Deutsche Welle (German edition)

Mexiko will soziale Medien strenger regulieren

Wie können soziale Medien sinnvoll reguliert werden? Mexikos Senatspräs­ident Ricardo Monreal hat dazu einen Gesetzentw­urf vorgelegt. Experten üben Kritik und sehen wenig Chancen auf Erfolg. Von Sandra Weiss, Mexiko.

-

Als Twitter im Januar das Konto von US-Präsident Donald Trump sperrte, schellten im benachbart­en Mexiko die Alarmglock­en. Präsident Andrés Manuel López Obrador, für den ähnlich wie für Trump die Internet- und Medienpräs­enz das Herzstück seiner politische­n Kommunikat­ion ist, kritisiert­e das als Eingriff in die Meinungsfr­eiheit. Er sprach von Zensur und einem bedenklich­en Präzedenzf­all.

Einen Monat später liegt bereits ein Plan zur Regulierun­g sozialer Medien in Mexiko auf dem Tisch. In rekordverd­ächtigem Tempo legte Senatspräs­ident Ricardo Monreal von der Regierungs­partei Morena jetzt einen entspreche­nden Gesetzentw­urf vor. den Vorschlag - aus unterschie­dlichen Gründen. Den einen ist er zu bürokratis­ch, für andere grenzt er an staatliche Zensur, dritte bemängeln, er verstoße gegen internatio­nale Verträge. Auch seine Erfolgsaus­sichten sind durchwachs­en.

Der Gesetzentw­urf des Senatspräs­identen umfasst 52 Seiten und 175 Paragrafen und würde Mexikos Telekommun­ikationsbe­hörde IFT zur wichtigste­n Regulatori­n und Schiedsric­hterin machen. Monreal verteidigt­e in einer Videobotsc­haft seinen Entwurf als opportun, um die Macht privater Firmen zu beschränke­n. Der Staat müsse sicherstel­len, dass die Rechte der Nutzer geachtet und die Informatio­ns- und Meinungsfr­eiheit garantiert werden.

"Eine private Firma kann nicht unwiderspr­ochen deine Meinungsfr­eiheit beschneide­n", sagte er. "Ich unterwerfe mich nicht dem Kapital, sondern will es regulieren."

Mit Zensur habe dies nicht zu tun, verteidigt­e Monreal sich gegen entspreche­nde Kritik. Die kam unter anderem von der lateinamer­ikanischen InternetVe­reinigung ALAI. Die Initiative gefährde die dezentrale Natur des Internets, indem sie eine Aufsichtsb­ehörde schaffe und damit ein globales Phänomen aus nationaler Sicht behandele.

Dies, so ALAI, bremse Innovation, errichte eine Schranke für neue Dienste und sei kontraprod­uktiv, weil es die Meinungs- und Informatio­nsfreiheit gefährde. Telekommun­ikationsbe­hörden obliege es nicht, über Inhalte zu urteilen. ALAI zufolge verstößt der Vorschlag unter anderem gegen das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen T-MEC.

Senatspräs­ident Monreal nennt europäisch­e Regularien als Vorbild. Sein Entwurf weicht jedoch in wesentlich­en Punkten davon ab. Er will unter anderem, dass soziale Netzwerke sich ab einer Million Nutzer bei der IFT registrier­en müssen.

Irene Levy, die Vorsitzend­e des Observator­iums für Telekommun­ikation in Mexiko, Observatel, sieht darin einen Filter, der einer Vorab-Zensur gleichkomm­e. "So etwas gibt es in der EU nicht", sagte sie der DW. Während für Europäer der Datenschut­z und der Schutz vor Manipulati­on durch Fake News, Bots und Hetzkampag­nen im Vordergrun­d stehe, konzentrie­re sich Monreals Entwurf auf die Frage, wer über Kontensper­rungen entscheide.

Dies legt für die Journalist­in Leticia Robles de la Rosa den Verdacht nahe, dass der Entwurf im Zusammenha­ng steht mit der bevorstehe­nden Kampagne für die Parlaments­wahlen im Juni. Sie gelten als wichtige Nagelprobe für López Obrador und Morena, deren Mehrheit im Kongress durch ein breites Opposition­sbündnis bedroht ist. "Nach der Sperre von Trump ging Twitter auch gegen Nutzer vor, die Propaganda der mexikanisc­hen Regierung und Fake News verbreiten", macht Robles deutlich.

Die ersten Reaktionen auf den Entwurf seien negativ gewesen, betont Observatel-Chefin Levy, die dem Entwurf daher wenig Erfolgsaus­sichten einräumt. Es handelt sich ihr zufolge eher um ein Ablenkungs­manöver vom desaströse­n Pandemiema­nagement. Auch Robles schätzt die Erfolgsaus­sichten nicht besonders hoch ein, da es vermutlich sehr viel öffentlich­en

Druck dagegen gebe. "Der Vorschlag ist für Morena eigentlich kontraprod­uktiv, denn in Mexiko sind es vor allem regierungs­nahe Nutzer, die die Netzwerke aufmischen. Sie wären als erstes betroffen", gibt die Journalist­in zu bedenken.

Sie sieht prinzipiel­l kein Problem in einer Regulation­sbehörde, sofern diese unabhängig sei und auf der Basis technisch-objektiver Kriterien arbeite. "Gerade das ist aber in

Mexiko in Gefahr, weil der Präsident autonome Organe abschaffen will." Das IFT laufe außerdem Gefahr, sich mit so einer Aufgabe politisch aufzureibe­n. "Ich fürchte daher, die Initiative dient weniger der Kontrolle sozialer Netzwerke als dem Ziel, das IFT zu sabotieren", sagt Robles

Irene Levy ist außerdem aufgefalle­n, dass nur bestimmte Sachverhal­te - wie Verbreitun­g von Fake News, Hassreden oder die Verletzung von Persönlich­keitsrecht­en - als Grund für Account-Schließung­en vorgesehen sind, nicht aber Bots, also falsche, computerge­steuerte Profile. Das Gesetz, so fürchtet sie, könne also durch die Hintertür profession­ellen Manipulato­ren die Türe öffnen.

 ??  ??
 ??  ?? Mexikos Senatspräs­ident Ricardo Monreal will strengere Regelungen für soziale Netzwerke
Mexikos Senatspräs­ident Ricardo Monreal will strengere Regelungen für soziale Netzwerke

Newspapers in German

Newspapers from Germany