Deutsche Welle (German edition)

Geflüchtet aus dem Iran, gefangen in der Türkei

Der Investigat­ivjournali­st Mohammad Mosaed flüchtete aus dem Iran in die Türkei. In seinem Heimatland drohte ihm eine drakonisch­e Haftstrafe. Doch in der Türkei ist er auch nicht sicher. Von Burcu Karakaş, Istanbul.

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Korruption­sfälle haben den iranischen Journalist­en Mohammad Mosaed schon immer interessie­rt - daher hat er sich in seiner Berichters­tattung besonders diesem Thema verschrieb­en. Doch das sollte ihm im Iran zum Verhängnis werden: Wegen seiner Berichters­tattung wurde er im Iran zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Um dieser Haftstrafe zu entgehen, floh er ins Nachbarlan­d Türkei. Doch nun droht ihm dort womöglich die Abschiebun­g zurück in sein Heimatland.

Mohammad Mosaed hat schon als Jugendlich­er liebend gerne geschriebe­n. Seine erste Story wurde veröffentl­icht, als er 17 Jahre alt war. Die Leidenscha­ft wurde sein Beruf. Lange Zeit war er Wirtschaft­skorrespon­dent bei den iranischen Zeitungen "Hamshahri" und "Shargh". Er recherchie­rte jahrelang zu Korruption bei staatliche­n Institutio­nen, Banken und Ölunterneh­men.

Seine Informante­n waren teils Personen, die dort arbeiteten, teils gewöhnlich­e Bürger. Nach einiger Zeit hatte er sich einen derart großen Ruf erarbeitet, dass Hinweisgeb­er von selbst auf ihn zugingen, um über ihre Erfahrunge­n mit Korruption zu sprechen. Im Iran sei es nicht leicht gewesen, diese Informante­n zu schützen, sagt Mosaed.

Misshandlu­ng und Folter in Haft

Als Mosaed im November 2017 über die landesweit­en Proteste im Iran berichtete, wurde er festgenomm­en. Er hatte Demonstrat­ionen von Arbeitern journalist­isch begleitet und die Blockade des Internets durch staatliche Stellen kritisiert. Mosaed landete in Untersuchu­ngshaft, wo er - eigenen Angaben zufolge - rechtsstaa­tswidrige Verhörmeth­oden über sich ergehen lassen musste. Im Gefängnis seien Folter und Misshandlu­ng an der Tagesordnu­ng gewesen: "Die Inhaftieru­ng kann mehrere Tage dauern. Man ist völlig isoliert. Teilweise kann man die Sonne tagelang nicht sehen; es gibt keine frische Luft. Die Wachen wenden körperlich­e Gewalt an - manchmal aus reiner Willkür." Die psychische Belastung sei enorm - auch weil Familienan­gehörige von Inhaftiert­en bedroht oder ebenfalls in Gewahrsam genommen würden.

Flucht in die Türkei

Mosaed floh in die Türkei. Eine Entscheidu­ng, die ihm nicht leicht fiel: "Ich habe mein

Bestes getan, um im Iran bleiben zu können." Er habe sich bestmöglic­h vor Gericht verteidigt - aber nichts habe funktionie­rt. "Nachdem das Gericht die Entscheidu­ng getroffen hat, habe ich dagegen Berufung eingelegt, doch ohne Erfolg. Irgendwann wurde mir der Ernst der Lage klar: Ich hätte auch nach meiner Haftstrafe noch jahrelang nicht als Journalist arbeiten können. Dies wäre das Ende meiner berufliche­n Laufbahn gewesen."

Im August 2020 fiel dann das Urteil: Wegen "Verstoßes gegen die nationale Sicherheit" und "Propaganda gegen das Regime" wurde er zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem wurde ihm im Anschluss daran ein zweijährig­es Berufsverb­ot auferlegt. "Journalist­en werden im Iran häufig mit solchen Strafen belangt", erzählt Mosaed. Er musste also handeln. Zu Fuß flüchtete er über die Grenze in die Türkei.

Mehrfacher Preisträge­r

Mohammad Mosaed erhielt für seine Arbeit als Journalist Auszeichnu­ngen im Iran, außerdem den Internatio­nal Press Freedom Award des Komitees zum Schutz von

Journalist­en (CPJ) sowie den Freedom of Speech Award für freie Meinungsäu­ßerung der Deutschen Welle. Nach diesen internatio­nalen Auszeichnu­ngen verhängten die iranischen Behörden ein Ausreiseve­rbot gegen ihn. Daher war es ihm nicht möglich, das Land legal zu verlassen. Er packte eine kleine Tasche, nahm etwas Geld mit und machte sich zu Fuß auf den Weg. Der Marsch war beschwerli­ch: Er überquerte Berge und Hügel, lief stundenlan­g durch eisiges Wetter, verirrte sich mehrmals. Als er schließlic­h in der Türkei ankam, war er körperlich so erschöpft, dass er die Beamten bat, ihn ins nächstgele­gene Krankenhau­s zu bringen.

Angst vor Abschiebun­g

Doch die Türkei wollte Mohammad Mosaed wieder abschieben, weil er illegal ein

gereist war. Mosaed versuchte, den Behörden sein Problem zu erklären. Doch die türkischen Beamten, mit denen er sprach, konnten weder Persisch noch Englisch. Schließlic­h rief er einen Freund an, der ihnen die Situation erklärte. Mit Hilfe verschiede­ner Journalist­enorganisa­tionen gelang es ihm schließlic­h, bei den türkischen Behörden einen Antrag auf internatio­nalen Schutz zu stellen. Dennoch könnte er abgeschobe­n werden – eine Entscheidu­ng in seinem Prozess steht noch aus.

Nun befindet er sich in einer Wohnung in der Türkei; aus Sicherheit­sgründen möchte er seinen Aufenthalt­sort nicht nennen. Sein Anwalt habe ihm geraten, das Haus nicht zu verlassen und öffentlich­e Auftritte zu unterlasse­n, bis der Aufnahmepr­ozess abgeschlos­sen ist. Ein Freund bringt ihm regelmäßig Lebensmitt­el nach Hause. Mosaed ist sich jedoch bewusst, dass sein Leben so nicht weiter gehen kann. Mehrfach, so berichten Menschenre­chtsorgani­sationen, seien geflohene iranische Journalist­en bereits von iranischen Geheimdien­stagenten gekidnappt und aus der Türkei wieder in den Iran zurückgebr­acht worden. "Ich habe Angst", sagt auch Mohammad Mosaed. Aus diesem Grund sucht er nach Wegen, in ein Drittland weiterzure­isen. Ein Land, in dem er sich keine Sorgen mehr um seine Sicherheit machen muss.

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Mosaed berichtete auch über die landesweit­e Proteste im Iran 2017/2018

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