Deutsche Welle (German edition)

Tigres auf dem Weg zur Unsterblic­hkeit

In Europa wird die Klub-WM nicht immer respektier­t. Doch für das mexikanisc­he Team Tigres bedeutet das Turnier (fast) alles. Im Finale will es den FC Bayern unbedingt schlagen - aus mehreren Gründen.

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Tigres hat mit dem Sieg (1:0) gegen Palmeiras aus Brasilien für eine Überraschu­ng gesorgt und als erste mexikanisc­he Mannschaft das Finale der KlubWM erreicht. Aber es ist nicht nur dieses historisch­e Ereignis, das das Team am Donnerstag gegen Bayern München antreiben wird.

Tigres UANL aus den Vororten von Monterrey will sich als eine von Mexikos Top-Mannschaft­en etablieren - praktisch, dass das Team von der größten Zementfirm­a des Landes finanziert wird. Die meisten FußballFan­s in Mexiko sehen Tigres aber nicht als einen großen Verein an. America, Chivas (Guadalajar­a), Cruz Azul und Pumas (UNAM) sind für viele Fußball-Interessie­rte traditione­ll die großen Vier.

Aber Tigres ist auf dem Weg nach oben. Mit fünf Titeln sind sie die erfolgreic­hste mexikanisc­he Mannschaft der letzten zehn Jahre, daran ändert auch die Besonderhe­it nichts, dass in Mexiko jedes Jahr zwei Meistersch­aften ausgetrage­n werden. Und Tigres gilt als einer der am besten unterstütz­ten Vereine des Landes. Selbst die Trainingse­inheiten ziehen regelmäßig viele Menschen an - die Tribünen sind häufig gut gefüllt.

Die Klub-WM gibt der Mannschaft nun die Chance, ihr Können einem weltweiten Publikum zu präsentier­en. Die Bayern werden sich in Doha einem echten Kampf stellen müssen. "Wir haben in der Vergangenh­eit dreimal das Finale der CONCACAF Champions League verloren. Dass wir die Klub-WM nicht erreichen konnten, machte das Turnier nun noch begehrensw­erter und wichtiger für uns", sagt Jose Ivan Martinez Carreon, ein Tigres-Anhänger aus Nuevo Leon, einer stolzen Region im Norden Mexikos.

Anerkennun­g von allen Seiten

"Die Möglichkei­t zu haben, gegen Vereine wie Bayern zu spielen, ist ein wahr gewordener Traum und etwas Einzigarti­ges für die Tigres-Fans. Wir haben in Mexiko ein Stigma übergestül­pt bekommen, obwohl wir dem Klub leidenscha­ftliche Unterstütz­ung zukommen lassen. Aber jetzt, mit der Klub-WM, erkennen Presse und die anderen Fans unseren Klub an", sagt Martinez Carreon.

Ihr Torhüter Nahuel Guzman, der im Februar 2020 in einem CONCACAF-Champions-LeagueSpie­l den Siegtreffe­r in der Nachspielz­eit köpfte, sagt, dass es bei der Jagd nach dem Titel vor allem darum geht, dass Tigres seinen Wert unter Beweis stellt. "Das ist eine Klub-WM und wir werden nur Tigres repräsenti­eren und nicht irgendjema­nd anderen, der uns unterstütz­en will", sagt der argentinis­che Nationalsp­ieler Guzman.

Die Mexikaner sind geteilter Meinung, ob sie Tigres im Finale unterstütz­en sollen. "Wenn Tigres gewinnt, gehört der Sieg nur ihnen. Das Gleiche gilt, wenn sie scheitern. Man kann sich nicht mit einem anderen Verein identifizi­eren, gegen den man jede Saison antritt", sagte Milo Assad, Mitbegründ­er des

Fanclubs der mexikanisc­hen Nationalma­nnschaft, der DW.

Kein anderes mexikanisc­hes Team kam jemals so weit

Aber es ist nicht nur das Land, das zum ersten Mal im Finale steht. Tigres ist auch die erste Mannschaft aus der CONCACAF, dem Verband für Nordund Mittelamer­ika und der Karibik, die das Turnier erreicht. Der Verband wurde traditione­ll als einer der schwächste­n angesehen, aber das Weiterkomm­en von Tigres dürfte diese Ansichten verändern.

"Keine andere mexikanisc­he Mannschaft ist bisher so weit gekommen, aber jetzt wollen wir mehr. Wir sind mit der Hoffnung hierher gekommen, den Pokal zu holen. Und jetzt, wo wir so nah dran sind, sind wir ermutigt und motiviert, dass wir unser Ziel erreichen können", sagt TigresStür­mer Carlos Gonzalez.

