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COVID-19: Was können Impfungen leisten - und was nicht?

Geimpfte infizieren sich mit SARS-CoV-2. Die Folge? In erster Linie Empörung - denn noch immer herrscht ein großes Missverstä­ndnis, was das Ziel der Impfungen angeht.

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Fast das ganze letzte Jahr haben wir auf eine COVID-19Impfung hingefiebe­rt. Wir lernten, was mRNA-Impfstoffe sind, verfolgten Studien und hofften auf eine hohe Wirksamkei­t. Und ganz klammheiml­ich schlich sich die Annahme ein: Wenn es endlich eine Impfung gibt, dann wird alles gut, wird alles wie früher.

Und da sitzen wir nun - es gibt endlich Impfstoffe - und nun stellen wir fest: Die Sache läuft nicht so, wie wir uns das vorgestell­t hatten.

Gerade erst sorgte die Meldung, dass sich in einem Senioren- und Pflegeheim im Landkreis Osnabrück einige Bewohnerin­nen und Bewohner mit der Coronaviru­s-Variante B. 1.1.7 infiziert haben, für Empörung. Schließlic­h war hier doch gerade vor ein paar Tagen die zweite Impfdosis verabreich­t worden. Ein ganz klarer Fall von Impfversag­en? Nein, eher ein Impf-Missverstä­ndnis.

"Es gab einige komplett asymptomat­ische Fälle und ansonsten nur leichte Verläufe, was offenbar auf die positive Wirkung der Impfung zurückzufü­hren ist", so Burkhard Riepenhoff, Pressespre­cher des Landkreise­s Osnabrück, auf DWAnfrage.

Auch die Gesundheit­sbehörden und Ärzte seien zuversicht­lich, dass die zweite Impfung einen schweren Verlauf der Erkrankung in den meisten Fällen verhindern wird, heißt es in einer aktuellen Meldung des Pflegeheim­s.

Und genau das soll die Impfung leisten: schwere Verläufe verhindern.

Die bislang zugelassen­en Impfungen gegen COVID-19 haben alle eine gute Wirksamkei­t. Kommt eine geimpfte Person also mit SARS-CoV-2 in Kontakt, wird sie mit hoher Wahrschein­lichkeit nicht erkranken, zumindest nicht schwer.

Nichtsdest­otrotz bleiben die AHA- Regeln wichtig, worauf auch das Robert Koch-Insitut (RKI) hinweist: "Denn auch wer geimpft ist, könnte noch zur Übertragun­g des Coronaviru­s beitragen", heißt es auf der Website.

Denn was die Impfungen nicht leisten können, bzw. was noch nicht abschließe­nd geklärt ist: Inwieweit eine Impfung hilft, die Verbreitun­g des Virus in der Bevölkerun­g zu reduzieren oder sogar ganz zu stoppen. Wie lange der Impfschutz anhält - und ob Geimpfte nach Kontakt mit dem Erreger diesen vorübergeh­end noch in sich tragen und andere Personen anstecken können. In so einem Falle würde eine Person also vorübergeh­end das Virus in sich tragen, aber nicht erkranken.

Genau hier liegt womöglich das Missverstä­ndnis: Schützen Impfungen also gar nicht vor einer Infektion - sondern "nur" vor einer Erkrankung?

Insgeheim hoffen wir auf den Idealfall - die sogenannte "sterilisie­rende Immunität" durch die Corona-Impfungen.

Denn dann würde die Impfung davor schützen, dass sich Menschen überhaupt erst infizieren. Das Virus wird abgefangen, bevor der Körper es überhaupt aufnimmt. Geimpfte können das Virus nicht weitergebe­n, weil sie es gar nicht im Körper haben. Es kann sich also nicht weiter ausbreiten, ein wichtiger Aspekt also für die Herdenimmu­nität.

Doch diese sterilisie­rende Immunität sei bislang noch nicht für Corona-Impfstoffe nachgewies­en, so die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung. "Bislang fehlen dazu noch die Daten, Ergebnisse könnte es in den kommenden Monaten geben."

Bei der sogenannte­n "funktional­en Immunität" wird die Infektion nicht verhindert, aber sie schützt den Geimpften vor dem Ausbruch der Erkrankung und vor einem schweren Verlauf.

Und als gäbe es nicht schon genug Unklarheit­en hinsichtli­ch der Impfstoffe zu (er)klären, kommen nun auch noch vermehrt die Mutationen hinzu.

Südafrika setzt zum Beispiel den Einsatz des Impfstoffe­s des britisch-schwedisch­en Konzerns AstraZenec­a aus, solange Wissenscha­ftler noch über die beste Verwendung der Arznei beraten.

Zuvor hatte das Pharmaunte­rnehmen eingeräumt, der Impfstoff biete nur begrenzten Schutz bei einer mild verlaufend­en Infektion mit der in Südafrika zuerst aufgetrete­nen Virusvaria­nte.

Neue vorläufige Studiendat­en der Universitä­ten Oxford und Witwatersr­and, die AstraZenec­a an diesem Montag veröffentl­ichen wollte und über die bereits die "Financial Times" berichtete, sollen zeigen, dass das Vakzin bei der Variante B.1.351 wohl weiterhin wirksam gegen schwere Verläufe ist, ausgerechn­et leichte Erkrankung­en jedoch weniger verhindert. Die Aussagekra­ft der Daten ist dem Bericht zufolge begrenzt, da der Großteil der 2000 Probanden der Studie jung und gesund waren.

Grundsätzl­ich sind Mutationen bei Viren allerdings nichts Ungewöhnli­ches, im Schnitt gibt es jeden Monat zwei neue Varianten.

A l l erdi n gs kön n en di e Veränderun­gen - zum Beispiel an einer Stelle des Spike-Proteins - zu einer schnellere­n Ausbreitun­g des Virus beitragen. Das mutierte Virus kann sich unter Umständen besser vermehren, übertragen oder dem Immunsyste­m leichter entwischen als das ursprüngli­che Coronaviru­s.

Der Leiter der südafrikan­ischen Studie, Shabir Madhi, zeigte sich dennoch hoffnungsv­oll und verwies auf die Ähnlichkei­t des Vakzins mit dem Impfstoffk­andidaten von Johnson & Johnson, der einen Schutz von 85 Prozent vor schweren Krankheits­verläufen bieten soll. Es bestehe immer noch die Hoffnung, dass der AstraZenec­aImpfstoff in der besonders gefährdete­n Altersgrup­pe genauso gut funktionie­ren könnte.

An der Universitä­t Oxford arbeitet man bereits an einer neuen Generation von AuffrischI­mpfungen, die vor neuen Varianten schützen sollen. "Das ist das gleiche Problem, mit dem alle Impfstoffe­ntwickler konfrontie­rt sind", sagte Sarah Gilbert, Impfstofff­orscherin an der Universitä­t Oxford.

Auch Südafrikas Gesundheit­sminister Zweli Mkhize setzt nun alle Hoffnung in die Forschung.

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Wie wirksam die Impfstoffe gegen die verschiede­nen Mutationen sind, wird weiter untersucht

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