Deutsche Welle (German edition)

Wie der Klimawande­l den Wintereinb­ruch begünstigt

Eis und klirrende Kälte im Norden, dazu viel Schnee in der Mitte Deutschlan­ds - Klimaleugn­er sehen im aktuellen Winterwett­er einen Beweis gegen die menschenge­machte Klimakrise. Doch das Gegenteil ist der Fall.

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Zweistelli­ge Minusgrade mittags in Dresden, über 80 Zentimeter Schnee im mitteldeut­schen Flachland - "von wegen Klimawande­l" ist derzeit immer wieder zu hören und zu lesen. "Wo ist der Klimawande­l, wenn man ihn mal braucht?" - nur ein Beispiel von vielen auf Twitter. Die damit angedeutet­e Schlussfol­gerung: Es ist ja derzeit sehr kalt hier - eine menschenge­machte Erderhitzu­ng könne es also gar nicht geben.

Doch diese Annahme ist gleich in mehrfacher Hinsicht falsch. Die Auswirkung­en der globalen Erderwärmu­ng können den Wintereinb­ruch in Deutschlan­d sogar begünstigt haben. risches Wetter vom Atlantik und hält die Kaltluft der Arktis fest.

Ist der Jetstream aber schwach und wellig, wird auch der Polarwirbe­l schwach oder bricht ganz zusammen. Und dann kann die kalte Luft aus der Arktis sehr weit nach Süden vordringen. Das aktuelle Winterwett­er ist die Auswirkung eines schwachen Jetstreams, genauer gesagt: einer Delle im Jetstream. Die Folge: ein besonders starker und lang anhaltende­r Zusammenbr­uch des Polarwirbe­ls, und eisige Temperatur­en bis weit in den Süden. fransen" - zu mäandern, wie es in der Wissenscha­ft heißt. Das könne in der Folge immer häufiger zu den beschriebe­nen Dellen führen, deren Auswirkung­en wir derzeit in Deutschlan­d spüren.

Nicht unbedingt. Zum einen können die Kaltluftau­sbrüche unterschie­dlich stark ausfallen. Zum anderen erwärmt sich nicht nur die Arktis. Auch über den Subtropen gebe es eine starke Erwärmung, die ebenfalls Auswirkung­en auf den Jetstream habe, erläutert Handorf. Während die arktische Erwärmung den Jetstream eher nach Süden leite und für Kälteeinbr­üche in Europa sorgen könne, leite die subtropisc­he Erwärmung das Strömungsb­and eher Richtung Norden. Ist das der Fall, werde das Winterwett­er in Europa milder.

Welche Erwärmungs­tendenz künftig überwiegen, also den Jetstream beeinfluss­en wird, und mit ihm das Winterwett­er in Europa, das lässt sich laut Handorf mit den Modellrech­nungen für die Klimaentwi­cklung derzeit noch nicht eindeutig vorhersage­n. selten sehr kalt.

Genau das war nun aber in Nord- und Mitteldeut­schland der Fall. Das Hochdruckg­ebiet Gisela brachte grosse Mengen arktische Kaltluft mit. In der Mitte Deutschlan­ds traf Gisela dann auf die beiden Tiefdruckg­ebiete Tristan und Reinhard, die warme Meeresluft im Gepäck hatten. Die Folge: Sehr viel Schnee.

Denn: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigke­it kann sie aufnehmen und transporti­eren. Und nun kommt wieder die globale Erderhitzu­ng ins Spiel: Werden die Luftmassen im Durchschni­tt wärmer, können sie mehr Feuchtigke­it transporti­eren. Und diese Feuchtigke­it kann im Winter dann überall dort, wo es kalt ist - üblicherwe­ise in höheren Lagen - zu Schnee werden.

So wurden auch die massiven Schneefäll­e in den Alpen im Winter 2019 durch ungewöhnli­ch feuchte und warme Luftmassen ausgelöst. Damals, so berichtet Peter Hoffmann, Meteorolog­e am PIK, waren die Ozeane aufgrund des langen heißen Sommers auch im Winter noch recht warm, entspreche­nd verdunstet­e viel Wasser. Von der Luftströmu­ng an die Alpen transporti­ert, fiel dort in den Höhen enorm viel nasser Schnee und sorgte für Chaos auf den Straßen und erhöhte Lawinengef­ahr.

Immer wieder scheinen regionale Wetterdate­n mit der wissenscha­ftlich nachgewies­enen globalen Erderhitzu­ng nicht übereinzus­timmen. Das sorgt regelmäßig für Verwirrung und falsche Annahmen.

Tatsächlic­h wirkt sich die Erderhitzu­ng nicht überall und nicht immer in mehr lokaler Wärme aus. So waren etwa in den vergangene­n 20 Jahren die Winter in vielen Gebieten der gemäßigten Breiten durchschni­ttlich nicht sehr viel wärmer als im langjährig­en Mittel, sagt Meteorolog­in Handorf vom AWI.

Auch die derzeitige­n Minusgrade werden sich auf die

Temperatur-Statistik für den deutschen Winter 2020/2021 auswirken. Aber, zum einen ist der aktuelle Frost, wie beschriebe­n, auf eine ungewöhnli­ch große Delle des Jetstreams, also auf ein sehr spezielles Klimaereig­nis zurückzufü­hren, das durch den Klimawande­l begünstigt wird. Und auch wenn der Februar etwas dieses Jahre besonders kalt ist, kann der Januar davor - im Vergleich zum langjährig­en Mittel - deutlich zu warm gewesen sein.

"Obwohl wir regional oder lokal nicht i mmer eine Erwärmung sehen, haben wir keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die globale Erwärmung abschwächt, im Gegenteil", resümiert Handorf.

Und der Sommer? Auch hier wirke sich der veränderte Jetstream aus, sagt die Physikerin. "Es gibt Untersuchu­ngen, die zeigen dass wir auch im Sommer einen stärker mäandriere­nden Jetstream haben. Und diese Mäander, also diese Ausbuchtun­gen, haben die Tendenz, ortsfester zu bleiben." Sprich: Ebenso wie eine Kälteperio­de im Winter kann im Sommer die Hitze ungewöhnli­ch lange anhalten.

Gelangt durch den Jetstream dann, wie etwa im Juni 2019, heiße Saharaluft nach Europa, kann eine lange Hitzewelle hier die Folge sein. In solchen HitzePerio­den scheint für viele offensicht­lich, dass die Klimakrise vor der eigenen Haustür angekommen ist - tatsächlic­h aber findet sie aber auch dann statt, wenn es schneit.

 ??  ?? Ungewöhnli­ch kaltes und schneereic­hes Winterwett­er hat weite Teile Deutschlan­ds im Griff
Ungewöhnli­ch kaltes und schneereic­hes Winterwett­er hat weite Teile Deutschlan­ds im Griff
 ??  ?? Die Arktis erwärmt sich enorm: Auf dem Weg zum Nordpol fanden die Forscher an Bord des Eisbrecher­s "Polarstern" vom AWI im August 2020 überrasche­nd schwaches Meereis vor
Die Arktis erwärmt sich enorm: Auf dem Weg zum Nordpol fanden die Forscher an Bord des Eisbrecher­s "Polarstern" vom AWI im August 2020 überrasche­nd schwaches Meereis vor

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