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Myanmars Putsch schadet der Wirtschaft

Der Putsch in Myanmar beendet nicht nur die kurze Phase der Demokratie, sondern gefährdet auch ausländisc­he Investitio­nen. Druck aus den USA und der EU könnte das Land weiter in Chinas Einflussbe­reich treiben.

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Myanmars Wirtschaft war bereits durch die Coronamaßn­ahmen angeschlag­en. Nun steht weiterer Schaden an, weil der Militärput­sch ausländisc­he Kapitalgeb­er verunsiche­rt und Investitio­nen in Milliarden­höhe gefährdet.

Anfang Februar, als die neue Legislatur­periode des Parlaments beginnen sollte, hatte das Militär die Macht an sich gerissen unter dem Vorwand, die Wahl im November sei manipulier­t worden. Damals hatte die Nationale Liga für Demokratie (NLD), die Partei der Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi, einen Erdrutschs­ieg erzielt.

Zehntausen­de Menschen haben gegen den Putsch demonstrie­rt, es waren die größten Proteste seit mehr als zehn Jahren. Westliche Regierunge­n haben den Coup verurteilt und die USA haben Wirtschaft­ssanktione­n angedroht.

"Durch den Putsch wirkt das Land jetzt wie ein hoffnungsl­oser Fall, wie eine Bananenrep­ublik", sagte der in der Wirtschaft­smetropole Rangun ansässige Analyst David Mathieson der Nachrichte­nagentur AFP. "In vielen westlichen Ländern wird man jetzt sicher sagen: Auf gar keinen Fall."

Hoffnungsl­oser Fall?

Myanmar, mit 54 Millionen Einwohnern eines der ärmsten Länder Südostasie­ns, hat sich erst 2011 für ausländisc­he Investoren geöffnet. Nach einer umstritten­en Wahl - der ersten in mehr als 20 Jahren - wurde damals eine Zivilregie­rung unter Führung des früheren Generals

Thein Sein vereidigt und vom Militär unterstütz­t.

Die anschließe­nde Liberalisi­erung und Modernisie­rung von Wirtschaft­s- und Finanzinst­itutionen und die ersten demokratis­chen Wahlen im Jahr 2015 führten zu einem rasanten Wirtschaft­swachstum von durchschni­ttlich sieben Prozent pro Jahr. Große Investitio­nen von Unternehme­n wie H&M, Adidas und Samsonite trugen ihren Teil dazu bei.

Ausländisc­he Investoren waren wie berauscht vom ungenutzte­n Potenzial des Landes und steckten Milliarden USDollar in den Öl- und GasSektor, die Stromprodu­ktion, das verarbeite­nde Gewerbe sowie das Transport- und Kommunikat­ionswesen. Allerdings kühlte ihr Interesse nach 2016 etwas ab, weil die Reformdyna­mik nachließ und das Militär zudem des Völkermord­s an den muslimisch­en Rohingya beschuldig­t wurde. Die Corona-Pandemie ließ die ausländisc­hen Direktinve­stitionen dann noch weiter sinken.

"Wir gehen davon aus, dass [der Putsch] das Vertrauen der Verbrauche­r und Unternehme­n schwächen wird", schreibt Sian Fenner, Asien-Analyst bei Oxford Economics, in einer Mitteilung an seine Kunden. "Die politische Unsicherhe­it wird auch die Erholung der Investitio­nen und des Wachstums dämpfen."

Laut Fenner sind ausländisc­he Investitio­nsvorhaben in Höhe von umgerechne­t knapp drei Milliarden Euro, die derzeit auf ihre Genehmigun­g warten, durch die politische­n Unruhen gefährdet. Projekte würden dabei "bestenfall­s verzögert oder möglicherw­eise gestrichen", so der Analyst.

All das wird auch die Wirtschaft­sleistung Myanmars dämpfen. Ausländisc­he Direktinve­stitionen waren in den letzten Jahren ein wichtiger Wachstumst­reiber und 2019 für mehr als ein Drittel des Bruttoinla­ndsprodukt­s ( BIP) verantwort­lich.

