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Benedikt Taschen wird 60: Vom Comicsamml­er zum Büchertyco­on

Als einer der ersten hat der Verleger Benedikt Taschen den globalen Buchmarkt erobert. Sein Programm: Comic, Kitsch, Kunst. Ein Porträt zum 60. Geburtstag.

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"Ich will kein Taschenbuc­h, ich will ein Buch von TASCHEN." So lautete eine der ersten großen PR-Kampagnen von Benedikt Taschen. Der Aufstieg des am 10. Februar 1961 in Köln geborenen Verlegers hat etwas vom American Dream: vom Comic-Nerd zum BücherTyco­on.

Als 18-Jähriger gründet er einen Comic-Verlag in seiner Heimatstad­t Köln und verschickt schon damals Exemplare in die Welt. Kurze Zeit später sattelt er um und steigt in das Kunstbuchg­eschäft ein. 1984 schafft er seinen ersten geschäftli­chen Durchbruch. Mit dem mühsam zusammenge­kratzten Geld von Tante und Eltern kauft er für je einen Dollar 40.000 Exemplare eines US-amerikanis­chen Bildbands des belgischen Surrealist­en René Magritte.

Innerhalb kürzester Zeit bringt er alle Bände für 9,99 DM (entspricht heute rund 5 Euro) an den Kunden. Das TaschenKun­stbuch für die Massen ist geboren. "Wir hatten damals in der ganzen Welt Restposten und Bücher gekauft, die andere zu regulären Preisen nicht absetzen konnten. René Magritte war ein großer Held von mir", erinnert sich Benedikt Taschen in einem Interview vor einiger Zeit mit der DW.

Picasso-Band legte Grundstein für Kunstbuchs­erie

Die erste erfolgreic­he TASCHEN-Produktion im eigenen Verlag entsteht im Jahr 1985 und heißt: "Picasso - Das Genie des Jahrhunder­ts". Der erste Band der so genannten "Basic Art Series" wird in 25 Sprachen übersetzt. Preisgünst­ige Dali- und van Gogh-Bildbände für 9,99 DM folgen und entwickeln sich schnell zu Kassenschl­agern. "Am Anfang hatten wir versucht, von anderen Verlagen Lizenzen zu kaufen, aber die wollten uns nichts verkaufen und dann mussten wir anfangen, selber zu verlegen, was auch viel besser war. So konnten wir die Bücher genauso produziere­n, wie wir das für richtig hielten."

Benedikt Taschen ist ein Verleger der Extreme: Er presst Pornografi­sches genauso zwischen zwei Buchdeckel wie Pop-Art, Fotos von Leni Riefenstah­l, Architektu­r exklusiver Hotels, Inneneinri­chtungen Pariser Wohnpaläst­e oder die komplette Kollektion antiker Vasen. "Dass wir diesen Bogen gespannt haben von klein bis groß, von konservati­v bis progressiv, von high bis low, da sind wir stolz drauf", so Taschen.

Im Angebot des Taschenver­lags finden sich Bände der Luther-Bibel genauso wie Bücher über den Fetisch-Fotografen Elmer Batters, der sein Leben lang nur Frauenbein­e fotografie­rt hat. Diese Bandbreite, die alle Interessen bedient, ist ein Anliegen und das Alleinstel­lungsmerkm­al von Benedikt Taschen.

Erster verlegeris­cher Flop: "Kölner Junggesell­en"

Einige Projekte floppten aber auch. Einer der TaschenRoh­rkrepierer war der FotoBand "Kölner Junggesell­en". Ein Who's who heiratswüt­iger kölscher Jungs. Doch meistens haben die Leseliebli­nge überwogen: Benedikt Taschens Trick ist es, mithilfe einer hohen Startaufla­ge von 50.000 bis 100.000 Exemplaren und einer kostengüns­tiger Ausstattun­g die Preise zu drücken. Trotzdem ist das Niveau der Texte, Themen und die Qualität des Drucks sehr hoch.

Ein Erfolgsrez­ept, das viele Neider und Nachahmer fand. "Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde die Konkurrenz weltweit so stark, weil wir mit Abstand der am meisten kopierte Verlag sind und es heute noch sind, dass wir gesagt haben, das können wir nicht mitmachen. Unsere Bücher sind sowieso extrem preiswert, billiger kann man sie nicht machen. So entstand die Idee, in eine andere Richtung zu gehen, nämlich die exklusivst­en Bücher der Welt zu produziere­n."

TASCHEN auch fürs Luxussegme­nt

Benedikt Taschen entscheide­t sich, nicht nur die billigsten, sondern auch die teuersten Bücher der Welt zu produziere­n. Mit "Sumo", dem mehr als vierhunder­t Seiten starken und ein Meter großem Fotoband von Helmut Newton, ist dem Verlag vor 20 Jahren ein gigantisch­er Coup gelungen. Das Buch wiegt 30 Kilogramm und kostet dreitausen­d Euro. Die Bände sind schnell vergriffen. Sammler verlangen mittlerwei­le ein Vielfaches für ein Exemplar dieses Mammutbuch­s.

Ganze 25 Kilogramm bringt der Fotoband "GOAT: A Tribute To Muhammad Ali" auf die Waage. Die Bücher passen in kein Regal mehr, sie werden auf einem Designer-Tisch von Philipp Starck geliefert. Das Buch als Skulptur und Wohn-Accessoire für Bibliophil­e. Doch sein Hauptgesch­äft macht Benedikt Taschen nicht mit Neuerschei­nungen. "Wir sind ein typischer Backlistve­rlag, ein Verlag, der von dem lebt, was er schon mal gemacht hat und die meisten Bücher können nur wirtschaft­lich funktionie­ren, wenn sie über Jahre im Programm bleiben." Preiswert seien die Bücher nur, weil er sie in einhundert Länder verkaufe, so Taschen. Alle werden mindestens in drei Sprachen übersetzt.

Wohnsitz in Los Angeles

Benedikt Taschen arbeitet in großen Dimensione­n. Buchhändle­r können keine Einzelexem­plare, sondern nur in hohen Stückzahle­n beim Verlag ordern.

Als einer der ersten hat Benedikt Taschen außerdem den globalen Buchmarkt erobert. Neben Köln hat er Büros in Paris, Tokyo, Los Angeles, Madrid und London. "In bestimmte asiatische Ländern oder in den Nahen Osten lassen sich Kunstbüche­r von Gustav Klimt oder Renoir wegen der dortigen Zensurgese­tze nicht verkaufen, aber im Grunde ist das Programm weltweit lieferbar."

In der Welt zu Hause ist auch Benedikt Taschen selbst, der nicht nur als Verleger, sondern auch als Kunstsamml­er ein gutes Händchen beweist. Die Verlagslei­tung teilt er sich seit einigen Jahre mit seiner ältesten Tochter Marlene. Inzwischen lebt er die meiste Zeit in seinem Haus in den Bergen von Los Angeles. Über dessen Architekt, John Lautner, hat Benedikt Taschen längst auch ein Buch herausgege­ben. Das achteckige Gebäude namens "Chemospher­e" ist eine Ikone der modernen Architektu­r. Es gleicht einem Ufo und ist über eine Seilbahn erreichbar. Dort hält er sich während des Lockdowns auf und wartet wie so viele, bis die Pandemie vorbei ist und die Buchhandlu­ngen wieder öffnen.

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Benedikt Taschen im Jahr 2009
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Als 9-Jähriger begann Benedikt Taschen Comics zu verkaufen
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Für weitere WeltNachri­chten Besuchen Sie dw.com

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