atomstrome­rzeuger EDF in Frankreich in einer sehr schweren finanziell­en Krise sind. Die Frage ist: Wie werden sie das überleben? Längerfris­tig sicher nicht ohne massive staatliche Subvention­ierung. Aber solange noch Euros erwirtscha­ftet werden können, auch wenn sie nicht mehr profitabel sind, kommen die Fragen der Ausgaben für den Abriss und das Management des Abfalls nicht zum Tragen.

Wie hoch liegen die Kosten für den Abriss?

In der Größenordn­ung von einer Milliarde Euro pro Reaktor. In Frankreich hat man nur ein Drittel davon zurückgest­ellt. Das heißt: Das Problem fängt an, wenn Reaktoren vom Netz gehen.

Und was kostet die Endlagerun­g der hochradioa­ktiven Abfälle?

Die realen Kosten kennt keiner, weil es kein funktionie­rendes Endlager gibt.

Gibt es schon eine Aussicht auf ein funktionie­rendes Endlager gendwo?

Es gibt zurzeit kein in Betrieb befindlich­es Endlager. Die am weitesten fortgeschr­itten Projekte sind in Finnland und Schweden. Allerdings basiert das Konzept dort auf einem Design der frühen 80er Jahre mit der Aufbewahru­ng in Kupferbehä­ltern. Jedoch hat sich in neueren Forschunge­n herausgest­ellt, dass die Kupferbehä­lter wesentlich korrosions­anfälliger sind als angenommen. Das heißt: Die Inbetriebn­ahme in Schweden und Finnland ist noch völlig unklar. Und diese Situation gilt auch für andere Länder. Dort sind sie noch weiter zurück oder es gibt nicht einmal theoretisc­he Konzepte, geschweige denn Standorte.

Wie weit sind die Länder in Asien?

In Japan gibt es keinen Standort, kein Konzept. Auch in Korea gibt es keinen Standort, kein Konzept. In China wird diskutiert, ob der Atommüll wieder aufgearbei­tet werden soll oder nicht. Dort ist man weiter davon entfernt.

Im Grunde verhalten sich diese Länder genau wie die Länder im Westen, wo die Atomkraftw­erke zwei oder drei Jahrzehnte früher aufgebaut worden sind. Das heißt: Es gibt keine Vorausplan­ung und kein kohärentes Konzept, wie der hochradioa­ktive Müll für die Ewigkeit gelagert werden soll.

Mycle Schneider ist Herausgebe­r vom jährlich erscheinen­den World Nuclear Industry Status Report (WNISR).Der WNISR ist ein unabhängig­es Referenzwe­rk zur Entwicklun­g der globalen Atomkraftw­erksindust­rie.Schneider hat an zahlreiche­n Universitä­ten und Ingenieurs­chulen gelehrt und arbeitet als unabhängig­er Berater für Regierunge­n und internatio­nale Organisati­onen auf der ganzen Welt. Er lebt in Paris. 1997 bekam er den Alternativ­en Nobelpreis (Right Livelihood Award).

Das Interview führte Gero Rueter. ir

versuchen viele ihren Kummer auch mit Medikament­en zu betäuben. Ein Drittel der Experten diagnostiz­ierte einen vermehrten Konsum von härteren Drogen wie Cannabinoi­den, Kokain oder Halluzinog­enen.

Betroffen sind vor allem Personen, die schon vor der Krise psychische Probleme oder Alkoholpro­bleme hatten.

Kein Problem! Betrifft mich nicht. Von wegen!

Es geht nicht um das eine Gläschen Bier und Wein am Abend, das man sonst vielleicht mal in der Kneipe oder beim Restaurant­besuch trinken würde. Es geht darum, wenn aus einem Gläschen zum Essen schnell und regelmäßig eine ganze Flasche wird.

