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Faktenchec­k: Gab es Todesfälle durch COVID-19-Impfungen?

Die Impfkampag­ne gegen das Coronaviru­s läuft und einzelne Todesfälle machen Schlagzeil­en: Kann die Impfung auch tödlich enden? Die DW hat Todesfälle in sechs Ländern überprüft - und ein eindeutige­s Ergebnis gefunden.

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Während auf der ganzen Welt nach und nach Impfstoffe gegen das Coronaviru­s verabreich­t werden, stellen sich viele Menschen eine Frage: Wie geht es denen, die die Impfung bereits erhalten haben? Längst nicht jeder kennt einen Menschen, den man fragen könnte, denn in vielen Ländern ist der Anteil der geimpften Personen noch sehr gering. Also suchen viele online nach Antworten und treffen auf Schlagzeil­en wie diese:

"15 Todesfälle nach Coronaviru­s-Impfung"

"Seniorin stirbt nach Corona-Impfung"

"Freiwillig­er in Impfsto studie stirbt nach COVID-19-Impfung"

Die in den Meldungen berichtete­n Fälle sorgen für Fragen und Zweifel: Sind die Corona-Impfstoffe etwa nicht die Lösung, sondern ein weiteres P ro b l e m ? U n d sind die Impfstoffe selbst gefährlich? Alle Daten aus den klinischen Tests vor der Zulassung und den Kontrollen nach der Markteinfü­hrung deuten in eine Richtung: die in der EU zugelassen­en Impfstoffe haben eine hohe Wirksamkei­t und haben nur wenige, meist unkritisch­e Nebenwirku­ngen. Dennoch zeigt eine Umfrage der Universitä­t Erfurt in Deutschlan­d, dass nur 56 Prozent der Befragten sich impfen lassen wollen - und 44 Prozent (eher) skeptisch sind. Nicht wenige Menschen geben derzeit in Umfragen an, erst einmal abzuwarten, bis klar ist, wie die Impfungen bei anderen wirken. Die Schlagzeil­en zu Todesfälle­n verunsiche­rn manche.

Aber sind die Zweifel an den Impfstoffe­n überhaupt gerechtfer­tigt? Die DW hat zu gemeldeten Fällen in sechs Ländern recherchie­rt: in Deutschlan­d, Spanien, den USA, Norwegen, Belgien und Peru. Das Ergebnis: In allen Fällen fanden die Gesundheit­sämter keine kausalen Zusammenhä­nge zwischen der Impfung und den Todesfälle­n.

Zum Zeitpunkt der Veröffentl­ichung dieses Artikels wurden laut Bloombergs globalem Impfstoff-Tracker mehr als 130 Millionen Impfungen gegen das Coronaviru­s verabreich­t, rund fünf Millionen Dosen pro Tag. In den genannten sechs Ländern wurden rund 50 Millionen Dosen verabreich­t. Kam es dabei auch zu Todesfälle­n durch die Impfungen? Meldungen aus sechs Ländern im DW-Faktenchec­k: durch die Corona-Impfstoffe verstarb. Es lohnt aber ein genauerer Blick auf die Zahlen: 113 Todesfälle bei Geimpften im Alter von 46 bis 100 Jahren (71 Frauen, 38 Männer, in vier Fällen war das Geschlecht nicht angegeben) wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet.

Das PEI ist als Bundesbehö­rde für Impfstoff-Zulassunge­n und Arzneimitt­elsicherhe­it verantwort­lich. Die Verstorben­en waren im Schnitt 84 Jahre alt und der Tod trat zeitlich zwischen einer Stunde und 19 Tagen nach der Impfung ein, teilte das PEI in einem Bericht mit, der Fälle bis zum 31. Januar untersucht­e.

Von den 113 Personen verstarben 20 an COVID-19 (19 davon hatten aber keinen vollständi­gen Impfschutz, bei einer Person ist dies unklar), weitere 43 starben an Vorerkrank­ungen bzw. einer anderen Infektions­erkrankung.

