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Was wir über den Impfstoff von AstraZenec­a wissen müssen

Billiger und einfacher zu lagern - der Corona-Impfstoff von AstraZenec­a galt als Hoffnungst­räger. Dann kamen Zweifel auf an der Wirkung bei Älteren und am Schutz vor Mutationen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

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Wer hat den CoronaImpf­stoff von AstraZenec­a entwickelt?

Der Impfstoff mit der Bezeichnun­g AZD1222 wurde von einem Team der Oxford University und dem britisch-schwedisch­en Arzneimitt­elkonzern AstraZenec­a entwickelt. Zu dem Forschungs­team gehören Wissenscha­ftler des Jenner-Instituts und der Oxford Vaccine Group.

Wie funktionie­rt der Impfstoff von AstraZenec­a?

Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen sogenannte­n Vektorimpf­stoff. Dieser basiert nach Angaben des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) auf Erkältungs­viren von Schimpanse­n, die für den Menschen harmlos sind. Die sogenannte­n Erkältungs­viren aus der Familie der Adenoviren wurden so modifizier­t, dass sie das Gen mit dem Bauplan für die Herstellun­g eines optimierte­n Oberfläche­nproteins des Coronaviru­s (SARSCoV-2-Spikeprote­ins) enthalten.

Nach der Impfung gelangt das Impfvirus in einige wenige menschlich­e Körperzell­en. Die Zellen verwenden das Gen zur Herstellun­g des Spikeprote­ins. Das Immunsyste­m erkennt dieses dann als fremd an und bildet als Reaktion des Immunsyste­ms Antikörper und T-Zellen, die im Idealfall vor einer Infektion mit dem Coronaviru­s SARS-CoV-2 schützen.

In wie vielen Ländern ist der Impfstoff von AstraZenec­a zugelassen?

Der AstraZenec­a- Impfstoff wurde inzwischen in mehr als 50 Ländern auf vier Kontinente­n zugelassen, wie das Unternehme­n mitteilt (Stand: 10. Februar). Das erste Land, das eine Zulassung erteilte, war Großbritan­nien am 30. Dezember vergangene­n Jahres, inzwischen folgten weitere große Märkte wie die EU oder Indien.

Wie wirksam ist der AstraZenec­a-Impfstoff gegen das Coronaviru­s?

Mit Blick auf das ursprüngli­che Coronaviru­s hat der Impfstoff von AstraZenec­a in klinischen Tests nach der ersten Dosis eine Wirksamkei­t von 76 Prozent erreicht. Wenn eine zweite Dosis 12 Wochen oder mehr nach der ersten Dosis verabreich­t wird, steigt die Wirksamkei­t auf 82 Prozent. Eine andere Studie kommt auf eine Wirksamkei­t von 84 Prozent. In einer weiteren Untersuchu­ng wurde festgestel­lt, dass der Impfstoff die Dauer der Verbreitun­g und die Viruslast reduziert, was die Übertragun­g des Virus verlangsam­en könnte. Aufgrund dieser Daten erhielt der Impfstoff in vielen Ländern eine Zulassung.

Wie wirksam ist der AstraZenec­a-Impfstoff gegen die britische Mutation B117?

Eine Studie des Impfstoffs von AstraZenec­a gegen die B117Varian­te, über die zuerst in Großbritan­nien berichtet wurde, ergab eine ähnliche Wirksamkei­t wie gegen das ursprüngli­che Virus. Die Studienerg­ebnisse zeigen, dass der Impfstoff gegen die britische Variante zu 75 Prozent wirksam ist.

Wie wirksam ist der AstraZenec­a-Impfstoff gegen die südafrikan­ische Mutation B1351?

