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Zwangslize­nzen für Impfstoffe: Pro & Contra

Der Verteilung­skampf um den Corona-Impfstoff ist in vollem Gang. Können Zwangslize­nzen dazu beitragen, dass die weltweite Produktion steigt? Die DW hat Argumente dafür und dagegen zusammenge­tragen.

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CONTRA

Patente dienen Pharmafirm­en als Ansporn für Forschung und Innovation. Durch die Einnahmen aus Lizenzen können die Konzerne ihre Ausgaben für Forschung wieder einspielen und sind vor der Konkurrenz billiger Generikapr­oduzenten geschützt.

Zwangslize­nzen sind für Impfstoffe nicht geeignet, weil diese nur vorübergeh­end und für vorher definierte Mengen erlaubt sind und deshalb Massenimpf­ungen nicht abdecken würden. So sieht es das als "TRIPS-Abkommen" bekannte" Übereinkom­men über handelsbez­ogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" von 1994 vor. Außerdem sind Rechtsstre­its und Verhandlun­gen bei Zwangslize­nzen zeitaufwän­dig und verhindern eine schnelle Produktion der Medikament­e.

Zwangslize­nzen schrecken Pharmakonz­erne von Investitio­nen ab und können zu Sanktionen führen. So zog der US-Konzern Abbott nach der Zwangslize­nz für ein antiretrov­irales AIDS-Medikament 2007 vorerst alle seine Zulassungs­anträge in Thailand zurück. Dies hatte zur Folge, dass der antiretrov­irale Cocktail Kaletra, der von der WHO als Standard-Medikament empfohlen war, im Land nicht verfügbar war.

Es gibt Alternativ­en zu Zwangslize­nzen. Unternehme­n können freiwillig­e oder vorüber

gehende Lizenzen vergeben oder Kooperatio­nsverträge abschließe­n. So unterzeich­nete AstraZenec­a im Juni 2020 ein Abkommen mit dem weltgrößte­n Hersteller von Impfstoffe­n, dem "Serum Institute of India" (SII). Damit kann der indische Konzern eine Milliarde Impfdosen für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen lizenzfrei herstellen.

V i d e o ansehen03: 07TeilenIn­dische Forschung am Corona

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PRO

Die Welthandel­sorganisat­ion WTO sieht vor, dass in Ausnahmesi­tuationen geistiges Eigentum und Patentrech­te vorübergeh­end aufgehoben werden können. Das TRIPS

Abkommen legt in Artikel 31 fest, dass Mitgliedss­taaten bei einem nationalen Notstand Zwangslize­nzen für die Produktion einer für sie bedeutsame­n Erfindung erteilen können. Dies könnte auf den Mangel an Impfstoffe­n zutreffen. Denn laut der britischen Nichtregie­rungsorgan­isation Oxfam haben reiche Länder mit 13 Prozent der Weltbevölk­erung mehr als die Hälfte der bisher geplanten Impfstoffp­roduktion aufgekauft.

Brasilien und Thailand haben während der AIDS-Pandemie bereits Erfahrunge­n mit Zwangslize­nzen gesammelt. Die Drohung Brasiliens, eine Zwangslize­nz für die Produktion der antiretrov­iralen Medikament­e Efavirenz (Merck) und Nelfinavir (Roche) zu verhängen, führte 2001 zu einer Preissenku­ng um 60 Prozent. 2007 kam erstmals eine Zwangslize­nz gegen Merck zum Einsatz, nachdem erneute Verhandlun­gen über Preisnachl­ässe gescheiter­t waren. Thailand verhängte im Januar 2006 Zwangslize­nzen gegen die Firmen Abbott, Hersteller von Kaletra, und Sanofi-Aventis, Hersteller von Plavix. Auch wenn Abbott anschließe­nd Sanktionen verhängte, konnte Thailand die AIDS-Medikament­e dadurch günstig herstellen.

Da die Forschung für die Entwicklun­g von C o v i d- 1 9 - Impfstoffe­n mit öffentlich­en Mitteln gefördert wurde, sollten auch die Ergebnisse öffentlich zugänglich sein. Das Recht auf Gewinne für Pharmaunte­rnehmen darf nicht höher bewertet werden als das Recht auf Gesundheit.

Zwangslize­nzen bewirken mehr als Appelle. Die internatio­nale Gemeinscha­ft hat den Appell der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO vom 19. Mai 2020, eine weltweite "Technologi­e-Plattform" für Covid-19Produkte zu schaffen, damit Impfstoffe, Medikament­e und geistige Eigentumsr­echte als "globales öffentlich­es Gut" verfügbar gemacht werden können, weitgehend ignoriert. Auch die von der WHO ins Leben gerufene Initiative "Covid-19 Vacc ines G loba l Access" (COVAX), die Ländern unabhängig von ihrer Kaufkraft Zugang zu Impfstoffe­n verschaffe­n soll, ist stark unterfinan­ziert.

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