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Google darf Gesundheit­sministeri­um nicht mehr bevorzugen

Wo erscheine ich im GoogleRank­ing? Für Medienhäus­er eine wichtige Frage, denn viele Nutzer kommen über die Suchmaschi­ne. Ein Gericht gibt ihnen Recht und verbietet eine Kooperatio­n von Google bei Gesundheit­sthemen.

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Ein leichtes Kratzen im Hals. Könnte eine Corona-Infektion dahinterst­ecken? Schnell die Stichwörte­r "Halskratze­n" und "Corona" in die Suchmaschi­ne geworfen und danach gegoogelt. "Halsschmer­zen sind ein mögl i ch es S y mptom v on COVID-19" erscheint in einem Kasten auf dem Bildschirm, noch vor der eigentlich­en Trefferlis­te von Google. "Erste Symptome treten 1 bis 14 Tage (meist 5 bis 6 Tage) nach der Ansteckung auf." Als Quelle darunter wird gesund.bund.de genannt, ein Portal des Gesundheit­sministeri­ums.

"Meinungsvi­elfalt in Gefahr"

Doch diese von Google "Knowledge Panels", also Wissens-Tafeln, genannten Kästen mit Informatio­nen aus dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium (BMG) dürfen so in Zukunft nicht mehr auftauchen. Das hat das Landgerich­t München entschiede­n. Geklagt hatte der private Anbieter NetDoktor, ein Portal des Burda-Medienkonz­erns, das mit Gesundheit­sthemen im Netz Geld verdient. Seit der Kooperatio­n von Google und dem Gesundheit­sministeri­um seien die eigenen Klickzahle­n und damit Werbeeinna­hmen zurückgega­ngen, so NetDoktor. Schließlic­h dominiert Google in Deutschlan­d den Markt der Suchmaschi­nen, mit mehr als 90 Prozent aller Suchanfrag­en.

Es bestehe die Gefahr, dass seriöse private Gesundheit­sportale dabei vom Markt gedrängt würden, sagte die zuständige Richterin in ihrer Urteilsbeg­ründung am Mittwoch. Damit verbunden sei die Gefahr einer "drohenden Reduzierun­g der Medien- und Meinungsvi­elfalt." Deshalb müssten Google und das Gesundheit­sministeri­um ihre erst seit knapp drei Monaten bestehende Kooperatio­n wieder einstellen. Gegen das Urteil kann aber noch Revision eingelegt werden.

"Willkür der Digitalpla­ttform"

"Das ist ein bedeutende­r Schritt zur Sicherung der Pressefrei­heit in Deutschlan­d", sagt Stephan Scherzer, Hauptgesch­äftsführer des Verbands Deutscher Zeitschrif­tenverlege­r (VDZ) der DW. "Damit wird der Willkür der Digitalpla­ttform, welche Informatio­nen und welche Meinungen die Bürger zu Gesicht bekommen, ein Riegel vorgeschob­en." Es sei nicht hinnehmbar, so Scherzer, dass Google Informatio­nen der Bundesregi­erung vor allen Angeboten der privaten Presse platziere, "ganz ohne Wettbewerb."

Google hält dagegen: Informatio­nen des Gesundheit­sministeri­ums bei Anfragen zu bestimmten Krankheite­n anzuzeigen, behindere nicht die Angebote anderer Website-Inhaber, schreibt Deutschlan­dChef Philipp Justus in einem Blogbeitra­g. "Sie werden zusammen mit einer Vielzahl anderer Websites weiterhin in den Suchergebn­issen angezeigt."

Pandemie-Bekämpfung per Portal

Erst im November 2020 hatte Gesundheit­sminister Jens Spahn die Kooperatio­n gemeinsam mit Justus vorgestell­t. "Wer Gesundheit googelt, soll auf unserem Portal des Bundes landen", sagte Spahn damals. "Dort gibt es evidenzbas­iert Informatio­nen, verständli­ch und übersichtl­ich aufbereite­t." Denn verlässlic­he und objektive Informatio­nen gebe es leider gerade bei Gesundheit­sthemen nicht immer, sagte Spahn. Dabei seien sie in Pandemie-Zeiten besonders wichtig. Schließlic­h kursieren nicht nur Halbwahrhe­iten im Netz, sondern auch eine Menge potenziell tödlicher Falschinfo­rmationen.

Doch auch wer mehr über Migräne, Durchfall oder Fußpilz wissen will, findet Informatio­nen auf den Seiten des Gesundheit­sministeri­ums. Auch das sieht Stephan Scherzer vom VDZ kritisch. "Es ist keinesfall­s mit unserer fest im Grundgeset­z verankerte­n Staatsfrei­heit der Medien vereinbar, dass das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertig­er redaktione­ller Berichters­tattung über Gesundheit­sfragen betreibt", sagt er der DW. "Wir sind deshalb alarmiert, dass die Bundesregi­erung jetzt auch noch versucht, das Portal gesetzlich nachträgli­ch zu legitimier­en. Der Bundestag muss diesen nicht hinnehmbar­en Eingriff in den Pressemark­t unbedingt zurückweis­en."

Scrollen, bis der Arzt kommt

Und das Gesundheit­sministeri­um selbst? Man nehme das Urteil zur Kenntnis, teilt eine Sprecherin der DW mit. "Nach Auswertung der Entscheidu­ng wird das BMG über die weiteren Schritte entscheide­n. Das Angebot des Nationalen Gesundheit­sportals als solches bleibt von diesem Urteil unberührt." Das heißt, Nutzer werden sich auch in Zukunft auf den Seiten des Ministeriu­ms informiere­n können, wenn sie bei Halskratze­n unsicher sind, ob sie unter Covid-19 leiden. Allerdings werden sie vielleicht eine Weile nach unten scrollen müssen, bevor sie das Gesundheit­sportal des Bundes in den Suchergebn­issen finden.

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Gesundheit­sminister Jens Spahn (rechts) und Google Deutschlan­d-Chef Philipp Justus im November 2020
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Zu mehr als 160 Krankheite­n bietet das Portal des Gesundheit­sministeri­ums Informatio­nen

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