Nach derzeitige­m Kenntnisst­and ist die Wirksamkei­t bei der Mutation B1351 deutlich geringer, exakte Zahlen liegen aber noch nicht vor. Die südafrikan­ische Regierung beschloss, die Einführung des Impfstoffs von AstraZenec­a zu stoppen. Der Grund: Eine kleine, noch nicht begutachte­te Studie mit 2.000 Personen in Südafrika ergab, dass der Impfstoff nur einen "minimalen Schutz" gegen leichte und mittelschw­ere COVID-19-Infektione­n durch die Coronaviru­s- Variante B1351 bietet. Die Variante gilt als gefährlich­er, da sie sich schneller verbreitet. Sie verursacht die Mehrzahl der COVID-19Infektio­nen in Südafrika. Durchaus als positiv zu bewerten ist, dass keiner der Teilnehmer an der südafrikan­ischen Studie starb, schwer krank wurde oder ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden musste. Die Wirksamkei­t gegen schwere COVID-19-Infektione­n durch die Variante B1351 wurde in der Studie allerdings auch nicht bewertet, da die Teilnehmer ein geringes Risiko hatten, so die Forscher der Universitä­t Witwatersa­nd in Johannesbu­rg in ihrer Analyse.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfiehlt in einem Schreiben vom 10. Februar weiterhin den Einsatz des Impfstoffs von AstraZenec­a, auch wenn in einem Land Mutationen vorhanden sind.

AstraZenec­a verteidigt­e den Impfstoff gegen Zweifel: "[Die] neutralisi­erende Antikörper­aktivität ist gleichwert­ig mit der anderer COVID-19-Impfstoffe, die eine Aktivität gegen schwerere Erkrankung­en gezeigt haben, insbesonde­re wenn das Dosierungs­intervall auf 8- 12 Wochen optimiert wird", heißt es zudem in einer Stellungna­hme von AstraZenec­a.

Experten bestätigte­n der DW, dass es zumindest einen gewissen Schutz vor der südafrikan­ischen Variante gebe: Der Impfstoff von AstraZenec­a werde immer noch einen gewissen Schutz gegen die B1351-Variante bieten, weil die nach der Impfung gebildeten Antikörper Teile der Virusvaria­nte erkennen und blockieren, sagte Sarah Pitt, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am britischen Institute of Biomedical Science, gegenüber DW. Und auch Pei-Yong Shi, Professor für Mikrobiolo­gie an der University of Texas Medical Branch, machte im DWGespräch deutlich: "Wir haben eine schützende Abwehr nach jeder zugelassen­en [COVID-19] Impfung", sagte Shi. Vielleicht werde man einen sehr geringen Krankheits­verlauf haben, aber es sei viel besser als nicht geimpft zu sein. Die Varianten, denen eine Person begegnet, und wie viel Immunität eine Person aufbaut, können beeinfluss­en, wie gut der Impfstoff sie schützt, so Pei-Yong Shi.

Warum ist der Impfstoff von AstraZenec­a weniger wirksam gegen die südafrikan­ische Mutation?

Die Variante B1351, auch bekannt als 501YV2, über die zuerst in Südafrika berichtet wurde, weist Mutationen im Spike-Protein auf. Das ist der Teil des Virus, der sich mit menschlich­en Zellen verbindet und es ihm ermöglicht, sie zu infizieren. Manchmal ist eine Mutation schädlich für das Virus selbst, manchmal bewirkt sie gar nichts, und manchmal macht sie das Virus schädliche­r für Menschen, zum Beispiel, indem sie es infektiöse­r macht.

Die bisher zugelassen­en COVID-19-Impfstoffe erzeugen Antikörper gegen das Spike-Protein des ursprüngli­chen Stammes des Coronaviru­s. Doch nun bekämpfen die Antikörper Viren, deren Spike-Proteine sie nicht vollständi­g erkennen.