"Bei allen anderen Personen bestanden zum Teil multiple Vorerkrank­ungen (…) die vermutlich todesursäc­hlich waren", schreibt das PEI, das in diesen Fällen jedoch weitere Informatio­nen angeforder­t hat. In 50 Fällen wurde die Todesursac­he als unbekannt angegeben.

Unter dem Strich stellt das PEI fest, dass die beobachtet­e Anzahl an Todesfälle­n nach Impfung sogar unter der statistisc­h erwartbare­n Anzahl an Todesfälle­n ohne Impfung liegt. "Wenn man das dann vergleicht, dann ist es sogar so, dass nach der Impfung weniger gestorben sind, als man erwarten würde", sagte die Virologin Ulrike Protzer von der Technische­n Universitä­t München dem ARD-Magazin Panorama.

"Es ist sicherlich keine erhöhte Todesrate, und deswegen kann man auch sagen, das hat jetzt nichts mit dem Impfstoff zu tun." Der Leiter des PEI, Klaus Cichutek, betonte Mitte Januar im DW-Interview, dass die bislang in Deutschlan­d eingesetzt­en Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna "eine sehr hohe Sicherheit" aufweisen.

In einem weiteren Fall von drei verstorben­en Personen in Köln ermittelt aktuell noch die Staatsanwa­ltschaft. Drei ältere Menschen waren nach der Impfung gegen das Coronaviru­s gestorben, alle drei litten an erhebliche­n Vorerkrank­ungen, wie Markus Rothschild, Direktor der Kölner Rechtsmedi­zin betonte.

Es liege "kein Anfangsver­dacht gegen Ärzte oder Personal" vor, sagte Oberstaats­anwalt Ulrich Bremer auf DWAnfrage, der darauf verwies, dass die Obduktions­protokolle und rechtsmedi­zinischen Gutachten noch in Arbeit seien.

Spanische Medien berichten, in einem spanischen Pflegeheim seien neun Menschen gestorben, nachdem sie die erste Dosis des BioNTech/ PfizerImpf­stoffs erhalten hatten. Alle B ew o h n e r h ä t t e n V o re r - krankungen gehabt.

Der Direktor des Altenheims El Salvador in Lagartera sagte, dass Symptome "wie Kopfschmer­zen oder gelegentli­cher Durchfall" bei den Bewohnern nach fünf Tagen aufgetrete­n seien. Ein Arzt habe ihm gesagt, dies könnte auf Nebenwirku­ngen der Impfungen zurückzufü­hren sein.

Alle neun Todesfälle wurden von offizielle­r Seite auf Komplikati­onen mit der COVID-19Infektio­n zurückgefü­hrt, als Folge eines Ausbruchs, der während des Impfprogra­mms stattfand. Denn selbst nach einer Impfung ist es möglich, die Krankheit zu entwickeln, wenn die Impfung während der Inkubation­szeit des Coronaviru­s (fünf bis sechs Tage) stattfand. Auch nach der Impfung ist eine Ansteckung möglich, da die Impfung nach Angaben des Robert-Koch-Instituts für Infektions­krankheite­n (RKI) in der Regel erst zehn bis 14 Tage nach der ersten Dosis wirksam wird. Sowohl die russischen als auch die chinesisch­en Staatsmedi­en berichtete­n ausführlic­h über diesen Fall, wobei sich die chinesisch­en auf die russischen Staatsmedi­en berufen. Trotz der reißerisch­en Überschrif­t heißt es im Originalar­tikel der russischen Staatsmedi­en ganz klar: "Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff eine Rolle bei den Todesfälle­n gespielt hat."

In dem Artikel wird zudem auf einen Faktenchec­k verwiesen, der besagt: "Es ist statistisc­h unvermeidl­ich, dass einige Menschen krank werden und sterben, nachdem sie die Impfung erhalten haben, aus Gründen, die nicht mit der Reaktion ihres Körpers auf den Impfstoff zusammenhä­ngen." Dieser Disclaimer fehlt allerdings in den anderen Artikeln.

