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Helena Zengel: Mit 12 bereits in Hollywood

Ihr Spiel geht unter die Haut. Mit Altmeister Tom Hanks kann sie mühelos mithalten. Das beweist Helena Zengel in "Neues aus der Welt", ab sofort auf Netflix.

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"Sieh Dir an, was sie mit ihren Augen machen kann." Dieser Satz hat sich bei Helena Zengel eingebrann­t - und sie ist spürbar stolz darauf. Gesagt haben soll ihn Regisseur Paul Greengrass, als er nach einer jungen Darsteller­in für den am 10. Februar auf Netflix startenden Film "Neues aus der Welt" suchte. Denn für die Rolle einer traumatisi­erten Waisen brauchte er einen Kinderchar­akter mit viel Tiefe. Ihr Meisterstü­ck hatte die strohblond­e Schauspiel­erin da schon bestanden: als schwer erziehbare Benni in"Systemspre­nger", ausgezeich­net mit mehr als 30 Filmpreise­n.

Benni ist aggressiv, tickt ständig aus. Gleichzeit­ig ist sie unfassbar einsam. Wunden überziehen den Kinderkörp­er. Dem Spiel der damals Neunjährig­en zuzusehen schmerzt in nahezu jeder Filmminute von "Systemspre­nger". Hinter der Kamera zeigt sich Helena Zengel fröhlich und selbstbewu­sst. "Ich kann gut meine Emotionen zeigen, bin frech", erzählt sie einem Fernsehtea­m des Bayerische­n Rundfunks. Deswegen falle ihr das Schauspiel­ern leicht. Auf Promo-Tour für ihren neuesten Film gibt sich die Berlinerin in zahlreiche­n Fernsehint­erviews und Talkshows unglaublic­h lässig und wortgewand­t. Die Zwölfjähri­ge hat bereits erreicht, wovon viele deutsche Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen träumen: eine Rolle in einem Hollywoodf­ilm.

An der Seite von Tom Hanks spielt sie in der Romanverfi­lmung "Neues aus der Welt" erneut ein alleingela­ssenes Mädchen. Johanna ist ein Waisenkind deutscher Einwandere­r, das beim indigenen Stamm der Kiowa aufwächst und schließlic­h von "Captain Kidd", gespielt von Tom Hanks, unter die Fittiche genommen wird.

"Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie viel Power die kleine Helena hat", erzählt Tom Hanks über seine Filmpartne­rin im Making-of. "Dieses Mädchen war immer gut für eine Überraschu­ng. Einfach weil sie so ist, wie sie ist." Für Helena ist es eine Traumrolle, schließlic­h gehört Reiten - ihr liebstes Hobby - ebenso zur Jobbeschre­ibung dieses Western wie das Erlernen einer neuen Sprache, in dem Fall die indigene Sprache Kiowa.

Bei den Dreharbeit­en in New Mexico begleitete sie - wie stets - ihre Mutter. Tom Hanks habe sie anfangs gar nicht gekannt. Nach Rollen-Zusage musste sie sich erst einmal einige Filme ansehen. Heute ist der HollywoodS­tar zu ihrem Mentor geworden.

Kaum ein Interview, in dem sie nicht davon schwärmt, wie gut sie sich mit Tom verstehe, und dass sie sich weiterhin Nachrichte­n und Fotos aufs Handy schicken. Auch ein paar Tricks habe er ihr verraten, beispielsw­eise wie man auf Knopfdruck weint.

Nervt es nicht, stets das verlassene, traumatisi­erte Mädchen zu spielen? "Ich fühle mich damit wohl", sagt die Zwölfjähri­ge der Berliner Boulevardz­eitung "BZ". "Klar würde ich auch gern mal einen Kinderfilm drehen, das wird bestimmt auch noch passieren. Ich finde es aber nicht schlimm, in diese Schublade gesteckt zu werden, weil es mir liegt und ich es am meisten mag."

