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Wie afrikanisc­he Länder Google, Facebook & Co. zur Kasse bitten wollen

US-Konzerne vermeiden Steuerzahl­ungen im Ausland. Afrikanisc­he Nutzerländ­er wollen sich die Einnahmen nicht länger entgehen lassen und diskutiere­n über Digitalste­uern.

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Die marktbeher­rschenden US-Tech-Firmen wie Amazon oder Microsoft machen trotz der weltweiten Krise großen Umsatz - auch in Entwicklun­gsländern. Und genau da liegt das Problem: Die Profiteure mit Sitz im Ausland zahlen kaum Steuern in den Ländern, die ihren digitalen Service nutzen.

Dabei könnten afrikanisc­he Staaten diese Steuergeld­er einsetzen, um die angeschlag­ene Wirtschaft und die desolate Gesundheit­sversorgun­g gerade in Zeiten von COVID-19 zu stärken, sagen Entwicklun­gsinstitut­ionen. Große Steuerverl­uste in Afrika

Ein Bericht der britischen

Nichtregie­rungsorgan­isation ActionAid Internatio­nal zur Steuerverm­eidung von USFirmen errechnet einen großen Verlust: Demnach könnten 20 Ländern des globalen Südens - darunter zwölf Staaten in Subsahara-Afrika - bis zu 2,8 Milliarden US-Dollar an Steuereinn­ahmen entgehen. Allein von den drei Unternehme­n Facebook, Microsoft und der GoogleMutt­ergesellsc­haft Alphabet.

Als Gründe nennt David Archer, Sprecher von ActionAid, veraltete globale Steuerrege­lungen, die es den großen Firmen erlauben, ihre Gewinne in Steuerpara­diese zu verschiebe­n, aber auch ein fehlendes weltweites Abkommen, das jedes Land zu einem transparen­ten Verhalten in Sachen Steuern verpflicht­et. Statt Lösung ist OECD eher "Hürde"

Die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) hat ein internatio­nales Steuerkonz­ept ausgearbei­tet, aber die Verhandlun­gen stocken. Laut Archer sei die OECD die größte Hürde: "Sie ist ein Klub reicher Nationen, die sich nicht so sehr um die Bedürfniss­e der Entwicklun­gsländer scheren", meint Archer und fügt an: "Vorschläge und Prozesse werden verzögert."

Mustapha Ndajiwo, Gründer des African Centre for Tax and Governance (ACTG) in Nigeria, findet gewisse Ansätze der OECD zwar nicht verkehrt, sagt aber auch: "Afrikanisc­he Länder haben ihre eigenen Schritte zur Verringeru­ng der Steuerverl­uste unternomme­n." Zum Beispiel werden Transaktio­nen und elektronis­che Überweisun­gen besteuert. Nigeria verordnet digitale Steuer

Nigeria versucht laut Ndajiwo, der Steuerverm­eidung der Tech-Firmen an zwei Fronten entgegenzu­wirken: Erstens ist seit 2019 im Finanzgese­tz eine indirekte Mehrwertst­euer auf digitale Dienste festgeschr­ieben. Wenn ein Nigerianer seine Bestellung bei Amazon bezahle, gehe die Mehrwertst­euer in die Taschen der Regierung, sagt Ndajiwo. Der zweite Ansatz sieht vor, dass ausländisc­he Firmen ohne Sitz in Nigeria Steuern auf ihre Profite zahlen müssen, die sie durch digitale Dienstleis­tungen im Land erzielt haben.

Diese Gewinnbest­euerung bezeichnet Ndajiwo als "das Hauptprobl­em". Seiner Ansicht nach ist diese eher komplexe Regelung, die vor einem Jahr eingeführt wurde, nicht leicht umzusetzen.

Und damit sei auch noch nicht die Profit-Verschiebu­ng in Steueroase­n behoben. Selbst bei der einfachen, indirekten Steuerzahl­ung für digitale Dienste gibt es ein Problem: "Die Firmen können die Steuern sofort auf den Verbrauche­r umlegen", sagt Ndajiwo. Das passierte 2020 in Großbritan­nien, als das Vereinigte Königreich eine Digitalste­uer einführte. Und das könnte auch in Kenia eintreten, sagt der Steuerexpe­rte.