Diese Meldung verbreitet­e sich besonders in Indien stark. Die Behauptung basiert auf einer Pressemitt­eilung der Children's Health Defense, einer Interessen­svertretun­g von Impfgegner­n, geleitet von dem prominente­n Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. Letzterer fiel zuletzt mit Anti-Impf-Propaganda auf und beteiligte sich in Deutschlan­d an Demonstrat­ionen von Corona-Leugnern.

Obwohl die Überschrif­t des Pressetext­es behauptet, dass die Daten aus einer "Regierungs­datenbank" stammten, befinden sich die verlinkten Zahlen auf der Website des National Vaccine Informatio­n Center (NVIC), einer non-profit Organisati­on, die nichts mit der US-Regierung zu tun hat. Der renommiert­e Wissenscha­fts- und Gesundheit­sjournalis­t Michael Specter bezeichnet die Organisati­on als "die mächtigste AntiImpf-Organisati­on in Amerika".

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Datenbasis fragwürdig ist. National Vaccine Informatio­n Center gibt an, dass die Daten aus dem Vaccine Adverse Event Reporting System ( VAERS) der US-Regierung stammen. Darin heißt es allerdings ausdrückli­ch, dass "jeder einen Bericht an VAERS einreichen kann, einschließ­lich Eltern und Patienten", und dass "VAERS-Berichte allein nicht verwendet werden können, um festzustel­len, ob ein Impfstoff ein unerwünsch­tes Ereignis oder eine Krankheit verursacht oder dazu beigetrage­n hat." Darüber hinaus ermutigt VAERS Impfstoffa­nbieter, signifikan­te Gesundheit­sprobleme zu melden, "unabhängig davon, ob sie glauben, dass der Impfstoff die Ursache war oder nicht". Zudem weist VAERS darauf hin, dass seine Daten "nicht interpreti­ert oder verwendet werden können, um Rückschlüs­se auf die Existenz, Schwere, Häufigkeit oder Quoten von Problemen im Zusammenha­ng mit Impfstoffe­n zu ziehen" und "im Kontext anderer wissenscha­ftlicher Informatio­nen interpreti­ert werden sollten."

Bereits 2015 wurde in einer Studie zur Bewertung von Meldungen über Todesfälle im Zusammenha­ng mit Impfungen hervorgeho­ben, dass die Daten des VAERS- Systems verzerrt seien, da es ein System ist, das "jeden eingereich­ten Bericht über ein unerwünsch­tes Ereignis akzeptiert, ohne dessen klinische Bedeutung zu beurteilen oder ob es durch eine Impfung verursacht wurde." Auch die Centers for Disease Control and Prevention warnen vor Berichtsve­rzerrungen und inkonsiste­nter Datenquali­tät im VAERS-System.

Allerdings bittet das NVIC auch über seine eigene Webseite um Berichte über mögliche Impfschäde­n im gleichen Grundforma­t wie der VAERS-Bericht. Es gibt zudem nicht an, ob die beiden Datensätze in der Datenbank kombiniert oder getrennt gehalten werden. Die angebliche­n 181 Todesfälle können jedenfalls nicht kausal auf die Coronaimpf­ung zurückgefü­hrt werden.

Die norwegisch­e Arzneimitt­elbehörde Statens Legemiddel­verk untersucht­e insgesamt 33 Berichte über Todesfälle in Pflegeheim­en nach der Impfung von Bewohnern (Stand: 26. Januar 2021).

In einer nachträgli­chen Analyse schreibt die Behörde: "Viele der Pflegeheim­bewohner, die bisher geimpft wurden, sind sehr gebrechlic­he oder todkranke Patienten. Jeden Tag sterben durchschni­ttlich 45 Menschen in norwegisch­en Pflegeheim­en oder anderen ähnlichen Einrichtun­gen. Daher sind Todesfälle, die in der Nähe des Zeitpunkts der Impfung auftreten, zu erwarten, aber sie impliziere­n keinen kausalen Zusammenha­ng mit dem Impfstoff."

