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Karneval digital: Närrisch vor dem Bildschirm
Karneval mit Abstandsregeln? Unvorstellbar! Die närrischen Hochburgen wollen trotzdem versuchen, Ausgelassenheit in die heimischen Wohnzimmer zu bringen.
Im Sommer 2020 - nach dem Abklingen der erste Welle der Pandemie - waren viele deutsche Karnevalsvereine noch optimistisch. Sie hatten sich detaillierte Pläne ausgedacht, um die jecke Zeit im Februar zwar coronakonform und im Sinne der Abstandsregeln, aber eben mit Publikum stattfinden zu lassen. Das alles ist längst vom Tisch. Straßenkarneval, Publikumssitzungen und Festumzüge sind abgesagt. Viele Karnevalsfans werden ihr Wohnzimmer 2021 deshalb noch liebevoller in knallbunten Farben dekorieren, als sie das in den Vorjahren ohnehin schon getan haben. Denn die "Bützchen" ("Küsschen") werden dieses Jahr allermeistens nur im Kreis der Familie verteilt werden.
Der Fernseher oder Computerbildschirm wird zur Hauptquelle des Online-Frohsinns. und Ausmärsche und die Musikgruppen stehen auf der Bühne weiter auseinander als sonst. Der Damen-"Elferrat", eine Art närrisches Parlament, hat nur sieben Mitglieder und die Rednerinnen erhalten von der Sitzungspräsidentin keine Orden. Auch diese Sitzung wurde schon vorher aufgezeichnet. Alle Personen auf der Bühne, die keine Maske tragen, wurden zuvor auf Covid-19 getestet.
Die große Kölner Prunksitzung, die am Rosenmontag im Ersten Deutschen Fernsehen (ARD) zu sehen ist, folgt ähnlichen Corona-Auflagen (15.02.2021, 20:15 Uhr). Vom Elferrat bleibt nur eine Person übrig, der Sitzungspräsident. Und die Veranstaltung findet nicht wie s on s t i n d er altehrwürdigen Kölner Festhalle "Gürzenich" statt, sondern ohne Publikum im Kölner Tanzbrunnentheater. es übrigens einen Mini-Karnevalszug. Der Künstler Torsten Koch hat ihn entworfen und umgesetzt. Ab dem 14. Februar soll davon ein etwa 15-minütiger Film im Internet zu sehen sein.
We i b e r f a s t n a c h t (Donnerstag) und Rosenmontag sind in Köln normalerweise inoffizielle Feiertage. Die meisten Arbeitgeber erwarten an diesem Tag kein "business as usual" - erst Recht nicht, wenn das Büro in der Nähe des Zugwegs liegt. Nicht selten gibt es ausnahmsweise mal ein Kölsch am Arbeitsplatz und der Anrufbeantworter wird angeschaltet. In diesem Jahr ist das alles ein bisschen anders: Die Stadt Köln hat die Karnevalstage sogar zu regulären Arbeitstagen für ihre Beamten erklärt. Und um Menschenansammlungen zu vermeiden, darf an bestimmten Hotspots in der Stadt kein Alkohol verkauft werden. 14. Februar zwei große "Fastnachts-Shows". Der Mainzer Carneval-Verein (MCV) hat extra eine eigene Mediathek eingerichtet, über die man sich die Shows und andere Inhalte gegen Gebühr anschauen kann. Noch ein Novum. Wer ein Ticket für den Stream erwirbt, bekommt auch einen Fastnachtsschal und einen Sekt oder ein Fastnachtsbier nach Hause geliefert.
Aber nicht nur der MCV, sondern viele Karnevalsvereine quer durch die Republik haben ein Digitalprogramm auf die Beine gestellt, das man sich über die Vereinshomepages und oft auch bei Youtube zu Gemüte führen kann. Die Zahl der angebotenen Livestreams von Weiberfastnacht bis Faschingsdienstag ist groß.
"Bitte geht derzeit nicht raus, wir bringen euch den Karneval nach Haus", heißt es zum Beispiel bei der Karnevalistischen Gesellschaft "KITT" in der Stadt Olfen in Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es am 13. Februar ab 11.11 Uhr den digitalen Karneval für die ganze Familie. Beim Prinzenball ab 19 Uhr sind auch Karnevalspromis wie Mickie Krause und Olaf Henning dabei. Die Angebote auf den Vereinsseiten sind in der Regel kostenfrei. Auf der Internetseite Jeckstream.de kann man Sitzungen aus ganz Deutschland auch gegen Bezahlung verfolgen. piel die "Höhner" (Kölner Mundart für "Hühner") oder die "Bläck Fööss" ("Nackte Füße") ist das natürlich eine Herausforderung: In einer bis auf den letzten Platz (und manchmal darüber hinaus) gefüllten Kneipe oder einem Festsaal ist es natürlich leichter, für Stimmung zu sorgen als allein auf der Bühne ohne direkten Kontakt zum Publikum.
Der Ausfall der Umzüge und Prunksitzungen ist nicht nur eine emotionale Katastrophe für viele Jecken, sondern auch ein finanzielles Desaster für die Karnevalsvereine und die von Fastnacht profitierenden Wirtschaftszweige: Beeindruckende 1,5 Milliarden Euro beträgt der wirtschaftliche Schaden in der Karnevalssaison 2020/2021 deutschlandweit, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ausgerechnet.
Die Karnevalsvereine verlieren mit den abgesagten Veranstaltungen eine wichtige Einnahmequelle. Der Einzelhandel wird vor allem den ausgefallenen Kostümverkauf schmerzlich vermissen. Das Hotelgewerbe verbucht einen errechneten Verlust von 160 Millionen Euro durch ausbleibende Touristen, die Gastronomie verkauft weniger alkoholische Getränke und Verpflegung. Und auch dem Transportsektor gehen 240 Millionen verloren, wenn die Menschen zuhause bleiben.