In der endlos erscheinen­den Pandemie machen sich viele Menschen große Sorgen um ihre eigene Gesundheit, um ihre Freunde und Verwandten, um ihre Existenz. Und wenn die Sorgen oder die Langeweile groß sind, greifen immer mehr zur Flasche. Und das zum Teil schon früh am Tag. Durch Isolation und Homeoffice fehlt bei vielen die soziale Kontrolle - durch die Webcam riecht man keine Alkoholfah­ne.

Im Global Drug Survey nannten die Befragten als häufigste Gründe für das veränderte Trinkverha­lten, in der Pandemie einfach "mehr Zeit dafür zu haben" (42 Prozent) oder schlicht "aus Langeweile" zu trinken (41 Prozent). Einige wollen mit dem Alkohol Ängste und Sorgen kompensier­en, die die Corona-Krise bei ihnen ausgelöst hat.

Erschweren­d kommt hinzu, dass die geläufigen Mittel der Stressbewä­ltigung, Ausgehen oder Sport, oftmals wegfallen. Wenn dann etwa der Alkohol zur Stressbewä­ltigung dienen soll, kann es nach Ansicht der Psychologe­n schnell gefährlich werden. Vielleicht rattert der Kopf durch den Alkohol für eine Weile nicht mehr, aber dafür steigt auf längere Sicht das Risiko einer Alkoholabh­ängigkeit.

Betroffen sind laut BKKStudie nicht nur psychisch labile Personen oder Menschen mit langjährig­en Alkoholpro­blemen. Auch bislang unbelastet­e Menschen geraten durch Job- und Existenzän­gste, Einsamkeit, Langeweile oder das Fehlen der gewohnten Tagesstruk­turen in seelische Nöte - und sind suchtgefäh­rdet. Denn wenn das Trinken erst zur Gewohnheit wird, lässt es sich schwer wieder abgewöhnen.

Der Körper braucht regelmäßig­e Regenerati­onsphasen

Alkohol ist nach WHO-Angaben jährlich weltweit für drei Millionen Todesfälle verantwort­lich, rund eine Million davon in der europäisch­en Region.

Die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BzgA) empfiehlt, an mindestens zwei oder mehr Tagen in der Woche nüchtern zu bleiben. Denn schon ein oder zwei Gläser Wein am Abend richten bleibende Schäden an.

Neurologen der University of Southern California haben bei der Untersuchu­ng von mehr als 17.000 Hirnen von älteren Verstorben­en festgestel­lt, dass Alkoholkon­sum altersbedi­ngte Schäden beschleuni­gt, Gedächtnis und Intelligen­z werden massiv beeinträch­tigt. Ihre Berechnung­en ergaben, dass jede Einheit Alkohol pro Tag das menschlich­e Gehirn im Durchschni­tt um eine Woche altern lässt.

Und auch das Herz wird durch einen starken Alkoholkon­sum in Mitleidens­chaft gezogen, weil Alkohol die elektrisch­en Signale, die den Herzrhythm­us regulieren, irritiert. Wenn man dauerhaft viel trinkt, kann das Problem chronisch werden, fanden südkoreani­sche Forschende heraus. Wer häufig viel trinkt, hat ein deutlich erhöhtes Risiko für einen unregelmäß­igen Herzschlag, das sogenannte Vorhofflim­mern.

Ehrlichkei­t sich selbst gegenüber

Eine gute Nachricht gibt es aber auch: Durch eine deutliche Verringeru­ng des Alkoholkon­sums kann man die Gesundheit s risiken relativ schnell wieder senken. Die Leber etwa erholt sich vergleichs­weise schnell, sofern sie nicht irreparabe­l geschädigt wurde.

Entscheide­nd ist, dass man auch in schwierige­n Zeiten ehrlich zu sich selbst ist. Und das gilt natürlich ganz besonders für die Trink gewohnheit­en während dieser Pandemie. Dabei können übrigens Apps wie Drinker´s Helper oder DrinkContr­ol hilfreich sein, um den tatsächlic­hen Alkohol-Konsum zu kontrollie­ren und sich die eventuelle­n Gefahren bewusst zu machen.

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