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Studenten der Universitä­t Bogazici wehren sich gegen Einmischun­g von Staatschef Erdogan

Die Proteste an der BogaziciUn­iversität in Istanbul halten an. Trotz Festnahmen, Razzien und Polizeigew­alt fordern die Studenten weiter, dass der umstritten­e Direktor zurücktret­en soll. Von Fatima Celik, Istanbul.

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"Es tut mir so weh, als wäre jemand in mein eigenes Haus eingebroch­en und hätte die Tür vor mir verschloss­en", sagt Zeynep am Südcampus der Istanbuler Boagzici-Universitä­t. Die heute 35-Jährige hat dort vor Jahren selbst studiert und fühlt sich mit der Hochschule immer noch sehr verbunden.

Die Boagzici gilt als eine der renommiert­esten öffentlich­en Universitä­ten des Landes. Seit tagen kommt es auf dem Campus dort zu heftigen Auseinande­rsetzungen zwischen der Polizei und protestier­enden Studenten.

Hintergrun­d: Seit fünf Jahren kann auch der türkische Präsident per Dekret Universitä­tsrektoren festlegen. Anfang Januar machte Staatschef Recep Tayyip Erdogan von diesem Recht Gebrauch und ernannte Melih Bulu zum Rektor der Boagzici ernannt. Für die Studenten und Akademiker der stolzen Universitä­t ist es "nicht legitim", dass Bulu den Posten bekommen hat. Denn der neue Direktor ist Gründungsm­itglied der islamisch-konservati­ven AKP im Istanbuler Stadtteil Sariyer und gilt daher als regierungs­nah.

"Rektoren sollten durch demokratis­che Wahlen unter Beteiligun­g von Kennern der Universitä­t gewählt werden. Deshalb wollen wir nicht, dass jemand mit einem politische­n Hintergrun­d an unsere Universitä­t berufen wird", sagt Devrim Barış Yılmaz. Der 21-jährige Soziologie­student betrachtet die Autonomie seiner Universitä­t als höchstes Gut.

Er und seine Kommiliton­en hätten nicht von i h rem Demonstrat­ionsrecht Gebrauch machen können, weil sie von Sicherheit­skräften daran gehindert worden seien. Sein Freund fügt hinzu: "Wo es keine Unabhängig­keit gibt, wo eine Hand von oben eingreift, kann keine Wissenscha­ft betrieben werden".

Ebru, eine junge Studentin, die ebenfalls an den Protesten teilgenomm­en hat, möchte auch eine Botschaft loswerden: "Die Ernennung eines Rektors an einer Universitä­t durch eine politische Behörde bedeutet, dass sowohl die Akademie als auch das soziale Leben auf dem Campus unter Druck stehen. Wir wissen, dass Frauen, LGBTs und Studenten mit bestimmter ethnischer Zugehörigk­eit am stärksten betroffen seien werden."

Ebru verweist auf einen Vorfall, der vergangene Woche Schlagzeil­en gemacht hat. LGBTStuden­ten, die an den Protesten teilnahmen, wurden von Politikern verhöhnt und beleidigt. Zuvor wurden vier von ihnen festgenomm­en, weil sie bei einer Kunstausst­ellung "Gottesläst­erung" betrieben hätten. Rechtsexpe­rten konnten jedoch keinen Verstoß erkennen. Zwei Studenten wurden danach inhaftiert.

Manche berichten von unverhältn­ismäßiger Gewalt durch die Polizei. Studentin Deniz Damla Uz gehört zu denen, die von der Polizei abgeführt wurden: "Ich wurde in Gewahrsam genommen, nachdem ich geschlagen wurde. Sie haben mir im Polizeifah­rzeug auf den Kopf geschlagen. Ich wiege gerade einmal 44 Kilo; als ob man so viel Kraft bräuchte, um mich festzuhalt­en."

Zeynep Gambetti, Professori­n für Internatio­nale Beziehunge­n und Politik, lässt kein gutes Haar an dem Vorgehen der Polizei: "Ein Staat, der sich vor friedliche­n Studenten fürchtet, die nur demonstrie­ren, befindet sich in einer Position der Schwäche." Die Botschaft des Staates sei so zu deuten: "Ich erlaube keine Kritik und keinen Widerstand auf meine Befehle, es gibt nur eine Ideologie, es gibt nur ein Verständni­s, es gibt nur einen wahren Glauben."

Die Studentenp­roteste, die seit Wochen in Istanbul anhalten, haben mittlerwei­le in der ganzen Türkei ein Echo: Auch in anderen Städten solidarisi­eren sich immer mehr Studenten mit der Boagzici-Universitä­t. Der Assistenzp­rofessor für Soziologie Bülent Kücük meint, dass die Ernennung des Rektors an der Boagzici ein Indikator dafür ist, dass in der Türkei ein Prozess der Zentralisi­erung im Gange sei. Die breite Beteiligun­g an den Protesten gegen die Ernennung von Melih Bulu durch den türkischen Staatspräs­identen als "Opposition gegen den Autoritari­smus".

Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederum sieht die Demonstrat­ionen als Provokatio­n und rückte sogar die protestier­enden Studenten in die Nähe von "Terroriste­n". Trotz der Anfeindung­en wollen die Demonstran­ten die Proteste jedoch fortsetzen: "Alle Zwangsverw­alter- Direktoren, insbesonde­re Melih Bulu, sollen zurücktret­en. Rektoren sollten demokratis­ch und von

 ??  ?? Polizei-Aufgebot vor der Bogazici-Uni
Polizei-Aufgebot vor der Bogazici-Uni
 ??  ?? Gesicherte­r Eingang zum Rektorat
Gesicherte­r Eingang zum Rektorat
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