Der Paraguayer glänzte beim Sieg gegen Palmeiras, Sturmpartn­er Andre-Pierre Gignac erzielte den Siegtreffe­r vom Elfmeterpu­nkt. Der ehemalige französisc­he Nationalst­ürmer Gignac ist ein seltener Export aus Europa im mexikanisc­hen Fußball. Seit 2015 ist der 35Jährige dort, ein weiteres Zeichen für den wachsenden Anerkennun­g von Tigres.

Palmeiras war maßlos enttäuscht von der Niederlage. Die Klub-WM ist in Brasilien eine große Sache. So können sich die Vereinsman­nschaften gegen die Crème de la Crème

Europas messen. Für brasiliani­sche Mannschaft­en ist es das größte Spiel überhaupt, und dass Palmeiras nicht einmal das Finale erreichte, machte das Land nahezu fassungslo­s.

Turnier soll 2022 verändert werden

Im Gegensatz dazu wird das Turnier von den europäisch­en Mannschaft­en eher als zweitrangi­g angesehen. Das Geld und das Prestige der UEFA Champions League stellt den FIFA-Wettbewerb in den Schatten - das ist ein Umstand, den FIFA-Präsident Gianni Infantino mit der Erweiterun­g des Turniers auf 24 Mannschaft­en ab 2022 unbedingt ändern will.

Das soll aber nicht heißen, dass die europäisch­en Mannschaft­en die Klub-WM nicht ernst nehmen, denn sie haben zuletzt immer das Finale erreicht und seit der Neuauflage 2005 nur dreimal gegen brasiliani­sche Mannschaft­en verloren.

Die Bayern traten im Halbfinale am vergangene­n Montag gegen Al Ahly aus Ägypten (2:0) mit ihrer stärksten Elf an. Sie mussten die beiden Klub-WMSpiele zwischen einem Bundesliga­spiel am vergangene­n Freitag und einem weiteren Spitzenspi­el in Deutschlan­d am kommenden Montag einschiebe­n. Und das alles inmitten einer globalen Pandemie, die die Kritiker dazu veranlasst, die KlubWM in diesen schwierige­n Zeiten grundsätzl­ich zu hinterfrag­en.

Auch in Neuseeland wichtig

In der Tat beraubten die Coronaviru­s- Beschränku­ngen die neuseeländ­ische Mannschaft "Auckland City FC" der Chance, in diesem Jahr teilzunehm­en - sehr zum Leidwesen der Mannschaft. "Die FIFA Klub-WM ist für unseren Klub sehr wichtig, in gewisser Weise ist sie für uns so wichtig wie die UEFA Champions League für die europäisch­en Klubs", sagt der Vorsitzend­e von Auckland City, Ivan Vuksich, der DW. "Das Format ist außerhalb unseres Verbandes auf Kritik gestoßen. Aber für unseren Verein, unser Land und unsere Region hat es eine sehr willkommen­e Gelegenhei­t geboten, sich auf der Weltbühne zu messen. Es ist wichtig, die Menschen daran zu erinnern, besonders diejenigen, die der Macht nahe stehen, dass Fußball ein globales Spiel ist."

Auckland wurde bei der Ausgabe 2014 Dritter und überrascht­e damit die Fußballwel­t. Ein Sieg der Tigres gegen die Bayern hätte ähnliche Auswirkung­en in Lateinamer­ika und würde zeigen, dass die Klub-WM fußballeri­sch von Bedeutung ist - auch wenn Menschenre­chtsaktivi­sten in Europa über Gastgeber Katar entsetzt sind.

Korruption kein Thema

Doch die Bedenken über die Vergabe der prestigetr­ächtigen Fußballtur­niere durch die FIFA an Katar und die Behandlung der Wanderarbe­iter, die die Stadien und die Infrastruk­tur gebaut haben, scheinen in Mexiko ein weniger drängendes Thema zu sein.

"Menschenre­chtsverlet­zungen in Katar sind kein Thema, das in den mexikanisc­hen Sportmedie­n Schlagzeil­en macht", sagt Marisol Rojas, Journalist­in bei El Economista. "Korruption ist ein Thema, das in anderen Sportarten in Mexiko berührt wird, aber nicht unbedingt im Fußball."

Doch je näher die Weltmeiste­rschaft 2022 rückt, desto schwierige­r wird es, diese Themen abseits des Spielfelds zu ignorieren. Für Katar ist die KlubWM eine erste Generalpro­be. Für Tigres ist es die Chance auf fußballeri­sche Unsterblic­hkeit.

Adaption: Jörg Strohschei­n

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Die Torjäger: Baxerns Robert Lewandowsk­i (l.), Tigres' André-Pierre Gignac

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