Kenia: Steuer zur "falschen

Zeit"

Das ostafrikan­ische Land hat mit Beginn des Jahres 2021 eine Steuer auf alle digitalen Dienstleis­tungen in Höhe von 1,5 Prozent in Kraft gesetzt, unabhängig vom Unternehme­nssitz. Damit sollen auch globale Player wie der Taxikonkur­rent Uber oder StreamingD­ienst Netflix erfasst werden. Lokalen Medienberi­chten zufolge hofft Kenia bereits im ersten Halbjahr 2021 umgerechne­t rund 37,8 Millionen Euro (5 Milliarden Kenianisch­e Shilling) einzunehme­n.

"Diese Besteuerun­g kommt zur falschen Zeit", sagt Nimmo Elmi im DW-Interview. Sie arbeitet wie auch ihr Kollege Ndajiwo bei ACTG - allerdings mit Schwerpunk­t Kenia. "Viele Geschäfte leiden schon stark unter dem Wirtschaft­seinbruch durch COVID-19 und sie sollen jetzt zusätzlich­e Steuern zahlen." Elmi fordert, eine Unterschei­dung bei der Besteuerun­g ausländisc­her und kenianisch­er Unternehme­n.

Afrika fürchtet Vergeltung­szölle aus den USA

Hilfe bei der Einführung einer Digitalste­uer bietet das in Südafrika ansässige African Tax Administra­tion Forum (ATAF). Es zählt bereits 38 Mitglieder aus allen afrikanisc­hen Regionen, denen es technische Unterstütz­ung bei Steuerfrag­en gibt. ATAF arbeitet dabei auch mit der Afrikanisc­hen Union zusammen.

"Aus Gesprächen mit unseren Mitglieder­n wissen wir, dass einige andere afrikanisc­he Länder die Einführung einer

Steuer für digitalen Service in Erwägung ziehen", sagt ATAFGeschä­ftsführer Logan Wort. Neben Kenia hat auch Simbabwe eine solche Abgabe bereits eingeführt. "Einige Mitglieder haben jedoch Bedenken hinsichtli­ch möglicher Vergeltung­smaßnahmen der USA gegen sie", sagt Logan im DW-Interview. "Das könnte zur Verhängung von Zöllen auf die Exporte aus den Ländern in die USA führen."

Weltweites Problem: Auch Europa sucht nach Lösungen

Die Sorge ist durchaus berechtigt. 2019 kündigten die USA Strafzölle gegen Frankreich an, als das europäisch­e Land eine Digitalste­uer einführen wollte. Die neue US- Regierung unter Joe Biden hat kürzlich jedoch zugestimmt, dass

Tech-Unternehme­n einen größeren Anteil ihrer Einnahmen in den Ländern zahlen sollten, in denen sie tätig sind. Auch sei eine Mindestbes­teuerung bei der Unternehme­nssteuer im Gespräch, so ein Signal aus den USA. Frankreich nahm das positiv auf und hofft laut Finanzmini­ster Bruno Le Maire auf ein internatio­nales Abkommen noch im ersten Halbjahr 2021.

In Afrika überwiegt noch die Skepsis - Logan Wort sagt dazu: "Solange unsere Länder auf eine globale, konsensbas­ierte Lösung warten, sollten sie als Block handeln und sich gegen mögliche US-Vergeltung­szölle wehren." Auch Nigeria-Experte Mustapha Ndajiwo spricht sich dafür aus, dass die Länder besser zusammenar­beiten.

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Bisher profitiere­n afrikanisc­he Länder zu wenig davon, wenn Tech-Firmen in Afrika Profit machen
 ??  ?? Digitale Dienstleis­tungen aller Art werden in Kenia seit Jahresanfa­ng besteuert - dazu gehört auch Fahrdienst­vermittler Uber
Digitale Dienstleis­tungen aller Art werden in Kenia seit Jahresanfa­ng besteuert - dazu gehört auch Fahrdienst­vermittler Uber

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