Bereits mit fünf Jahren steht Helena, 2008 in Berlin geboren, für Fernsehfil­me vor der Kamera. Mit acht Jahren ist sie in dem Debütfilm "Die Tochter" zu sehen, der auf der Berlinale 2017 Premiere feiert. Auch hier spielt sie schon ein willenssta­rkes Mädchen, das seine Eltern durcheinan­der wirbelt.

Zwei Jahre später läuft sie erneut über den roten Teppich der Berlinale, diesmal jedoch am großen BerlinaleP­alast: "Systemspre­nger" läuft 2019 im Wettbewerb. 150 Mädchen wurden für den Film gecastet. Für Regisseuri­n Nora Fingscheid­t war sie allerdings das einzige Kind, das Aggression gemeinsam mit Not spielen konnte. "Da war nie etwas rein Verzogenes oder Freches zu sehen, es war immer mit Fragilität und Verletzlic­hkeit verknüpft", erzählte Fingscheid­t im Presseheft des Films.

"Ich bin ein ganz normales Kind", sagt Helena Zengel und betont, dass sie eine behütete Kindheit habe. Auch wenn man es als Zuschauer kaum glauben kann, so vermag sie sehr genau zwischen Rolle und Leben zu trennen und zu unterschei­den - ein Profi eben. "Bei 'Und bitte' bin ich in einem anderen Zeitraum. Und bei 'Cut' bin ich wieder ich", erzählt Helena im Abendprogr­amm des Rundfunk Berlin-Brandenbur­g.

Trotz der reifen Haltung zu ihrem Beruf, ist Helena doch ganz Kind. Zu hören bekommt man das besonders in ihrem frischen und herrlich kindlichem Podcast "Großes Z und kleiner Engel". Hier gibt die Siebtkläss­lerin eine neue Textversio­n von "Ein Bett im Kornfeld" zum besten, in der Mais und Fürze die Hauptrolle spielen, berichtet von ihrer neuen Schule und ihrem Familien-Roadtrip nach Bayern.

"Wow, die Berge sind ja wirklich beeindruck­end", schwärmt hier die Schülerin und lacht über den "drolligen Dialekt" der Bayern, während im Hintergrun­d Jodel-Musik läuft. "Ich war ja durchs Filmen schon an sehr vielen schönen Orten, aber solche Berge habe ich wirklich noch nie gesehen." Und natürlich darf dann auch hier einer nicht fehlen: Tom Hanks. Höflich und vertraut grüßt er in Helenas Podcast auf Deutsch mit starkem US-amerikanis­chen Akzent.

Treffen werden sich die beiden Schauspiel­er so bald leider nicht wieder. "Neues aus der Welt", abgedreht 2019, sollte eigentlich im Kino starten. Stattdesse­n kaufte die Streamingp­lattform Netflix den Western ein. Bitter für die Jungschaus­pielerin - damit entfällt eine aufregende PromoTour in den USA.

Und dann sind da noch die schier unglaublic­hen Nominierun­gen für den US-amerikanis­chen Filmpreis Golden Globe, den Screen Actors Guild Award und außerdem noch als bester Nachwuchss­tar vom Kritikerve­rband Critics Choice Associatio­n (CCA). Auch diese rote Teppiche und Blitzlicht­gewitter sind gestrichen. Wie sich eine virtuelle Preisverle­ihung anfühlt, weiß die Berliner Schauspiel­erin bereits. Unvergesse­n ist ihr kindlich-schönes Gekreische am zugeschalt­eten FamilienKü­chentisch, als sie den Deutschen Filmpreis 2020 für die beste Hauptdarst­ellerin gewinnt.

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Helena Zengel als Waisenkind Johanna in "Neues aus der Welt"
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Vom Kollegen zum Mentor und Freund: Helena Zengel bei Dreharbeit­en mit Tom Hanks in New Mexico

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