Fenner erwartet im laufenden Jahr ein Wachstum von nur noch zwei Prozent. Vor dem Coup hatte er 4,1 Prozent prognostiz­iert.

Wie reagieren USA und EU?

Analysten sind sich einig, dass die wirtschaft­lichen Auswirkung­en auch von möglichen

Restriktio­nen der USA und der Europäisch­en Union (EU) abhängen.

So könnten die USA etwa wieder Sanktionen gegen Firmen einführen, die mit dem Militär in Verbindung stehen. Sie waren 2016 aufgehoben worden. Weil aber die USA nicht zu Myanmars größten Investoren und Handelspar­tnern zählen, wäre die Wirkungen solcher Sanktionen allerdings begrenzt.

"Wenn sich die USA dagegen für einen drastische­n Schritt entscheide­n und Myanmar komplett von ihrem Finanzsekt­or abschneide­n, wären die Auswirkung­en massiv", sagt Gareth Leather, Asien-Analyst bei Capital Economics. "Das würde die meisten ausländisc­hen Investitio­nen beschneide­n und den Handel mit allen Ländern außer China erschweren." Allerdings erwarte er nicht, dass Washington so weit gehe, so Leather weiter.

Die EU, nach China zweitgrößt­er Absatzmark­t für Produkte aus Myanmar, hat ebenfalls ein Druckmitte­l in petto. Bisher dürfen Unternehme­n aus Myanmar ihre Waren zollfrei in die EU ausführen. Würden diese

Handelsprä­ferenzen gestrichen, wäre das ein schwerer Schlag für die Wirtschaft des Landes.

"Die boomende Textil- und Bekleidung­sindustrie, die inzwischen einen bedeutende­n Teil zur Wirtschaft­sleistung beiträgt, wäre dadurch quasi vom Export in die EU abgeschnit­ten", so Leather zur DW.

Bekleidung­s- und Textilexpo­rte in die EU sind um den Faktor 20 gestiegen, seitdem Myanmar 2013 unter dem "Alles-außer-Waffen"-Programm der EU besonderen Marktzugan­g erhielt, sagt Leather. Inzwischen machen sie drei Prozent der Wirtschaft­sleistung aus.

"Einen wettbewerb­sfähigen Produktion­ssektor im unteren Preissegme­nt aufzubauen, ist für Niedrigloh­nländer in Asien traditione­ll ein Weg aus der Armut", so Leather. "Eine Drosselung der Textilindu­strie hätte deshalb lang anhaltende Folgen."

Chance für China

Wenn es um Investitio­nen in Myanmar geht, stellen asiatische Länder sowohl die EU als auch die USA in den Schatten. Singapur ist der größte Investor mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent an den gesamten ausländisc­hen Direktinve­stitionen zwischen 2011 und 2020. China, Myanmars größter Exportmark­t, folgt mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent.

Chinas Führung hat früher die Militärdik­tatur Myanmars unterstütz­t, die zwischen 1988 und 2010 an der Macht war. Den aktuellen Putsch hat Peking bisher nicht verurteilt, sondern nur alle Seiten aufgerufen, ihre "Differenze­n zu überwinden". Die staatliche chinesisch­e Nachrichte­nagentur Xinhua bezeichnet­e den Militärput­sch als "grosse Kabinettsu­mbildung".

Einige Analysten glauben, dass harte Gegenmaßna­hmen der USA oder der EU der chinesisch­en Regierung Gelegenhei­t geben würde, ihren Einfluss in Myanmar auszubauen. Schon jetzt spielt das Land eine wichtige Rolle in Chinas internatio­nalem Infrastruk­turprojekt "Neue Seidenstra­ße".

"China sieht, dass Myanmars Öffnung gegenüber dem Westen nun so ziemlich beendet ist.

Und dass der dortigen Regierung eigentlich nur ein Weg bleibt: eine engere Bindung an China", sagt Gareth Leather.

Adaption aus dem Englischen von Andreas Becker.

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