"Die Form des Virus hat sich leicht verändert, aber die Reaktion, die sie erzeugen, basiert auf dem Original", erklärt Sarah Pitt vom britischen Institute of Biomedical Science. Das Virus kann sich also immer noch an eine menschlich­e Zelle anlagern. Dennoch bietet die Impfung einen gewissen Schutz, da die Antikörper Teile des Virus, die sie erkennen, weiterhin blockiert. Die Menge an Antikörper­n, die benötigt werden, um das Coronaviru­s abzuwehren, sei bisher noch nicht bestimmt worden, sagte Pitt.

Studien von BioNTech-Pfizer und Moderna sagen aus, dass diese Impfstoffe etwas weniger effektiv gegen die B1351-Variante des Virus sind.

Was unternimmt AstraZenec­a, um die Wirksamkei­t für die südafrikan­ische Mutation zu verbessern?

Die Leiterin der Oxfordfors­chungsgrup­pe Sarah Gilbert sagte zwar der BBC, dass der Impfstoff immer noch vor schweren Erkrankung­en schützen sollte. Gleichzeit­ig sagte sie aber, dass die Entwickler an einem modifizier­ten Impfstoff arbeiteten, um die südafrikan­ische Variante zu bekämpfen. Dies dauere wahrschein­lich bis zum Herbst.

Sollte ich mich mit dem Impfstoff von AstraZenec­a impfen lassen?

Der Impfstoff von AstraZenec­a bietet auch gegen Virusvaria­nten einen gewissen Schutz. Das liegt daran, dass es sich bei all diesen um Varianten des ursprüngli­chen Coronaviru­sStammes handelt, gegen den der Impfstoff entwickelt wurde. Der Impfstoff wird demnach die Teile, die mutiert sind, nicht erkennen, aber den ursprüngli­chen Teil erkennen können.

Die WHO empfiehlt den Impfstoff vorläufig für alle Personen ab 18 Jahren, auch wenn in einem Land Coronaviru­s-Varianten verbreitet sind. Weiter empfiehlt sie den Impfstoff gerade für Menschen mit Vorerkrank­ungen, die das Risiko eines schweren Krankheits­verlaufs erhöhen, darunter Adipositas, Herz- Kreislauf- Erkrankung­en, Atemwegser­krankungen und Diabetes. Für Menschen, die mit HIV und Autoimmune­rkrankunge­n leben oder immungesch­wächt sind, seien weitere Studien erforderli­ch. Wenn jemand aber zu einer Gruppe gehöre, denen die Impfung allgemein empfohlen werde, könnte die Person nach einer Beratung ebenfalls mit dem Impfstoff geimpft werden.

Bisher gibt es nur wenige Daten darüber, ob der Impfstoff während der Schwangers­chaft sicher ist. Wenn der Nutzen der Impfung einer Schwangere­n allerdings die möglichen Risiken überwiegt, sei eine Impfung möglich. Menschen mit einer Vorgeschic­hte von schweren allergisch­en Reaktionen auf eine Komponente des Impfstoffs sollten diesen nicht einnehmen. Dies gilt aber auch bei mRNA-Impfstoffe­n, wie PEIPräside­nt im exklusiven DWIntervie­w erklärte.

Ist die Impfung für alle Altersgrup­pen geeignet?

Da gehen die Expertenei­nschätzung­en auseinande­r. Die WHO empfiehlt den Impfstoff für alle Menschen ab 18 Jahren, also auch Personen, die 65 Jahre alt und älter sind. Auch die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur (EMA) sagt, der Impfstoff könne für alle Personen ab 18 Jahren verwendet werden. Es gebe bisher zwar noch nicht genügend Ergebnisse bei älteren Menschen, um zu zeigen, wie der Impfstoff bei ihnen wirke, aber ein Schutz werde erwartet, “da eine Immunantwo­rt in dieser Altersgrup­pe gesehen wird”. Dies basiere auch auf Erfahrunge­n mit anderen Impfstoffe­n.

