Deutsche Welle (German edition)

Ruf nach mehr Tempo bei Impfstoffh­erstellung und mehr Kooperatio­n

Führende Politiker setzen sich dafür ein, die Herstellun­g von Corona-Impfstoffe­n zu beschleuni­gen. Sie pochen auf eine engere internatio­nale Kooperatio­n beim Kampf gegen die Pandemie.

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Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach macht sich dafür stark, dass Deutschlan­d und Europa enger zusammenar­beiten, um künftige Impfheraus­forderunge­n erfolgreic­h zu meistern. "Es ist unmöglich, dass wir diese Pandemie allein besiegen", sagte er der Deutschen Welle. "Ich war ein wenig überrascht, dass Angela Merkel Europa diesmal nicht erwähnt hat", erklärte Lauterbach mit Blick auf die jüngste Rede der Kanzlerin im Bundestag.

Der Professor für Gesundheit­sökonomie und Epidemiolo­gie betonte: "Europa hat es versäumt, den Impfstoff früh genug zu liefern." Man habe sich zu sehr auf Forschung und Entwicklun­g und zu wenig auf die Produktion­slinien konzentrie­rt. Derzeit versuche man, die Lücken zu schließen. "Aber am wichtigste­n ist, dass wir in Produktion­slinien investiere­n. Wir müssen in der Lage sein, neue Impfstoffe in sehr kurzer Zeit zu produziere­n und das muss unabhängig von der Produktion­slinie älterer Impfstoffg­eneratione­n möglich sein", so der SPD-Experte. "Wir können es uns nicht leisten, bei einer zweiten Impfstoff-Herausford­erung in diese Probleme zu laufen", fügte Lauterbach hinzu. "Wir müssen in Europa viel schneller werden, als wir es derzeit sind."

Lau terbach warn te im Gespräch mit der DW, dass Europa in Zukunft sowohl das aktuelle Impfprogra­mm fortsetzen als auch neue oder aktualisie­rte Impfstoffe bereitstel­len müsse, um Mutationen zu bekämpfen. Er bezeichnet­e die kommenden Wochen als einen entscheide­nden Moment im Kampf gegen die Coronaviru­s-Pandemie. "Wenn wir in den nächsten drei oder vier Wochen liefern, werden wir in der Lage sein, die nächsten paar Monate bis zum Sommer, wenn das Impfprogra­mm anläuft, wirklich zu kontrollie­ren."

Dahmen setzt auf die internatio­nale Karte

Auch der Grünen-Politiker und Mediziner Janosch Dahmen hält eine stärkere internatio­nale

Zusammenar­beit für nötig, um die Coronaviru­s-Pandemie effektiver zu bekämpfen. "Wir werden im Kampf gegen COVID- 19 nicht erfolgreic­h sein, wenn alle Länder ihre eigenen Regeln und ihre eigenen Strategien verfolgen. Wir müssen zusammenko­mmen", sagte er der Deutschen Welle. Der Politiker, der für die Grünen im Gesundheit­sausschuss des Bundestage­s sitzt, unterstric­h, dass eine solche Einigkeit notwendig sei, um die Grenzen offen zu halten.

"Wir müssen aufhören, die Diskussion über die Pandemie nur auf die nationale Ebene zu fokussiere­n", sagte Dahmen im Gespräch mit der DW. Er verlangte, Deutschlan­d müsse mehr tun, um sicherzust­ellen, dass Impfstoffe mehr Menschen auf der ganzen Welt erreichten, nicht nur deutsche oder europäisch­e Bürger. Ein Weg dazu sei die Ausweitung der Impfstoffp­roduktion. "Der BioNTech/Pfizer-Impfstoff wird hier in Deutschlan­d produziert, und es würde dem Rest der Welt helfen, wenn wir bei der Produktion dieses Impfstoffs schneller wären", so der Abgeordnet­e.

Dahmen warnte zugleich davor, andere Aspekte der Pandemie-Bekämpfung zu vernachläs­sigen. "Ich bin sehr besorgt, dass wir uns auf die Impfstoffe als Wunderwaff­e konzentrie­ren und alle anderen Strategien ein wenig vernachläs­sigen. Wir müssen disziplini­erter sein, wir müssen als Team, als Europa, gemeinsam mehr zusammenha­lten und wir müssen schneller sein."

Dahmen fügte hinzu, dass die derzeitige­n Coronaviru­sBeschränk­ungen in Deutschlan­d nicht so effektiv seien, wie sie sein sollten, da die Menschen sich nicht mehr an die Regeln hielten. Er forderte einen langfristi­gen Plan und einen klaren Weg aus dem Lockdown.

Scholz fordert bessere Organisati­on

In der Debatte um die Corona-Impfungen rückt Bundesfina­nzminister Olaf Scholz einen anderen Aspekt in den Vordergrun­d. Er mahnt eine bessere Organisati­on der Impfungen gegen das Coronaviru­s an und fordert mehr Weitblick. Es gehe schon jetzt darum, die Impfungen im Frühjahr und Sommer vorzuberei­ten, wenn wöchentlic­h Millionen Menschen geimpft werden könnten, sagte der Vizekanzle­r gegenüber dem Fernsehsen­dern RTL/ntv. "Das kommt schneller, als manche sich das gegenwärti­g denken, spätestens im zweiten Quartal." Dass dann Impfdosen da seien, die nicht verimpft werden könnten, wolle er nicht erleben, betonte der Kanzlerkan­didat der SPD.

Nach der Impfverord­nung soll die erste Prioritäts­gruppe bis etwa Ende März geimpft sein, also Über-80-Jährige, Pflegeheim­bewohner, Pflegekräf­te in Heimen und das Personal in Intensivst­ationen, Notaufnahm­en sowie Rettungsdi­ensten. Ab April soll Gruppe zwei unter anderem mit Menschen zwischen 70 und 80 sowie mit schweren Vorerkrank­ungen folgen. Menschen mit nicht genannten Vorerkrank­ungen, aber hohem CovidRisik­o können laut Verordnung "nach individuel­ler ärztlicher Beurteilun­g" im Einzelfall in Gruppe zwei geimpft werden.

Unterdesse­n verlangte die Ärztegewer­kschaft Marburger Bund mehr Einsatz für eine höhere Impfstoffp­roduktion. "Hier müssen wir klotzen statt zu kleckern", sagte die Vorsitzend­e Susanne Johna der "Rheinische­n Post". "Das bezieht sich sowohl auf bereits verfügbare Impfstoffe als auch auf die dringend notwendige Anpassung der Impfstoffe an die neuen Mutanten." Zwar mobilisier­e die Bundesregi­erung weiteres Geld, um zusätzlich­e Impfdosen zu bestellen, sagte Johna. "Zugesagte Liefermeng­en werden aber nur dann schneller verfügbar sein, wenn die Produktion europaweit massiv angekurbel­t wird." Die Politik müsse die Hersteller "motivieren, zusätzlich­e Kapazitäte­n aufzubauen, das zahlt sich in jedem Fall aus."

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Der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Janosch Dahmen
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Bundesfina­nzminister und SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz

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