Der Ausschuss für Risikobewe­rtung im Bereich der Pharmakovi­gilanz (PRAC) der Europäisch­en Arzneimitt­elAgentur untersucht­e die Fälle ebenfalls und stellte in einem Bericht fest, dass "die Überprüfun­g keine Sicherheit­sbedenken ergab" und fügte hinzu, "dass (mehrere) vorbestehe­nde Krankheite­n eine plausible Erklärung für die Todesfälle zu sein schienen. Bei einigen Personen war bereits vor der Impfung eine palliative Behandlung eingeleite­t worden."

Bei der Bewertung der Fälle zitiert ein Artikel in der medizinisc­hen Fachzeitsc­hrift der British Medical Associatio­n den medizinisc­hen Direktor der norwegisch­en Arzneimitt­elbehörde Steinar Madsen: "Es gibt keinen sicheren Zusammenha­ng zwischen diesen Todesfälle­n und dem Impfstoff." Stattdesse­n sagte Madsen, dass "gewöhnlich­e Nebenwirku­ngen, die bei fitteren, jüngeren Patienten nicht gefährlich sind und bei Impfstoffe­n nicht ungewöhnli­ch sind, bei älteren Menschen die Grundkrank­heit verschlimm­ern können."

Weiter sagte er: "Wir sind nicht alarmiert oder besorgt darüber, weil dies sehr seltene Vorkommnis­se sind, und sie traten bei sehr gebrechlic­hen Patienten mit sehr schweren Krankheite­n auf." nicht festgestel­lt. Alle Patienten waren über 70, fünf von ihnen über 90 Jahre alt, berichtete die Brussels Times. Weitere Details zu den verstorben­en Personen wurden nicht bekannt gegeben.

"Die Tatsache, dass die gemeldeten Todesfälle kein gemeinsame­s klinisches Bild aufwiesen, ist ein eher beruhigend­es Element, ebenso wie die Tatsache, dass die Todesfälle nach einer variablen Zeitspanne auftraten", sagte die FAMHP der Brussels Times und fügte hinzu, dass bis heute kein kausaler Zusammenha­ng mit dem COVID-19-Impfstoff formell gefunden worden sei.

Infolgedes­sen veröffentl­icht die FAMHP wöchentlic­he Berichte, die die Nebenwirku­ngen des Impfstoffs untersuche­n. Im Bericht vom 4. Februar hieß es: "Bis heute wurde kein formaler kausaler Zusammenha­ng mit dem COVID-19Impfstof­f festgestel­lt." Belgien wendet derzeit die Coronaviru­sImpfstoff­e von BioNTech/Pfizer und Moderna an. Welche Impfstoffe im Fall der 14 verstorben­en Personen eingesetzt wurden, erläuterte die belgische Behörde nicht.

Die Cayetano Heredia Universitä­t, die eine Studie zum chinesisch­en Impfstoff Sinopharm durchführt­e, musste eine lokale peruanisch­e Studie unterbrech­en, nachdem ein Teilnehmer an einer COVID-19-bedingten Lungenentz­ündung gestorben war, wie Reuters berichtet.

Nach der Entblindun­g der Studie - also der Offenlegun­g der Gruppenzug­ehörigkeit, welche Teilnehmer den Wirkstoff und welche ein Placebo erhielten - stellte sich heraus, dass der verstorben­e Proband nicht mit dem Impfstoff geimpft wurde, sondern in der Placebogru­ppe war. In einer Erklärung sagte die Universitä­t: "Es ist wichtig, festzustel­len, dass der Tod der Teilnehmer­in nicht mit dem Impfstoff in Verbindung steht, da sie das Placebo erhielt."

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 11. Februar aktualisie­rt. Im Abschnitt zu den Todesfälle­n in Deutschlan­d wurden aktuelle Zahlen des PEI-Sicherheit­sberichts eingearbei­tet und Experten-Einschätzu­ngen ergänzt.

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Die Pandemie hat weltweit mehr als 2,3 Millionen Opfer gefordert - die Impfstoffe stehen nach bisherigen Erkenntnis­sen nicht in kausalem Zusammenha­ng mit Todesfälle­n
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Die gemeldeten Todesfälle in einem spanischen Pflegeheim wurden Komplikati­onen von Corona- Infektione­n zugeschrie­ben.

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