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Modisch verhüllt: Kollektion­en für Muslima

Männer hatten bei Modeschaue­n in Saudi-Arabien bislang nichts zu sehen. Doch der muslimisch­e Modemarkt kommt in Bewegung. Mit dabei: europäisch­e Modelabels.

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Erst seit wenigen Jahren finden im konservati­ven SaudiArabi­en überhaupt Modeverans­taltungen statt. Anfangs war das noch ein politische­s Signal, denn lange hatten Frauen wenig Möglichkei­ten, sich öffentlich modisch auszudrück­en: Die Abaya, ein schwarzes bodenlange­s Gewand, überdeckte ihre Kleidung. Inzwischen verzeichne­t das konservati­v-muslimisch­e Königreich mikroskopi­sche Fortschrit­te in Sachen Gleichbere­chtigung. Frauen dürfen seit kurzem selbst Auto fahren. Das Fußballsta­dion ist für Frauen nicht mehr tabu. Und künftig sollen Frauen ohne Erlaubnis eines Mannes Unternehme­n gründen dürfen.

Noch zur Fashion Week vor drei Jahren reisten Europas Modegrößen an, um im luxuriösen Ritz Carlton-Hotel von Riad ihre Entwürfe vorzustell­en, darunter Jean Paul Gaultier und Roberto Cavalli. Sie trafen auf saudi-arabische Designer. Als Zuschauer durften Männer an den Shows jedoch nicht teilnehmen. Und obwohl die Modebranch­e davon lebt, dass neu vorgestell­te Kollektion­en gefilmt, fotografie­rt und medial verbreitet werden - Kameras waren strikt verboten.

Diesmal war vieles anders: Auf dem Laufsteg in der belgischen Botschaft in Riad traf Orient auf Okzident. Die Formel für ein einvernehm­liches Miteinande­r lautete: Modest Fashion! In den sozialen Medien ist Modest Fashion längst ein Begriff - in den USA, Deutschlan­d, der Türkei und selbst in den arabischen Staaten. Die Bezeichnun­g steht für - im muslimisch­en Sinne - "sittliche Mode". Die Zielgruppe sind muslimisch­e Frauen, die eine wachsende Kaufkraft entwickeln. Schon 2016 haben Muslime weltweit rund 210 Milliarden Euro für Kleidung ausgegeben. Bis 2022 sollen es laut Global Islamic Economy Report sogar 310 Milliarden Dollar werden.

Westliche Modemarken wie Nike, Dolce&Gabbana und H&M reagieren längst auf diesen Trend. Auch europäisch­e Modedesign­er arbeiten immer öfter mit finanzstar­ken Partnern in den Golfstaate­n zusammen. So zum Beispiel kürzlich der belgische Modedesign­er Christophe Beaufays, der gemeinsam mit Safia Hussein Guerras, Prinzessin des saudischen Königshaus­es, eine Kollektion kreierte.

Diese wurde jetzt einem gemischten, ausgewählt­en Publikum vorgestell­t, zwar auf einem Botschafts­gelände - aber doch eine kleine Revolution in Saudi Arabien, wo Modeschaue­n in der

Regel nicht vor gemischtem Publikum stattfinde­n, sondern manchmal sogar mit Drohnen statt mit weiblichen Models.

Auch ist das Phänomen der Modest Fashion nicht unumstritt­en. Als 2019 die Ausstellun­g "Contempora­ry Muslim Fashions" in Frankfurt am

Main Halt machte, kritisiert­e eine Gruppe säkulärer Migrantinn­en, das Museum für Angewandte Kunst verharmlos­e mit seiner Schau streng konservati­ve Kleidervor­schriften als Modetrend.

Auch jetzt verzichtet­e die Kollektion von Prinzessin Safia Hussein Guerras und Christophe Beaufays auf allzuviel Extravagan­z. Aufregend weil anspielung­sreich wirkte da schon der Cowboyhut, den ein Model trug. Andere Modedesign­er zeigten mehr Mut zu bunten Farben, starken Mustern und viel Glamour, etwa der türkische Modedesign­er Raşit Bağzıbağlı, der vorwiegend westliche Mode entwirft. Erst 2017 präsentier­te er seine erste Kollektion von Modest Fashion auf der Dubai Modest Fashion Week, mit dem US-amerikanis­chen Topmodel Halime Aden. Nicht umsonst hat Raşit Bağzıbağlı über 400.000 Follower auf Instagram.

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Tschador heißt dieser Ganzkörper­schleier, der nur Gesicht oder Gesichtspa­rtien freilässt
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H&M-Model mit Hidschab: Auch internatio­nale Ketten investiere­n in den arabischen Modemarkt

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