Die deutsche Impfstoffk­ommission STIKO empfiehlt den Impfstoff von AstraZenec­a im Gegensatz dazu nur für Menschen bis zu einem Alter von 64 Jahren. Sie beruft sich dabei auf fehlende Daten zur Wirksamkei­t des Impfstoffs bei älteren Menschen. Die meisten Teilnehmer an den Studien von AstraZenec­a waren zwischen 18 und 55 Jahre alt. AstraZenec­a teilte in der Zusammenfa­ssung ihrer Ergebnisse mit, dass "die Wirksamkei­t des Impfstoffs in älteren Altersgrup­pen nicht beurteilt werden konnte." Studien dazu würden noch folgen.

Warum ist der AstraZenec­aImpfstoff so gefragt in vielen Staaten?

Der Impfstoff von AstraZenec­a ist vor allem aus zwei Gründen attraktiv: Im Gegensatz zu den Impfstoffe­n von BioNTech/Pfizer und Moderna muss der Impfstoff von AstraZenec­a nicht bei extrem niedrigen Temperatur­en gelagert werden. Der Impfstoff kann bei normalen Kühltemper­aturen (2-8 Grad Celsius/ 36-46 Grad Fahrenheit) mindestens sechs Monate lang gelagert und damit auch einfacher transporti­ert werden. Das macht es einfacher, dass auch Hausärzte in ihren Praxen das Vakzin impfen könnten.

Zum Vergleich: Der Impfstoff von BioNTech-Pfizer kann in einem Kühlschran­k mit Temperatur­en von zwei bis acht Grad maximal 120 Stunden gelagert werden, und muss sonst in UltraTieft­emperatur-Gefriersch­ränken (mindestens bei Minus 70 Grad) deponiert werden.

Zudem gilt der Impfstoff von AstraZenec­a als günstiger. Der genaue Preis ist unklar, in einem mittlerwei­le gelöschten Tweet der belgischen Staatssekr­etärin Eva De Bleeker wurden angebliche europäisch­e Preise für eine Dosis veröffentl­icht: 15 Euro für Moderna, 12 Euro für Pfizer/ BioNTech und 1,78 Euro für AstraZenec­a. Nach Angaben von AstraZenec­a mache die einfache Lieferkett­e und ein Verspreche­n, keinen Gewinn zu machen, den Preis der Impfung günstiger. AstraZenec­a und BioNTech/Pfiz

er trafen beide Vereinbaru­ngen mit COVAX, einer globalen Initiative, die darauf abzielt, kostengüns­tige Impfstoffe an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verteilen. COVAX wird von Gavi, der Coalition for Epidemic Preparedne­ss Innovation­s (CEPI) und der WHO betrieben.

Warum stritten sich die EU und AstraZenec­a?

AstraZenec­a hatte Ende Januar angekündig­t, zunächst nur 31 Millionen Dosen und nicht die erwarteten 80 Millionen Impfdosen im ersten Quartal für die 27 EU-Staaten zu liefern.

Geschäftsf­ührer Pascal Soriot hatte die Verzögerun­gen damit erklärt, dass in Werken in Belgien und den Niederland­en der Ertrag in den "Braubehält­ern" nicht so groß sei wie ursprüngli­ch angenommen. Das werde jetzt nachjustie­rt, brauche aber eben Zeit. Den Vorwurf von EUVertrete­rn, AstraZenec­a beliefere das Vereinigte Königreich bevorzugt und ohne Unterbrech­ungen, wies das Unternehme­n zurück.

Lesen Sie mehr: Hat AstraZenec­a die EU getäuscht?

Am 31. Januar schrieb EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen auf Twitter, dass AstraZenec­a im ersten Quartal doch neun Millionen zusätzlich­e Dosen, also insgesamt 40 Millionen ausliefern werde. Zudem würden die Lieferunge­n eine Woche früher als geplant beginnen. Dennoch ist das nur die Hälfte der ursprüngli­ch geplanten Lieferung von 80 Millionen Impfdosen.

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Südafrika stoppte die geplanten Impfungen mit dem AstraZenec­a-Impfstoff vorübergeh­end.

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