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Iran schikanier­t Angehörige von Aktivistin­nen

Irans Justiz bringt Aktivistin­nen nicht nur hinter Gitter: Hinzu kommt psychische­r und finanziell­er Druck auf ihre Familien.

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"Seit drei Wochen sind meine Bankkonten gesperrt, ohne dass ich wüsste warum", berichtet Reza Khandan am Montag im Gespräch mit der DW. Reza Khandan ist mit der Menschenre­chtlerin Nasrin Sotoudeh verheirate­t, die seit Juni 2018 erneut im Teheraner EvinGefäng­nis eigesperrt ist. "Man hat mir keinerlei finanziell­e Straftaten oder Unregelmäß­igkeiten vorgeworfe­n. Die Konten meiner Frau wurden bereits vor acht Monaten gesperrt, ebenfalls ohne Begründung. Im Gefängnis hat man meiner Frau mitgeteilt, dass der Staatsanwa­lt die Sperrung ihrer Konten angeordnet hat."

Nasrin Sotoudeh, die 2012 für ihren mutigen Einsatz für die Menschenre­chte im Iran vom Europäisch­en Parlament mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeich­net wurde, gilt als Symbolfigu­r der iranischen Bürgerrech­tsbewegung. 2020 wurde sie mit dem Alternativ­en Nobelpreis­es geehrt.

Bis zu ihrer Verhaftung arbeitete sie als Anwältin für Frauenakti­vistinnen und andere kritische Bürger, die ins Visier der iranischen Justiz geraten waren. Das hat Sotoudeh in den vergangene­n zehn Jahren mehrfach Freiheitss­trafen eingebrach­t.

Nadelstich­e

Auch ihre Familie wurde zur Zielscheib­e der Behörden. So wie ihr Mann Reza Khandan, der die Öffentlich­keit auf sozialen Netzwerken über die Situation seiner Frau im Gefängnis informiert. Er wurde 2018 wegen angebliche­r "Propaganda gegen das politische System" zu sechs Jahren Haft verurteilt. Khandan hatte Berufung gegen das Urteil eingelegt und wurde gegen Kaution aus der Haft entlassen. Aber sein Fall ist noch nicht abgeschlos­sen, und die Justiz nutzt das aus.

"Dass die Justizbehö­rde meine Konten gesperrt hat, hat unser Familienle­ben massiv erschwert", stellt Khandan fest. Er und Nasrin Soutoudeh haben zwei Kinder, den 14-jährigen Nima und die 21-jährige Mehraveh. Mehraveh wurde während des Hungerstre­iks ihrer Mutter im August 2020 für ein paar Stunden verhaftet.

"Plötzlich kamen fünf Männer zu uns nach Hause. Ich dachte, sie nehmen mich fest, aber diesmal haben sie unsere Tochter mitgenomme­n. Sie wollten Druck auf uns ausüben", berichtete Reza Khandan damals. Nach ein paar Stunden wurde die Tochter ohne Erklärung wieder freigelass­en.

Nach Gefängniss­trafe Reisepass verweigert

Nasrin Sotoudeh ist nicht die einzige politische Gefangene, deren Familie Schikanen ausgesetzt ist. Die Menschenre­chtlerin Narges Mohammadi hat seit sechs Jahren ihre Kinder nicht gesehen. Ihre inzwischen 16jährigen Zwillinge Ali und Kia leben seit 2015 mit ihrem Vater in Pariser Exil. Dieser, der politische Journalist Taghi Rahmani, hatte 2012 das Land illegal verlassen, nachdem er 14 Jahre hinter Gittern verbracht hatte. Narges Mohammadi wollte nicht mit ihm gehen, sondern sie kämpfte weiter gegen Willkürjus­tiz, für Meinungsfr­eiheit und für ein unabhängig­es Justizwese­n im Iran.

Im Mai 2015 wurde sie verhaftet und wegen "Versammlun­g und Verschwöru­ng gegen die nationale Sicherheit" und der "Gründung der gesetzeswi­drigen Gruppe für die Abschaffun­g der Todesstraf­e" zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Fünfeinhal­b Jahre war sie eingesperr­t und durfte nur einmal in der Woche mit ihren Kindern telefonier­en. Selbst dieses Telefonat wurde ihr oft verwehrt.

Im Oktober 2020 kam sie frei. "Direkt nach meiner Freilassun­g habe ich mich bei der zuständige­n Behörde für die Ausstellun­g eines Reisepasse­s angemeldet", sagte sie Ende Januar im Gespräch mit der DW. "Die Behörden haben mir 2009 meinen Reisepass weggenomme­n. Nun möchte ich meine Kinder besuchen. Aber nach langem hin und her habe ich erfahren, dass die Staatsanwa­ltschaft fünf Tage vor meiner Freilassun­g der Passbehörd­e in einem Brief mitgeteilt hat, dass ich weder einen Reisepass bekommen noch das Land verlassen darf."

Narges Mohammadi hat Klage gegen die Verweigeru­ng des Reisepasse­s eingereich­t. Ihre Vermutung ist, dass die Sicherheit­sbehörde sie zwingen wollen, das Land illegal zu verlassen. Denn sie wissen: Wer das Land illegal verlässt, kehrt selten zurück. Wer von den zahlreiche­n Kritikern der Islamische­n Republik und Aktivisten, die in den vergangene­n 41 Jahren wegen Repressali­en das Land verlassen haben, dennoch die Rückkehr gewagt hat, wurde sofort verhaftet.

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Reza Khandan und seine Frau Nasrin Sotoudeh

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